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# taz.de -- Neue Landesvorsitzende der Berliner SPD: Bisher Könige ohne Land
> Nach dem Mitgliederentscheid ist die SPD nach rechts gerückt. In der
> Fraktion klammert sich Raed Saleh an die Macht. Was heißt das für die
> Politik?
Bild: Wer von den dreien wird 2026 die SPD in den Wahlkampf führen?
Berlin taz | Es ist ein Anfang, aber noch lange kein Neuanfang. Die 58,45
Prozent, mit denen sich Neuköllns Bezirkschef Martin Hikel und
Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini bei der Stichwahl in der
Mitgliederbefragung um den SPD-Landesvorsitz [1][durchgesetzt haben], sind
zwar ein deutliches Ergebnis, aber kein Erdrutschsieg.
Wie groß der Rückhalt für die dem rechten Parteiflügel zuzurechnende
SPD-Spitze jenseits der Parteibasis ist, wird sich kommenden Samstag
zeigen. Dann wird der [2][Landesparteitag] über den Parteivorsitz
abstimmen. Die Delegierten sind zwar gehalten, dem Votum der Mitglieder zu
folgen. Nicht auszuschließen ist aber, dass einige die Wahl für einen
Denkzettel nutzen könnten.
Von einem „starken Mitgliedervotum“ hatte Hikel am Samstag nach Bekanntgabe
des Ergebnisses gesprochen. Das müsse sich bei allen künftigen
Entscheidungen widerspiegeln, „sowohl bei personellen als auch
inhaltlichen“. Das könnte auch ein Hinweis darauf sein, wer für die SPD bei
den Abgeordnetenhauswahlen 2026 als Spitzenkandidat antreten wird.
Zwar ist der Rechtsruck an der Parteispitze ganz im Sinne von
Wirtschaftssenatorin und Noch-SPD-Chefin Franziska Giffey. Ob die ehemalige
Regierende Bürgermeisterin aber 2026 noch einmal antritt, liegt nun auch in
den Händen des neuen Führungsduos.
Während der letzten Onlineveranstaltung vor der Stichwahl hatte Hikel
seinen Anspruch noch einmal untermauert. „Landesvorsitzende einer
Volkspartei sollten immer dazu in der Lage sein, Führungspositionen zu
übernehmen“, betonte er. „Wer das ausschließt, würde sich klein machen.�…
Letzteres war eine Spitze gegen das am Samstag unterlegene Duo aus Kian
Niroomand und Jana Bertels. Die beiden Parteilinken hatten bei ihrer
Bewerbung versichert, „selbst keine Regierungsämter anzustreben“.
## Machtfaktor Fraktion
Doch bis 2026 ist es noch lange hin. Das größte Hindernis für einen
Neuanfang, für den beide Duos geworben hatten, heißt Raed Saleh. Zwar ist
der Fraktionsvorsitzende beim Versuch, zusammen mit Luise Lehmann als
SPD-Chef im Amt zu bleiben, im ersten Wahlgang der Mitgliederbefragung
[3][mit 15,65 Prozent krachend gescheitert].
