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# taz.de -- Zwangsarbeiterinnen-Kinder in Hamburg: Sie lebten nur wenige Tage
> Margot Löhr initiierte Stolpersteine für Zwangsarbeiterinnen-Kinder, die
> das NS-Regime ermorden ließ. Nun wird ein Platz nach einem der Babys
> benannt.
Bild: Hamburg bekommt „Teressa-Platz“: Gewidmet der 1943 nach zwei Tagen ge…
Hamburg taz | Diese Frau knüpft neue Fäden. Sucht nach dem Ungesagten,
deckt auf, was verschwiegen wurde, und gibt es in die Welt. Sie bereichert
die Gesellschaft und Angehörige von NS-Opfern mit einem Wissen, das anders
nicht mehr zu haben ist: Margot Löhr, pensionierte Psychologin, erforscht
seit über 20 Jahren ehrenamtlich Schicksale von NS-Opfern in Hamburg, um
ihnen Namen und Geschichten wiederzugeben.
Begonnen hat das alles 2001, als in einer Kirche ihres Stadtteils
Hamburg-Fuhlsbüttel eine Gedenkwand für die zivilen Opfer des NS-Regimes
entstehen sollte – gegenüber der Ehrentafel für die „gefallenen“ Soldat…
Da hat man Löhr gefragt, ob sie, gemeinsam mit SchülerInnen, mitmachen
wollte. Sie wollte.
Mit Kindern habe sie schon als Psychologin gern gearbeitet, ihre
Diplomarbeit hatte sie über obdachlose Kinder verfasst und später
Sinti-Kinder betreut, mit deren Familien sie bis heute befreundet ist. Für
besagtes Kirchenprojekt hat sie mit SchülerInnen Ideen entwickelt und
gemeinsam mit ihnen Tontafeln für die Gedenkwand getöpfert. Und natürlich
trat sie der kurz darauf entstandenen Stolperstein-Initiative bei und
begann, Biografien von NS-Opfern zu erforschen. Heraus kamen zwei
Gedenkbücher für Hamburg-Nord, herausgegeben von der Landeszentrale für
Politische Bildung und wissenschaftlich betreut vom Institut für die
Geschichte der Deutschen Juden.
Irgendwann im Laufe dieser Recherchen sei sie auf [1][Sterbedaten von
Kindern] gestoßen, deren Wohnort mit „Lager Tannenkoppel“ angegeben war,
sagt sie. „Da wurde mir erstmals klar, dass in den
Frauen-[2][Zwangsarbeiterlagern] auch Kinder waren.“ Und dass sie oft nur
Tage oder Wochen lebten und an Unterernährung, Lungenentzündung,
Kinderkrankheiten starben, „was vermuten lässt, dass sie in den sogenannten
Ausländer-Kinderpflegestätten durch Vernachlässigung ermordet wurden“, sagt
Löhr. „Denn die Mütter wurden weiter in 10- bis 12-Stunden-Schichten
gezwungen und konnten sich kaum um sie kümmern.“
## Stolpersteine und Gedenkwürfel
All dies war wenig bekannt, und so initiierte Löhr 2018 die erste Verlegung
von Stolpersteinen für solche Kinder vor dem einstigen „Lager Tannenkoppel“
in Hamburgs Norden. Auch an der Aufstellung des bunten Gedenkwürfels im
[3][„Garten der Frauen“] auf dem Ohlsdorfer Friedhof war sie 2023
beteiligt. Und nun, am 12. April, wird in Hamburg der [4][„Teressa-Platz“
eingeweiht], gewidmet der 1943 nach zwei Tagen gestorbenen Tochter der
polnischen Zwangsarbeiterin Hanka Scira, die im [5][KZ Fuhlsbüttel] einsaß.
Sie kam später ins [6][KZ Ravensbrück], dann in ein Lager bei Salzgitter.
Mehr fand Löhr nicht heraus.
Aber sie wird weiter forschen, „denn wenn ich die NS-Verbrechen schon nicht
ungeschehen machen kann, empfinde ich die Verantwortung, sie zumindest
aufzudecken“, sagt sie. Das helfe ihr auch über die immer wieder
aufwallende Trauer hinweg. Und die Resonanz gibt ihr recht: „Ich will das
gar nicht – aber die Dankbarkeit von Angehörigen für Informationen über
ihre Familie ist riesig.“ Auch beim Filmfest im polnischen Gdynia, wo ein
Trailer über ihre Arbeit lief, wurde sie 2023 geehrt. „Es ist schön, dass
Deutsche und Polen jetzt gemeinsam gedenken.“ Eine polnische Sängerin hat
sich auch zur Einweihung des „Teressa-Platzes“ angekündigt. Sie will
Wiegenlieder singen. Ein nachholender Trost, den die drangsalierten Mütter
nicht geben konnten.
11 Apr 2024
## LINKS
[1] /Zwangsarbeiterinnen-Kinder-in-Hamburg/!5711100
[2] /Zwangsarbeit-in-Berlin/!5998743
[3] /Historikerin-ueber-Frauen-Friedhof/!5718557
[4] https://www.hamburg.de/hamburg-nord/pressemitteilungen/18410930/einweihung-…
[5] /KZ-Gedenkstaette-Hamburg-Fuhlsbuettel/!5913932
[6] /Ermittlungen-gegen-Nazi-Taeter/!5890526
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
NS-Verbrechen
Holocaust
KZ
Zwangsarbeit
Gedenken
Mahnmal
Erinnerung
NS-Gedenken
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