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# taz.de -- Ganz große Koalition für „Veteranentag“: Comeback des Heldeng…
> SPD, Grüne und FDP haben sich mit der Union auf einen nationalen
> „Veteranentag“ geeinigt. Am Donnerstag berät der Bundestag ihren
> gemeinsamen Antrag.
Bild: Der neue nationale „Veteranentag“ am 15. Juni soll „Volksfestcharak…
Berlin taz | Auf dem Weg zu der von Verteidigungsminister Boris Pistorius
(SPD) ausgerufenen deutschen „Kriegstüchtigkeit“ will der Bundestag an
diesem Donnerstag den nächsten Schritt gehen. Auf der Tagesordnung des
Parlaments steht die Einführung eines nationalen „Veteranentages“. Ein
solcher Tag sei „überfällig“, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Johann…
Arlt bei der Vorstellung der gemeinsamen Initiative der Ampelparteien mit
der Union. „Wir haben sehr lange dafür gekämpft.“
Die Diskussion über einen „Veteranentag“ ist tatsächlich schon etwas ält…
Zur Erhöhung der Akzeptanz der deutschen Beteiligung am desaströsen
Afghanistan-Krieg der USA hatte der damalige Verteidigungsminister
[1][Thomas de Maizière (CDU) bereits 2012] einen ersten Vorstoß
unternommen, war damit aber nicht nur bei der Linkspartei, sondern auch bei
[2][SPD und Grünen auf Ablehnung] gestoßen. In den Zeiten der „Zeitenwende�…
hat sich das inzwischen geändert.
Mit [3][dem neuen „Veteranentag“] solle „das Verständnis und Bewusstsein…
der Gesellschaft für die Leistungen, Entbehrungen und Opfer, die mit dem
Militärdienst verbunden sind“, gefördert werden, heißt es nun in dem
Antrag, den Arlt am Mittwochmorgen gemeinsam mit seinen Kolleg:innen aus
dem Verteidigungsausschuss Kerstin Vieregge (CDU/CSU), Merle Spellerberg
(Grüne) und Christian Sauter (FDP) in Berlin präsentierte. Es gehe darum,
„den Dienst, den Einsatz und die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr, die im Einsatz stehen und standen, angemessen zu würdigen“.
Als Datum haben sich die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU den
15. Juni ausgeguckt. An diesem Tag, beziehungsweise dem Wochenende davor
oder danach, soll von nun an jährlich eine zentrale Veranstaltung mit
„Volksfestcharakter“ in der Nähe des Berliner Reichstags stattfinden. „W…
wollen die Menschen mit ihren Geschichten an diesem Tag in den Mittelpunkt
stellen“, sagte die Grüne Spellerberg. Die Schirmherrschaft soll in diesem
und dem nächsten Jahr Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) übernehmen.
## Weitreichender Veteran:innenbegriff
Die Definition, wer sich als Veteran oder Veteranin betrachten kann, ist
eine recht umfassende – die „weiteste innerhalb der Nato“, wie SPD-Mann
Arlt betonte. „Unser Veteranenbegriff umfasst alle Soldaten, die Dienst
leisten oder Dienst geleistet haben und mindestens sechs Monate Dienst in
der Bundeswehr getan haben“, sagte der frühere Berufssoldat. Angehörige der
Wehrmacht oder der NVA sind allerdings nur inbegriffen, wenn sie ihre
militärische Karriere anschließend in der Bundeswehr fortgesetzt haben.
Egal ist hingegen, ob sich die Betreffenden freiwillig zur Armee gemeldet
haben oder zu Zeiten der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht zwangseingezogen
wurden. Das ergibt dann insgesamt etwa 10 Millionen Veteran:innen in
Deutschland. Damit folgt der Bundestagsantrag einem [4][Tagesbefehl der
damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen] (CDU) aus dem Jahr
2018, der auch die Grundlage ist für das ein Jahr später erstmalig
verliehene „Veteranenabzeichen“.
