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# taz.de -- Riskante Klimaklage in Russland: Umweltschützer ziehen vor Gericht
> Erstmalig hat das russische Verfassungsgericht eine Klage gegen Russlands
> fehlende Klimapolitik angenommen. Wie geht Umweltaktivismus in Russland?
Bild: Die indigenen Samen in Russland haben 300 Wörter für Schnee und Dutzend…
Mönchengladbach taz | Russland ist weit entfernt davon, seine Klimaziele zu
erreichen. Im Gegenteil, die aktuelle Politik führe zu einem weiteren
Anstieg des CO2-Ausstoßes, meinen die russische Umweltschutzorganisation
Ecodefense und 18 russische Staatsbürger. Deswegen klagen sie vor dem
russischen Verfassungsgericht. Das Gericht hat nun Anfang Mai diese Klage
angenommen und registriert – ein bisher einmaliger Vorgang.
Russland hat sich 2015 mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens
verpflichtet, den CO2-Ausstoß von ungefähr 2,2 Milliarden Tonnen im Jahre
2024 auf 968 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 und auf 157 Millionen Tonnen bis
2050 zu reduzieren. Russland tue aber das Gegenteil von dem, was es in
Paris zugesagt habe, findet Wladimir Slivjak, Co-Vorsitzender von
Ecodefense.
Anstatt den CO2-Ausstoß des Landes gezielt zu minimieren, unternehme das
Land noch nicht einmal den Versuch, die Produktion von CO2 zu verringern.
Und damit verletze der russische Staat das in der Verfassung garantierte
Recht auf Gesundheit, Leben und eine intakte Umwelt.
Die Unterzeichner bitten das Verfassungsgericht, die Verletzung dieser
Rechte festzuhalten, und fordern eine Umorientierung der staatlichen
Klimapolitik ein. Sie sind auch durch die erfolgreichen [1][Klagen von
portugiesischen und schweizerischen Klimaschützern] vor dem Europäischen
Menschengerichtshof ermutigt.
## 300 Wörter für Schnee, Dutzende Wörter für Rentiere
Schon jetzt, so Sliwjak unter Berufung auf offizielle russische Quellen,
stiegen die Temperaturen in Russland doppelt so schnell wie in anderen
Ländern. Vermehrte Waldbrände, Überschwemmungen und Hitzewellen seien die
Folge. In einigen Jahrzehnten, so Sliwjak, drohten Russland
Trinkwasserknappheit, Dürre, Hitze und riesige Ernteausfälle. Um künftige
Hungernöte zu verhindern, sei jetzt eine [2][Kehrtwende in der
Klimapolitik] erforderlich.
Besonders verheerend sind die Folgen der verfehlten Klimapolitik für die im
Norden lebenden indigenen Völker. „Was werden wir im Norden in 30, 50 oder
100 Jahren machen, wenn es keine Tundra und keine Rentiere mehr geben
wird?“, fragt sich Andrej Danilow, Sprecher der in Russland lebenden Samen,
gegenüber der taz.
Einfluss werde die Klimakatastrophe auch auf die Sprache der Samen haben.
„Wir haben 300 Wörter für Schnee, Dutzende Wörter für Rentiere“, so
Danilow. „Je nachdem, ob es ein großes oder kleines, ausgewachsenes,
rothaariges oder junges Rentier ist.“ Doch diese Wörter würden wohl alle
eines Tages nicht mehr gebraucht werden, man werde sich an sie nur noch als
Relikt einer vergangenen Zeit erinnern.
„Bei den meisten Religionen sind die Heiligtümer an gewisse Orte gebunden“,
so Danilow. „Unser Heiligtum jedoch ist die Natur. Wenn ich in die Natur
gehe, gehe ich zu Gott. Und wenn diese Natur nicht mehr sein wird, dann
haben wir unsere Seele verloren.“
## Umweltaktivismus ist in Russland gefährlich
Grund für Optimismus gibt es wenig. Solange [3][Russlands Exporteinnahmen]
zur Hälfte von fossilen Energieträgern kommen, ist ein Umdenken staatlicher
Politik nicht zu erwarten. Durch die Kriminalisierung von Klimaschützern
und Nichtregierungsorganisationen ist auch kein gesellschaftlicher Druck
Richtung Umweltschutz zu erwarten. So ist eine Organisation, die die Klage
mittragen wollte, die Moskauer Helsinki-Gruppe, inzwischen verboten worden.
Umweltaktivismus ist in Russland inzwischen eine sehr gefährliche
Tätigkeit. Deswegen rät Sliwjak allen, die sich für die Umwelt einsetzen
wollen, das Risiko sehr ernsthaft abzuschätzen. Wladimir Slivjak lebt in
Deutschland, Andrej Danilow hat in Norwegen Asyl beantragt. Beide müssten
bei einer Rückkehr nach Russland mit staatlicher Verfolgung rechnen.
12 May 2024
## LINKS
[1] /Klima-Urteil-des-EGMR/!6001342
[2] /Erderhitzung-von-152-Grad/!5988579
[3] /Meduza-Auswahl-18--24-April/!6006672
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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