Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte über Energydrinks bei Kindern: Die Versuchung an der Kasse
> Eigentlich weiß unser Autor, dass die süße Brause keine Flügel verleiht.
> Dann aber hat er doch schon wieder eine Dose gekauft. Wie kommt's?
Bild: Kann nostalgisch bedingte Kaufräusche verursachen
Dieses picksüße, überteuerte und ungesunde Getränk verleihe Flügel,
verspricht die Werbung – und was bitte gibt es Geileres als fliegen?
Natürlich handelt es sich dabei um eine vergleichsweise leicht enttarnbare
Marketinglüge. Im Supermarkt wehre ich mich dann auch jedes Mal gegen das
Gesöff, dessen Hintermann auch noch [1][politisch ungenießbar] ist, das
aber palettenweise gerade dort herumsteht, wo man warten muss, bis man
seinen Einkauf bezahlen kann.
Die effektivste Präventivmaßnahme ist da Begleitung. Aber es kommt darauf
an, wer dabei ist. Der Preis der Scham vor einem Mitglied meines heutigen
sozialen Milieus, in dem man gut zur Umwelt und sich selbst sein muss, ist
zu groß. Wenn ein Bruder oder alter Schulfreund dabei ist, kann Begleitung
wiederum den gegenteiligen Effekt triggern und auch nostalgisch bedingte
regelrechte Kaufräusche verursachen.
Dabei weiß ich natürlich, dass das ein Teufelszeug ist. Die
Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat kürzlich erst gefordert, den
[2][Verkauf an Minderjährige zu verbieten]. Laut einer Studie der
Krankenkasse DAK konsumiert [3][jedes fünfte Schulkind regelmäßig]
Energydrinks. Der erhöhte Koffeingehalt und andere Inhaltsstoffe gelten
gerade bei Heranwachsenden als schädlich. Die Liste der möglichen Symptome
ist lang: Herzrhythmusstörungen, Angstzustände, Schlafstörungen,
epileptische Attacken. Aus den [4][USA seien gar mehrere Todesfälle] im
Zusammenhang mit Energydrinks bekannt, heißt es in einem Beitrag des NDR.
Natürlich ist das alles schlimm – und das gezielte Marketing an Kinder
durch Influencer:innen und andere prominente Vorbilder rücksichtslos.
Aber warum kippen Menschen das Zeug in sich hinein? Und welche Menschen tun
das?
Soweit sich durch Äußerlichkeiten überhaupt darauf schließen lässt, sind es
oft Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht gerade zur Oberschicht
gehören. Möglicherweise schränkt meine eigene Biografie aber meine
Wahrnehmung so sehr ein, dass ich die Dosen in den Händen der anderen
Menschen einfach übersehe.
## Immer auch ein Versprechen
Mich begleiten Energydrinks jedenfalls schon sehr lange. Begegnet sind sie
mir zuerst auf langen Autofahrten bei Tankstellenkäufen der Erwachsenen,
die gerne auch bei Nachtschichten auf die aufputschende Wirkung des
Getränks gesetzt haben. Meinen ersten Energydrink habe ich gekauft, als es
endlich eine Discounterversion gab, die nicht nur günstiger als das
Original war, sondern gleich 1,5-Liter statt der üblichen 250 Millimeter
umfasste. Ein paar Jahre später griff ich, sofern ich es bezahlen konnte,
zum Original – als Statussymbol und Mischzusatz für den Wodka, den ich
anders nicht runterbekam.
Mit dem Getränk kauft man immer auch ein Versprechen. Das Fliegen steht für
den Aufstieg, der besondere Leistungsfähigkeit erfordert: Wer hoch
hinauswill, muss sich von seinen Schranken befreien – auch den natürlichen.
Der eigene Körper und seine Bedürfnisse wie Erholung sind ein Hindernis.
Was für Leistung gilt, gilt auch für das nächtliche Vergnügen: Wer schon
nicht so viel im Leben hat, der sollte dieses Leben wenigstens nicht auch
noch verschlafen.
Eine Zeit habe ich es geschafft, meinen Konsum von Energydrinks mit der
milieukonformeren Variante eines Mate-Getränks zu substituieren. Aber es
ist einfach nicht dasselbe. Und ich bin froh, wenn es bei einer Dose pro
Einkauf bleibt.
10 May 2024
## LINKS
[1] /Verstorbener-Red-Bull-Gruender-Mateschitz/!5887001
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/ratgeber/energydrinks-foodwatch-altersgrenze…
[3] https://www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-praeventionsradar-2019-2140988.html…
[4] https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Energydrinks-Schwere-Nebenwirkungen-…
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Kolumne Postprolet
Softdrinks
Klassismus
Klasse
GNS
Red Bull
Kolumne Postprolet
Werbung
Drogeriemarkt
Kolumne Postprolet
FDP
Schwerpunkt Armut
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jürgen Klopp heuert bei Red Bull an: Idol ohne Gewissen
Jürgen Klopp sollte auf seinen Job beim Getränkekonzern Red Bull
verzichten. Stark koffeinhaltige Energydrinks gefährden viele Kinder und
Jugendliche.
Essen für Arme: Ein kulinarischer Spaziergang
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Elend liegt so nah? Was satt macht,
gibt es für ein wenig Flaschenpfand, weiß unser Autor seit Kindheitstagen.
Studie klimaschädliche Werbung: Wer hat Lust auf Gummibärchen?
Kreuzfahrten, Butter, Gummibärchen: Jeder dritte Werbespot auf Youtube und
im Fernsehen wirbt für klimaschädliche Produkte. Was tun?
Drogeriekönig bangt um Millionen: Alles Müller-Erben, oder was?
Drei Adoptivkinder des Drogerie-Unternehmers Erwin Müller klagen auf ein
500-Millionen-Euro-Erbe. Doch es geht auch um verletzte Gefühle.
Schwimmfähigkeit und soziale Herkunft: Mein langer Weg zum Seepferdchen
Ob ein Kind schwimmen kann, hängt vom Einkommen der Eltern ab. Unser Autor
ertrank als Teenager fast und lernte es unter Gelächter doch noch.
Probleme mit Kindergrundsicherung: Der Staat steht in der Bringschuld
Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut und was macht die
Ampel-Regierung? Sie vermasselt die Kindergrundsicherung.
Armut und Obdachlosigkeit: Anklagen und ausweichen
Wer Armut kritisiert, kann ignorant sein. Deshalb verspricht sich die CDU
mit ihrer Hetze gegen Arme über die eigene Wählerschaft hinaus Erfolg.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.