Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Hasenfüße und andere Helden
> Egal ob Kriegsveteran oder Latrinenveteran – künftig sind nach einem
> neuen Beschluss alle Soldaten in Deutschland Veteranen.
Bild: Endlagerstätte für Veteranen: gepflegter Soldatenfriedhof
Wer nichts wird, wird Wirt – und wer nichts war, Veteran: Nach jahrelanger
Diskussion sind das Bundesverteidigungsministerium, der Bundeswehrverband
und der Reservistenverband in der Frage, wer eigentlich in Deutschland als
Veteran gilt, zu einer Einigung gekommen: fast alle! Nach der neuen
Regelung gibt es nun rund zehn Millionen Veteranen.
Schon im Jahr 2012 hatte der damalige Verteidigungsminister Thomas de
Maizière die Debatte über den Veteranenstatus angestoßen. Denn die
intuitive Definition des Begriffs – ein Soldat, der im Krieg war – taugt
nicht für ein Land wie Deutschland, das sich bekanntlich an keinem Krieg
mehr beteiligt. Der seinerzeitige Hintergrund: Auslandseinsätze der
Bundeswehr, unter anderem in Afghanistan, die allerdings rein gar nichts
mit einem Krieg gemein hatten – auch wenn fast wie im Krieg etliche
Soldaten ums Leben kamen, verwundet oder traumatisiert wurden. Im
Koalitionsvertrag von 2013 hatte sich die Bundesregierung daher dazu
verpflichtet, Verantwortung für Veteranen zu übernehmen – doch klugerweise
offengelassen, was das eigentlich ist.
Spähen wir zur Einordnung durch den Feldstecher ins Ausland:
Hau-drauf-Nationen wie die USA und Großbritannien unterscheiden zwischen
einsatzerfahrenen Kriegs- und hasenfüßigen Militärveteranen. Zusammen
bilden die eine ernstzunehmende Gruppe: Donald Trump etwa steht heftig in
der Kritik, weil er eine Zeremonie zum Veteranentag auf dem Militärfriedhof
Arlington sausen ließ. Dem skandinavischen Modell nach gilt hingegen nur
als Veteran, wer einen Auslandseinsatz vorweisen kann.
## Liegemöbel erobert
Im pazifistischen Deutschland aber darf sich fortan Veteran nennen, wer
irgendwann in seinem Leben irgendetwas mit der Bundeswehr zu schaffen
hatte, unabhängig von In- oder Auslandseinsatz, Funktion oder Länge der
Dienstzeit. Darunter fällt, wer schon mal im Urlaub erfolgreich ein
Liegemöbel mit einem Handtuch eingenommen und verteidigt hat, wer ein
olivfarbenes Kleidungsstück besitzt oder einen VW fährt: Ein deutsches Auto
zu lenken sei ohnehin der größte Dienst für dieses Land, so
Verkehrsminister Scheuer, der allerdings auch jetzt kein Veteran ist, weil
er sich vor dem Wehrdienst genauso gedrückt hat wie vor Konfrontationen mit
der Autolobby.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen begrüßte die weitgefasste
Definition: Wer Veteran sein wolle, der solle das auch sein dürfen. Bürger
vom Veteranendasein auszugrenzen, bloß weil sie in ihrer Jugend vielleicht
mal eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen hatten, sei
Diskriminierung. „Es ist toll, dass meine Leistungen endlich anerkannt
werden. Ich trage mein Veteranenabzeichen mit Stolz!“, jubelt jetzt etwa
Philipp Ott, der in der siebten Klasse an einem Ausflug in die
Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne im nordrhein-westfälischen Augustdorf
teilgenommen hatte.
Alle Parteien sind mit der präsentierten Lösung allerdings nicht
einverstanden. Denn: Wer unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen wurde,
ist kein Veteran. Was bei Kritikern die Frage aufwirft, ob dies überhaupt
möglich sei, lege man beim Eintritt in die Bundeswehr doch jegliche Ehre
ab.
