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# taz.de -- Die Wahrheit: Modemut mit Tonsur
> Famose Haartrachten aka Zwirbelzöpfe – und dann auch noch die wunderbare
> Miniserie Shōgun: fast könnten die passenden Worte fehlen. Aber nur fast
> …
Bild: Führt ihren Modekonzern mit eiserner Hand: Diane Rovel (Carole Bouquet)
Neulich wollte ich einen Text über die Love Parade schreiben, scheiterte
aber an der Beschreibung der Love-Parade-typischen Damenfrisur, jener
verzwirbelten, rundlichen Zöpfe, die hoch oben am Kopf sitzen. Die Sängerin
Blümchen – inzwischen wahrscheinlich Blume – trug so etwas zu Beginn ihrer
Karriere.
Es gibt garantiert einen Begriff für diese Haartracht, aber wenn man
„Zwirbelzopf“ in die Suchmaschine eingibt, macht die Autokorrektur
„Zwiebelzopf“ daraus und es erscheinen Bilder von dekorativen
Knollenzöpfen, mit deren kleinerer, geruchsintensiverer Knoblauch-Version
sich auch Vampire abschrecken lassen. Die Eingabe von „Kugelzopf“ führt zum
Rezept für Kuchenteilchen, „Zopfknoten“ ergibt den Hinweis auf ein
„unentbehrliches Accessoire für einen Hauch von Eleganz und Raffinesse für
den Schweif und die Mähne Ihres Pferdes“.
Der Love-Parade-Text war somit gestorben. Das Problem mit der
Frisurenbeschreibung begleitete mich jedoch weiter, denn auch eine
anstehende Rezension zur großartigen Serie „Shogun“ erforderte einiges an
Kenntnisreichtum und Sensibilität. Recherchieren konnte ich, dass der
traditionelle Männerhaarschnitt japanischer Daimyōs, also Fürsten aus dem
16. Jahrhundert, bestehend aus einem mit Öl eingeriebenen
Pferdeschwänzchen, das oben auf den Kopf gelegt und wie ein Ginkgoblatt
aufgefächert wird, „Chonmage“ genannt wird.
## Blanker Hohn für kahle Herren
Zur besseren Beschreibung, wie elegant dieser Putz bei Lord Yoshii
Toranaga, einem der Protagonisten, wirkt, fehlte mir jedoch die Vokabel für
die modische Halbglatze, die Toranaga darunter trägt. Um dem
pinselähnlichen Zopf mehr Halt zu geben, rasierten sich die Schwertadeligen
der Edo-Periode extra einen Großteil ihres Haupthaares ab – eine modische
Idee, die Männern, die unter altersbedingt schütter werdendem Kopfhaar
leiden, vermutlich wie der blanke Hohn erscheint.
Doch auch andere Haartraditionen sind faszinierend: Während Menschen wie
Donald Trump denken, mit einem „Comb Over“, dem Anordnen der restlichen
wenigen Haare auf dem leeren Schädel, ihren lichten Schopf verstecken zu
können, und dabei genau das Gegenteil erreichen, ist die Tonsur, eine
ulkige, künstliche Kreisglatze, sowohl im Christentum als auch im
Hinduismus und im Buddhismus verbreitet. Sie bildet sozusagen die
Kontradiktion zum Toupet. Es gibt bei den Kapuzinern und den Zisterziensern
sogar kleine, warme Mützchen, die nur den kahlen Teil des Kopfes bedecken,
damit die Mönche beim Beten in kühlen Klostermauern nicht frösteln.
Neulich schenkte ich einem alternden Freund aus Spaß eine Mönchsperücke
inklusive Tonsur, quasi als Ersatzglatze. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob
er den Spaß verstand – als Dankeschön schickte er mir retour ein Top, das
aussieht wie ein Bikinioberteil aus langen, herunterhängenden Beuteln. Ich
habe es selbstverständlich umgehend angezogen. Modemut darf keine Grenzen
kennen.
2 May 2024
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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