Außen vor bleiben einstige Zivildienstleistende, die zu Wehrpflichtzeiten
lieber zum Beispiel im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen oder im
Altersheim notleidenden Menschen geholfen haben, anstatt in der Kaserne zu
saufen. Auch ihnen Respekt und Anerkennung zu zollen, lag nicht in der
Intention der Antragsteller:innen. „Sie sprechen gerade mit vier
Mitgliedern des Verteidigungsausschusses und insofern haben wir uns in
unserer Arbeit tatsächlich jetzt wirklich auf die Frage der
Militärangehörigen konzentriert“, sagte dazu Grünenpolitikerin Spellerberg.
## Scharfe Kritik von der Linkspartei
Anders als bei SPD und Grünen stößt der „Veteranentag“ bei der Linkspart…
weiterhin auf keine Begeisterung. „Diese Form der Heldengedenktage, wie sie
vom NS-Regime genannt wurden, treiben eine Militarisierung der Gesellschaft
voran“, sagte Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert der taz.
Sie erinnerte an die Folgen der Auslandseinsätze in Afghanistan und
anderswo: Viele der eingesetzten Soldat:innen litten unter
Angstzuständen, Depressionen und zerbrochenen Beziehungen sowie der
Unfähigkeit, ein normales Leben zu führen. „Statt solche Gedenktage zu
feiern, sollte man lieber planbare und verlässliche finanzielle Mittel
bereitstellen, um Soldaten eine angemessene medizinische Versorgung zu
bieten“, forderte Schubert.
Die Linken-Gruppe im Bundestag wird denn auch laut einem Sprecher den
Antrag der Ampelparteien und der Union am Donnerstag ablehnen. Er sei
nichts anderes als „Schaufensterpolitik“, die zu nichts nutze wäre. Die
BSW-Gruppe und die AfD-Fraktion ließen bis Redaktionsschluss Anfragen zu
ihrem Abstimmungsverhalten unbeantwortet.
Wenig begeistert zeigt sich auch die Deutsche Friedensgesellschaft –
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). „Eine Überhöhung des
Soldatentums hatten wir in Deutschland schon häufiger und die Folgen waren
immer übel“, sagte deren politischer [5][Geschäftsführer Michael Schulze
von Glaßer] der taz. „Statt eines ‚Veteranentags‘ für Soldat:innen
fordern wir einen Ehrentag für Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen, die
uns durch die Corona-Krise geführt haben.“ Schulze von Glaßer kündigte an,
dass die DFG-VK den „Veteranentag“ zu einem „Protesttag gegen Militarismu…
machen werde.
## „8. Mai muss Feiertag werden!“
Nicht minder deutlich äußerte sich Willi van Ooyen, der Vorsitzende der
Frankfurter Friedens- und Zukunftswerkstatt. „Für mich ist die Einführung
des ‚Veteranentages‘ eine Bestätigung dafür, dass Militarismus und Krieg
wieder Grundlage deutscher Politik geworden sind“, sagte [6][der
langjährige Ostermarschorganisator] der taz. Es gehe darum, „dass der
Zusammenhang von ‚Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg‘ aus dem
öffentlichen Bewusstsein verdrängt“ wird. „Die Friedensbewegung muss eine
breite Aufklärungsfront gegen die selbstmörderische Kriegstüchtigkeit
wiederbeleben“, forderte van Ooyen.
Ebenso grundsätzlich fällt die Kritik der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) aus.
Mit dem Bundeswehrslogan „Mach, was wirklich zählt“ werde seit Jahren die
Ausbildung zum Töten und Sterben zur Sinnstiftung verklärt, beklagt deren
Bundesvorsitzende Cornelia Kerth. Jetzt käme auch noch ein „Veteranentag“
dazu. „Wir setzen dagegen: Der 8. Mai muss Feiertag werden!“, sagte sie der
taz. Denn das sei „ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom
NS-Regime und vom deutschen Militarismus gefeiert werden kann“.
25 Apr 2024
## LINKS
[1] /Minister-moechte-Veteranengedenktag/!5100345
[2] /Veteranentag-fuer-Soldaten-gefordert/!5139122
[3] /Koalition-plant-einen-Veteranentag/!5969381
[4] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/tagesbefehl-zum-veteranenbegriff-29316
[5] /Friedensaktivist-ueber-die-Ostermaersche/!5846420
[6] /Organisator-ueber-Ostermaersche/!5396475
## AUTOREN
Pascal Beucker
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