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# taz.de -- Neues Album von Mdou Moctar: Wüster Sound
> Der nigrische Gitarrist Mdou Moctar hat sich vom Desertblueser zum
> Desertpunk entwickelt, wie auf dem neuen Album zu hören ist.
Bild: Ein Schuss US-Punk und -Hardcore inklusive: Mdou Moctar und seine Band
Der folgende Text ist in der taz-Verlagsbeilage „Global Pop“ erschienen.
Für seine erste Gitarre nutzte Mdou Moctar die Bremskabel seines Fahrrads
als Saiten, inspiriert von den Desertblues-Legenden Abdallah ag Oumbadougou
und Ali Farka Touré. In seinem konservativ-religiösen Elternhaus im
ländlichen Niger stießen seine musikalischen Ambitionen auf wenig
Gegenliebe.
Nach Jahren, in denen er sich – wie viele aus seiner Heimat – als
Arbeitsmigrant in Libyen durchgeschlagen hatte [1][und sogar als Soldat in
der Armee Gaddafis diente], begann er als Profimusiker zu arbeiten, etwa
auf Hochzeiten.
Darüber hinaus wollte er sich als Singer-Songwriter einen Namen machen. Auf
Umwegen, nämlich über eine Handyspeicherkarte – so tauschte die
afrikanische Jugend seinerzeit MP3-Files aus –, landete sein Debütalbum
„Anar“ (2008) bei Christopher Kirkley, Betreiber des US-Labels Sahel
Sounds. Kirkley mochte Moctars eigenwillige Mischung aus Desertblues,
traditioneller Musik und autogetuntem Gesang.
Kirkley machte Moctar ausfindig und veröffentlichte seinen Song
„Tahoultine“ auf der Compilation „Music from Saharan Cellphones“ (2011)…
was für internationale Aufmerksamkeit sorgte. Sein drittes Album „Ilana
(The Creator)“ (2019) war dann das erste, das er mit der Band aufnahm, die
sich durch elektrisierende Liveshows einen Namen gemacht hat. Mittlerweile
trägt die ganze Band den Namen ihres Gründers.
## Mosh-Pit-Vibe
Neben dem Rhythmusgitarrist Ahmoudou Madassane gehören auch Schlagzeuger
Souleymane Ibrahim und Bassist Mikey Coltun dazu. Letzterer stammt aus der
[2][DIY-Punkszene] in den USA – daher wohl der Mosh-Pit-Vibe von Mdou
Moctar. Coltun fungiert nämlich als Produzent für die Band und hat ein
Händchen dafür, die flirrende Energie der Tracks einzufangen, die oft auf
einem oder zwei knackigen Riffs basieren.
Die Ruhe endloser Weiten und zugleich ein munteres musikalisches
Miteinander kommen bei Mdou Moctar auch auf dem aktuellen Album „Funeral
for Justice“ zusammen. Es klingt mittlerweile eher nach Desertpunk als nach
Desertblues.
Ihren Ruhm nutzen Mdou Moctar nicht zuletzt dazu, der Situation in Niger,
die sich seit dem Putsch vergangenes Jahr vor allem auf ökonomischer Ebene
verschärft hat, Aufmerksamkeit zu verschaffen; das allerdings eher in
Interviews als durch Lyrics. Die thematisieren neben Alltäglichen zwar
durchaus auch die antikoloniale Haltung der Band – aber eben auf Tamascheq,
der Sprache der Tuareg. Diese südlichste der Berbersprachen zu erhalten ist
Moctar ein Anliegen – vor allem in Niger, wo sie in der Kolonialzeit an
Einfluss verlor.
Mit dem Putsch, der in seinem Land stattfand – übrigens erst nach
Fertigstellung des neuen Albums –, ist Moctar zwar gar nicht einverstanden.
Dass die Machtstellung der Franzosen damit ein Ende hat, hält er trotzdem
für eine positive Entwicklung. Der Westen habe nicht nur den Niger
hängenlassen, sondern die gesamte Sahelzone – nicht zuletzt im Kampf gegen
den islamistischen Terror, der immer größere Teile der Region bedroht.
12 May 2024
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## AUTOREN
Stephanie Grimm
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