# taz.de -- Projekt „Queer History Month“: Hamburg lernt, sich queer zu les… | |
> Hamburgs „Queer History Month“ zeigt, wie Schwule, Lesben und | |
> Transpersonen die Stadt geprägt haben. Das Programm ist breitgefächert. | |
Bild: Teil der Führung über queere Kunst ist der „Halbakt vor Feigenkaktus�… | |
HAMBURG taz | Simon Schultz führt durch die Kunsthalle und bleibt vor einer | |
Darstellung des Heiligen Georg stehen: „Dies ist eine homoerotische Ikone“, | |
sagt er über das 1520 entstandene Werk vom Meister des Döbelner Hochaltars. | |
Das sorgt für Erstaunen bei den 30 Teilnehmenden der Führung „We are not | |
just a trend: Kunst war schon immer auch queer“. Was genau ist wohl mit den | |
sexuellen Auflösungsfantasien gemeint, von denen Schultz spricht? | |
Eindeutiger ist der „Halbakt vor Feigenkaktus“ von Anita Rée. Ein | |
Selbstporträt, bei dem die Künstlerin dem Betrachter ihre nackte Brust | |
präsentiert. Rée malte bevorzugt Frauen und war unverheiratet. 1933 | |
suizidierte sich die Jüdin, nachdem sie von Nationalsozialisten als | |
entartet angegriffen wurde. | |
Die Motivation, an der Führung im Rahmen von Hamburgs erstem „Queer History | |
Month“ teilzunehmen, ist unterschiedlich. Das Vorwissen auch: „Ich habe | |
null Ahnung von Kunst und war noch nie in der Kunsthalle, aber mich | |
interessiert das Thema“, so eine Teilnehmerin. Eine andere: „Ich bin | |
Kunstlehrerin und möchte einen anderen Blick für die Bilder bekommen.“ Und | |
eine weitere: „Ich habe [1][queere Themen] in der Familie, deswegen bin ich | |
hier.“ | |
Vieles bleibt noch immer aus der Dauerausstellung verbannt. Oft muss | |
Schultz ein Tablet mit Bildern aus dem Depot der Kunsthalle kreisen lassen. | |
Zu sehen sind zwei nackte Frauen beim Oralsex oder die beiden Künstler | |
Friedrich Carl Gröger und Heinrich Jakob Aldenrath 1815 mit ihrer | |
Pflegetochter Lina, „einer damals höchst ungewöhnlichen Patchworkfamilie“. | |
Der Rundgang endet vor „Doll Boy“ von David Hockney. Ein offen schwul | |
lebender Künstler, der mit diesem Bild eine Liebeserklärung an den | |
Popsänger Cliff Richard macht. Damals, 1961, als das Werk entstand, wurde | |
Homosexualität auch in Großbritannien noch strafrechtlich verfolgt. Über 90 | |
Minuten richtet Kunstvermittler Schultz so einen aktuellen Blick auf | |
einzelne Kunstwerke und sucht nach dem queeren Selbstausdruck. | |
Die Führung war eine der ersten Veranstaltungen des „Queer History Month“ | |
in Hamburg, also eines historischen [2][LGBTIQ*]-Monats. Noch bis zum 1. | |
Juni gibt es ein breit gefächertes Programm – vom Vortrag des queeren | |
Schulaufklärungsprojekts „soorum“ über das Thema „Sexuelle und | |
geschlechtliche Vielfalt im Unterricht“ über die Führung zu Orten | |
lesbischen Lebens der Stadt bis zur Diskussion über gendergerechtes | |
Bestatten auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Und auch die KZ-Gedenkstätte | |
Neuengamme beteiligt sich. | |
Dort wird am 18. Mai mit einem Rundgang an die Inhaftierung und Ermordung | |
von Homosexuellen und Transpersonen im Nationalsozialismus erinnert. „Sie | |
hatten wie die sogenannten Berufsverbrecher einen grünen Winkel auf der | |
Häftlingsuniform. Zusätzlich war aber noch die Nummer 175, also der | |
Paragraf, nach dem sie verurteilt worden waren, aufgedruckt. Später hat man | |
extra den rosa Winkel eingeführt“, sagt Tonya Karnatz von der Gedenkstätte. | |
Nach dem Krieg wurde darüber geschwiegen. Erst in den letzten Jahrzehnten | |
änderte sich das. Es gab Gedenkveranstaltungen, initiiert von schwulen | |
Gruppen. 1985 wurde in Neuengamme der erste Gedenkstein für [3][queere | |
NS-Opfer] an einer KZ-Gedenkstätte eingeweiht. Wie viele queere Häftlinge | |
in Neuengamme inhaftiert waren, kann nur geschätzt werden: „Wir gehen von | |
400 Häftlingen aus, von denen die Hälfte nicht überlebt hat“, sagt Karnatz. | |
„Leider sind viele Unterlagen dazu verloren gegangen oder vernichtet | |
worden.“ | |
Auch das [4][Programm eCommemoration] der Körber-Stiftung macht beim „Queer | |
History Month“ in Hamburg mit. „Es gibt in Deutschland mehr Denkmäler, auf | |
denen Männer auf Pferden sitzen, als Denkmäler für Frauen“, sagt Anna | |
Norpoth. „Das wollen wir ändern.“ | |
## Digitales Denkmal für Lida Gustava Heymann | |
Deswegen entstand im Rahmen der weltweiten #makeusvisible-Kampagne ein | |
digitales Denkmal für Frauenrechtlerin [5][Lida Gustava Heymann]. Fast ein | |
Jahr lang wurde mit dem New Yorker Künstlerinnenkollektiv Arora, dem | |
Entwicklerstudio Scavengar und der Landeszentrale für politische Bildung | |
Hamburg am digitalen Kunstwerk getüftelt. Jetzt kann man Audios, Fotos und | |
die Texttafel auf dem Platz vor dem Rathaus aufrufen, allerdings nur mit | |
einem iOS-Endgerät. | |
Am 13. Mai wird die begleitete Vorführung dieses Denkmals in progress | |
wiederholt. Die erste am vergangenen Montag hatte bereits zahlreiche | |
Anregungungen zur Weiterentwicklung erbracht. Die sind willkommen: „Wir | |
wollten ein interaktives Kunstwerk schaffen“, so Norpoth. | |
Der Zugang erfolgt über einen QR-Code, der beispielsweise in angrenzenden | |
Geschäften ausliegt. „Leider durften wir den QR-Code nicht öffentlich | |
anbringen“, so Norpoth. Die Unterstützung für die Kampagne sei in anderen | |
Städten wie München größer gewesen. Norpoth: „Offiziell durften wir auch | |
nicht am Tag des offenen Denkmals teilnehmen.“ Schließlich sei das | |
Kunstwerk kein richtiges Denkmal. | |
8 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Die-Verstaendnisfrage/!5938626 | |
[2] /Schwerpunkt-LGBTQIA-Community/!t5025674 | |
[3] /Gedenkstunde-fuer-Opfer-des-Holocaust/!5907977 | |
[4] https://koerber-stiftung.de/projekte/ecommemoration/ | |
[5] /Archiv-Suche/!849341&s=Lida+Gustava+Heymann&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Alexander Teske | |
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