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# taz.de -- Die Wahrheit: Finger weg von der Natur!
> Auf High Heels durchs Grüne stöckeln, funktioniert nur bedingt, irgendwie
> hat dieses Habitat etwas dagegen. Und dann sind da auch noch diese
> Nackten!
Die gemeine Natur schütze ich, indem ich sie nicht betrete. Das hat sich
für alle Beteiligten als beste Lösung erwiesen. Ich bin nicht an einer
Bekanntschaft mit den dort lebenden Organismen interessiert, und Zecken
haben eh mehr Spaß am Rücken einer Kuh als an meiner knochigen Kniekehle.
Auch andere Tiere, egal ob Meister Petz oder Grimbart, störe ich ungern in
ihrem natürlichen Habitat. Schließlich kenne ich aus schlüpfrigen Witzen
die fragwürdigen Begegnungen mit Braunbären, die später weder schreiben
noch anrufen. Und wenn Deichkind in ihrer Hymne „In der Natur“ singen „Mit
meiner neuen Fleecejacke komm ich hier nicht durch“, dann sollten die erst
mal probieren, auf Mules mit Pfennigabsätzen loszustiefeln. Weiche, braune
Erde mag ja Schadstoffe binden, für hohe Absätze ist sie ungeeignet.
Weitere Gründe für mein Fernbleiben vom grünen Idyll sind die ambivalenten
Motive, aus denen andere Menschen sich freiwillig dort aufhalten. Ist das
Dogging oder Pilzesuchen, fragte ich mich neulich, nachdem mir zwei Autos
mit geöffneten Türen am Waldrand aufgefallen waren. Wegen der
beängstigenden Aussicht, entweder von überreifen Swingerpärchen in
Bondage-Kluft zum Mitmachen aufgefordert zu werden oder einen Plausch mit
Pfifferling-Gourmets halten zu müssen, näherte ich mich eher vorsichtig.
Aber dann kamen doch nur ein paar Polizisten aus dem Unterholz, die einem
Hinweis auf das Auffinden einer Leiche nachgegangen waren.
Am Strand begegnen einem zwar weniger pikende, äsende oder stinkende
Organismen. Doch für die Bodenbeschaffenheit gilt mit High Heels das
Gleiche, und mit Pech landet man gleich im FKK-Bereich und muss sich
fremder Leute Grillwürstchen anschauen.
Insgesamt ziehe ich Meeressäuger allerdings anderen Mammalia vor, schon
weil Delfine bei dem Umgang mit ihrem Nachwuchs „Motherese“, Babysprache,
nutzen, und das ist wirklich niedlich. Am niedlichsten ist es, wenn die
Tiere durch meinen Fernseher schwimmen.
Dass man beim Gang durch die Natur gut abschalten kann, so wie es in der
aktuellen Berliner Caspar-David-Friedrich-Ausstellung behauptet wird, ist
ebenfalls nicht nachvollziehbar: Bei jedem Schritt muss man gucken, ob man
nicht aus Versehen auf eine Wurzel, einen tollwütigen Wolf oder einen
Ameisenhaufen tritt.
Der Künstler sah das anders. Er verbot sich beim Malen seiner
Natureindrücke jegliche Ablenkung und arbeitete in einem extrem kargen
Atelier. Im Sinne des Natur-Kultur-Dualismus bin ich ihm trotzdem dankbar,
dass er das Zeug auf die Leinwand bannte: Anstatt den ökologischen
Fußabdruck samt Pfennigabsatzloch zu vergrößern, lässt sich mit Friedrich
mückenstichfrei lustwandeln und danach ein Crémant im Museumscafé kippen.
Das soll so ein Wald erst mal nachmachen.
5 Jul 2024
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Natur
Schuhe
Umwelt
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