Seine Machtposition in der Fraktion will Saleh aber nicht abgeben. Wenn am
heutigen Dienstag der Fraktionsvorstand neu gewählt wird, geht Saleh erneut
ins Rennen. Auch die Versuche, wenigstens eine Doppelspitze zu
installieren, scheinen bislang wenig aussichtsreich. Das Thema wurde in
eine Arbeitsgruppe Geschlechterparität ausgelagert. Erste Ergebnisse soll
sie erst im Sommer 2025 liefern. Für die neue Parteispitze ist die
Verschleppung ein weiterer Beweis dafür, mit welchen Methoden der
Fraktionschef arbeitet. „Wir fänden es gut und zeitgemäß, wenn auch die
Fraktion den Weg der Doppelspitze einschlagen würde“, sagte Böcker-Giannini
dem Tagesspiegel. Das funktioniere an vielen Stellen sehr gut. „Da muss
sich die Fraktion schon fragen, warum ein Findungsprozess für diese Haltung
dort mehr als ein Jahr dauern soll.“
Bleibt Saleh als alleiniger Fraktionschef im Amt, steht der kleine
Koalitionspartner der CDU damit gleich vor mehreren Problemen. Zum einen
ist da die Spaltung der Partei zwischen einer eher rechten Parteibasis
sowie den beiden neuen Landeschefs auf der einen Seite und der eher linken
Funktionsschicht auf der anderen. Schon auf der Onlineveranstaltung vor der
Stichwahl hatte Kian Niroomand sich besorgt gezeigt, „dass eine
Parteispitze isoliert die Partei von oben führt. Gegen die Gremien“. Die
Botschaft war klar: Hikel und Böcker-Giannini wären Könige ohne Land. Einen
Vorgeschmack, was auf das neue Duo zukommt, haben am Wochenende bereits die
Jusos gegeben. Mit „Bedauern“ habe man das Ergebnis der Mitgliederbefragung
zur Kenntnis genommen, so die Juso-Vorsitzenden Svenja Diedrich und Kari
Lenke. „Die Mehrheit der Genoss*innen, die abgestimmt hat, hat sich gegen
einen linken Neustart und für einen CDU-nahen Kurs entschieden.“
## Kritik an Wohnungskäufen
Das dürfte auch die Mehrheit der Parteitagsdelegierten so sehen. Erst
recht, nachdem die neuen Landesvorsitzenden am Wochenende auch die
bisherige Politik der Rekommunalisierung auf dem Wohnungsmarkt infrage
gestellt haben. „Die Rückkäufe von Wohnungsbeständen in der Breite sehen
wir kritisch“, sagte Böcker-Giannini dem Tagesspiegel. Zwar stehe man für
Ankäufe, die sich für das Land rechnen. „Aber es hat in der Vergangenheit
auch Fälle wie den Vonovia-Rückkauf von 14.500 Wohnungen für 2,46
Milliarden Euro gegeben. Das darf so nicht wieder passieren.“
Hinter Aussagen wie diesen steckt auch viel Konfliktpotenzial zwischen dem
neuen Führungsduo und der SPD-Senatsriege. Ein Knackpunkt dabei könnte
ausgerechnet das 29-Euro-Ticket sein, das Giffey gegen den Willen der CDU
im Senat durchgedrückt hat. Hikel und Böcker-Giannini kritisieren es als
unsozial, ungerecht und zu teuer. Man werde, so Hikel, das Ticket sicher
„nicht sofort stoppen, aber kritisch begleiten, wie es angenommen wird“.
Das wiederum wollte Franziska Giffey nicht so stehen lassen. „Wir können es
gar nicht stoppen“, mischte sie sich [4][am Samstag bei der Präsentation]
des Ergebnisses der Mitgliederbefragung ein. Man müsse Versprechen, die man
gegeben hat, auch halten.
Berlins Regierender Bürgermeister wird die Verschiebungen im Machtgefüge
des Koalitionspartners sicher aufmerksam verfolgen. Pflichtschuldig
gratulierte er am Samstag auf X dem neuen Führungsduo.
Kai Wegner (CDU) weiß aber auch, dass es in Zukunft nicht mehr reichen
wird, strittige Fragen allein mit Raed Saleh abzusprechen. Dessen Dämmerung
hat, unabhängig vom Ergebnis am Dienstag, begonnen. Raed Saleh rockt die
Berliner SPD nicht mehr. Martin Hikel sagt es so: „Die ausschließliche
Hinterzimmerpolitik der letzten Jahre hat unsere Partei geschwächt.“
20 May 2024
## LINKS
[1] https://spd.berlin/magazin/aktuelles/5845-prozent-fuer-nicola-boecker-giann…
[2] https://spd.berlin/lpt/
[3] /Machtkampf-in-der-Berliner-SPD/!6005618
[4] /Entscheidung-ueber-neue-SPD-Doppelspitze/!6011238
## AUTOREN
Uwe Rada
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