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# taz.de -- Über Lieblingsbuchhandlungen: Wie ich einmal Hass auf mich zog
> Ein Geschenkgutschein für eine große Buchhandelskette, oh, mein Gott! Was
> bloß tun? Unsere Kolumnistin steckt in einem Dilemma – und schreibt
> darüber.
Bild: Die pure Lesefreude: kleiner Buchladen oder doch eine Buchhandlungskette?
Vor einer Weile habe ich einen Gutschein von Thalia geschenkt bekommen und
am Samstag habe ich ihn eingelöst. Gewöhnlich kaufe ich meine Bücher in
einer inhabergeführten Buchhandlung. So gut es geht, kaufe ich richtig ein.
Sehr gut geht es nicht, wenn ich ehrlich bin, jedenfalls, wenn es um andere
Dinge als Bücher geht, Laptops und Handys, zum Beispiel.
Das hat mich an eine Sache erinnert, die vor vielen Jahren passiert ist,
als ich noch neu im Schriftstellerinnengeschäft war. Ich wurde gebeten,
einen Text über meine Lieblingsbuchhandlung zu schreiben. Es gibt ja in
Städten immer diese Stadtteile, in denen es keine Buchläden gibt, keine
Cafés, keine Bars, und in einem solchen Stadtteil lebte ich. Es war kein
schlechter Stadtteil, er hatte auch seine Vorteile, aber ein Buchladen
gehörte nicht dazu.
Als ich noch Philosophie an der Hamburger Uni studierte, trödelte ich auf
dem Heimweg zum Dammtor stets durch die Buchläden, ich blätterte in den
reduzierten Bildbänden, betrachtete sehnsüchtig die in Leinen gebundenen
Philosophieklassiker und kaufte manchmal eines der
Suhrkamp-Regenbogen-Reihe.
Am liebsten aber war ich damals in der [1][Thalia-Buchhandlung] in der
Spitaler Straße. Das war die größte Buchhandlung, die ich bis dato
kennengelernt hatte und sie war besser sortiert, als sie das heute ist. Ich
war lange nicht mehr dort, aber damals gab es noch ein Regal mit Büchern
Hamburger Autor*innen. Es gab eine große Abteilung mit Klassikern und eine
mit Comics.
## Mein erster Shitstorm
Ich schrieb also über diesen Laden, und bald nach Erscheinen der Anthologie
sah ich mich meinem ersten Shitstorm ausgesetzt, von Buchhändler*innen. Es
traf mich vollkommen unvorbereitet. Ich hatte nicht gewusst, welch
politische Fehlentscheidung ich da getroffen hatte. – Wissen aber ist
oberste Autorinnenpflicht.
Heute würde ich diesen Fehler nicht mehr machen, aber für Dummheit muss man
bezahlen. Manchmal denke ich, dass einige Buchläden meine Bücher aufgrund
dieses Textes immer noch nicht verkaufen. Katrin Seddig? – Die hat doch
damals Thalia als ihre Lieblingsbuchhandlung beschrieben (während Thalia
mir nicht zum Dank Verkaufsstapel auf vorderen Tischen platziert hatte).
Eine einzige E-Mail, die ich damals erhielt, beantwortete ich, weil sie
respektvoll war. Ich schrieb dem Buchhändler, dass es mir leid tue, dass
ich einiges nicht bedacht hätte. Ich schrieb ihm, dass ich meine
Lebensmittel aber alle in einem kleinen Bioladen einkaufe. Er antwortete
mir, so hätte er das noch gar nicht gesehen. Ich nehme an, dass auch
Buchhändler*innen ab und zu bei Edeka oder Lidl einkaufen. Natürlich
schreiben sie keinen Text darüber.
## Das lässt sich einfach nicht vermeiden
Heute würde ich einen ganz anderen und viel richtigeren Text schreiben,
aber damals war ich einfach dumm. Heute bin ich nicht mehr ganz so dumm,
aber dumm genug, um Fehler zu machen. Das lässt sich einfach nicht
vermeiden. Schon gar nicht in Sachen Konsum.
Als ich jetzt, wegen des Gutscheins, in einer Thalia-Filiale war (nicht in
der Spitaler Straße), stellte ich fest, dass jetzt weniger Bücher und mehr
Tassen und Nackenhörnchen verkauft werden. Klassiker konnte ich kaum welche
entdecken, Krimitaschenbücher reichlich. Ein Exemplar meines aktuellen
Buches stand im Regal, immerhin. Freundlich waren die Angestellten auch.
Ich wählte „Woman on Fire“ von [2][Dr. med. Sheila de Liz] und ein Tangram
aus Holz. Jetzt habe ich noch einen Euro und einen Cent Guthaben auf meiner
Geschenkkarte. Was mache ich damit?
5 May 2024
## LINKS
[1] /Boykottaufruf-gegen-Thalia-Theater/!6003681
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Sheila_de_Liz
## AUTOREN
Katrin Seddig
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