## Volksarmee ausgeschlossen
Und nicht nur dieser Widerspruch stößt auf Widerspruch. Mitglieder der
Nationalen Volksarmee (NVA) der einstigen DDR werden, sofern sie damals
nach der gescheiterten Grenzverteidigung nicht von der Bundeswehr
übernommen wurden, nicht in die neue Veteranendefinition eingeschlossen.
Die Opposition führt einen regelrechten Angriffskrieg gegen von der Leyen:
Der Grünen-Politiker Tobias Lindner erklärte, die Ministerin habe sich „um
die schwierige Frage, was ein Veteran ist, herumgemogelt, indem sie die
größtmögliche Definition gewählt hat“. FDP-Verteidigungsexperte Marcus
Faber hält aus Abgrenzungsgründen die Einführung des zusätzlichen Terminus
„Einsatzveteran“ für notwendig, um Menschen, die schon mal auf andere
geschossen haben, ausreichend zu würdigen. Denkbar wären zu weiterführenden
Differenzierungszwecken ebenfalls Begriffe wie Kriegsveteran,
Latrinenveteran, WLAN-Veteran, Veganveteran sowie für Soldaten mit
Iranerfahrung: Veteheran.
Ein Ende der Diskussion scheint also vorerst nicht in Sicht: Auch Bernhard
Drescher, Chef des Verbands Deutscher Einsatzveteranen, bemängelt das
Ergebnis, zählten somit doch auch Kameraden als Veteranen, die sich selbst
gar nicht als solche identifizierten. Ob dies jedoch für eine Änderung
reicht, ist ungewiss: Denn Veteranen sind nun mal aufgrund ihrer woher auch
immer rührenden Traumata, sei’s vom Kasernenbodenwischen, sei’s von der
Bundeswehrbuchhaltung, häufig nicht mehr voll zurechnungsfähig, gelten als
schwierige Charaktere, deren Integration den Staat viel Kraft und Geld
kostet. Um zehn Millionen solcher Fälle also muss sich die Bundesrepublik
fortan kümmern. Danke, von der Leyen.
22 Nov 2018
## AUTOREN
Cornelius Oettle
## TAGS
Bundeswehr
Veteranen
Ursula von der Leyen
Bundeswehr
Militär
Kinder
Monstertruck
Kruzifix
Europäische Armee
Thomas Haldenwang
Biologie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ganz große Koalition für „Veteranentag“: Comeback des Heldengedenkens
SPD, Grüne und FDP haben sich mit der Union auf einen nationalen
„Veteranentag“ geeinigt. Am Donnerstag berät der Bundestag ihren
gemeinsamen Antrag.
Koalition plant einen Veteranentag: Bein ab, Orden dran
Wer einen Veteranentag fordert, sagt: Der nächste Kriegseinsatz steht
bevor. Das mag realistisch sein – doch die Initiative macht es
realistischer.
Die Wahrheit: Sex mit Seppel
Eine Liaison mit einer Schauspielerin hat ihre Vorteile. Wann sonst würde
man schon ins Kasperletheater gehen und Kinder aus den Socken heben?
Die Wahrheit: Beelzebub auf Rädern
Unterwegs im Golden State mit einem Auto. Ach was, kein Auto! Ein Ungetüm!
Ein Monster! Ein brennender Dornbusch in Kraftfahrzeuggestalt!
Die Wahrheit: Der Vollholzjesus
Wenn die Gastgeberin einer Party schwerchristlich ist, kann es schon mal zu
peinlichen Schäden am Gemüt und an der Einrichtung kommen.
Die Wahrheit: Schlimmer als der Song Contest
Was sagen die Soldaten zur Idee einer europäischen Armee? Eine dringend
notwendige Erkundung auf dem Feld der Ehre.
Die Wahrheit: Geheimwaffe aus Wuppertal
Der neue geschäftsführende Präsident des Verfassungsschutzes ist ein ganz
und gar honoriger Ersatz für Hans-Georg Maaßen.
Die Wahrheit: Ganz Deutschland ist verwanzt
Seht euch mal die Wa an, wie die Wa ta kann… Die stinkende Schnabelkerfe
liegt nicht mehr nur auf der Mauer, sondern überall auf der Lauer!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.