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# taz.de -- St. Pauli in der Ersten Liga: Rollentausch im hohen Norden
> Der HSV mag zwar gern mit dem Etikett „traditionsreich“ verbunden werden.
> Im Fußball heißt Hamburg aber jetzt nur noch St. Pauli.
Bild: Daran gibt es nichts zu deuteln: klar die Nr. 1 in Hamburg
Dieser Hamburger Sportverein? Also der FC St. Pauli, oder? Was zwischen
Landungsbrücken und Reeperbahn noch anders sein mag: In der Ferne, in
Berlin, Köln oder den Weiten Süddeutschlands ist der HSV, so oft mit dem
Etikett „traditionsreich“ verbunden, gefühlterweise nurmehr zweite Wahl
beim Gedanken an Fußball in Hamburg.
Was soll man auch von einem Verein halten, dem die Wirtschaftskraft einer
prosperierenden Großstadt zur Verfügung steht, der aber seit seinem
erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga 2018 den Wiederaufstieg nicht
hinbekommt? Erst dreimal hintereinander Vierter, dann zweimal Dritter. Das
berechtigte den HSV zwar 2022 und 2023 zu den sogenannten
Relegationsspielen gegen den Drittletzten der Ersten Liga, half aber auch
nicht weiter.
Ach so: Dass der HSV auch in der nächsten Saison nicht erstklassig spielt,
hat sich schon vor dem letzten Spieltag an diesem Wochenende entschieden.
Fehlt dadurch in der Ersten Liga irgendwas? Wiederum gefühlt: Nein.
Gutsituiert daherkommende Vereine hat die Liga genug, eine Inkarnation
großbürgerlichen Hamburger Kaufmannstums braucht es nicht zusätzlich.
Gut möglich, dass der Legendenstatus als Bundesliga-Gründungsmitglied von
1963 spätestens [1][mit Uwe Seeler vor zwei Jahren gestorben ist], dem
vielfachen Nationalspieler, Publikumsliebling, WM-Zweiten von 1966 und
WM-Dritten von 1970, der nie für einen anderen Verein spielte.
Ja, der HSV war sechsmal Deutscher Meister – aber zuletzt 1983. In jenem
Jahr gewann der Verein sogar den Europapokal der Landesmeister, Vorläufer
der Champions League. Doch der Mann, der daran großen Anteil hatte und sich
den Beinamen „Kopfballungeheuer“ verdiente, ist zwar weiter gut bekannt –
aber nicht als HSVler: Horst Hrubesch ist vor allem die Ikone, die [2][das
Frauen-Nationalteam wieder aufgerichtet hat] und zu den Olympischen Spielen
führt.
## Die Inkarnation des Alternativen
Den HSV als den Hamburger Verein braucht es auch umso weniger, weil es ja
schon immer diesen anderen Klub gab, auch wenn der nur den Namen eines
einzigen dortigen Stadtteils im Namen führt. Aber dieser Verein war eben
stets die Inkarnation des Alternativen – und wer es mit dem Politischen
nicht so hatte, konnte mit „St. Pauli“ zumindest ein mythenumwobenes
Nachtleben verbinden.
Der – so offiziell – Fußball-Club St. Pauli von 1910 e. V. war noch nie
Deutscher Meister und auch nicht Europapokalsieger – aber etwas viel
Tolleres: „Weltpokalsiegerbesieger“. Am 6. Februar 2002 gewann der Verein
gegen Bayern München, das zuvor nach dem Champions-League-Sieg auch den
globalen Titel geholt hatte. An dieses Ereignis erinnert regelmäßig der
Münster-„Tatort“: Kommissar-Darsteller Axel Prahl trägt dort als
St.-Pauli-Fan gelegentlich ein T-Shirt mit entsprechendem Schriftzug. Was
übrigens nicht verhinderte, dass der Verein kurz nach diesem Ereignis
abstieg und danach bis in die Regionalliga abrutschte.
In Berlin, Köln oder den Weiten Süddeutschlands mögen zwar nur echten
Aficionados die Namen jener Spieler bekannt sein, die in der jetzt
auslaufenden Saison für den Aufstieg sorgten – dreizehn Jahre nach dem
jüngsten Abstieg aus der Ersten Liga. Etwas Besseres kann einem Klub aber
letztlich kaum passieren: Spieler sind plötzlich mal weg, weil verkauft
oder verletzt – der Vereinsname aber bleibt. Ein irgendwie Kleiner, der es
schafft, oben mitzumischen.
Der HSV kann währenddessen noch nicht mal den auch nicht sonderlich
schmeichelhaften Beinamen „Zweitbester im hohen Norden“ für sich
beanspruchen: Mit St. Pauli steigt nämlich auch das keine 100 Kilometer
entfernte Holstein Kiel auf.
18 May 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Stefan Alberti
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