# taz.de -- Volkswagen-Gewerkschaft in den USA: VW-Arbeiter haben die Wahl | |
> Im VW-Werk in Tennessee stimmen die Beschäftigten erneut ab, ob künftig | |
> eine Gewerkschaft ihre Interessen vertreten soll. Diesmal könnte es | |
> klappen. | |
Bild: Bleiben die Befürworter der Gewerkschaft vorn? Zurückgelassene Wahlplak… | |
WASHINGTON taz | Er gehört zu den Ausbildern im einzigen US-amerikanischen | |
Volkswagen-Werk in Tennessee. Zach Castello ist seit nunmehr sieben Jahren | |
[1][Teil der dortigen VW-Familie]. Und obwohl es, wie er sagt, der beste | |
Arbeitsplatz seines bisherigen Berufslebens ist, will er mehr. Mehr Geld, | |
mehr Gesundheitsvorsorge und mehr Mitspracherecht. | |
Aus diesen Gründen gehört Costello zu denjenigen im Werk, die in dieser | |
Woche dafür stimmen werden, eine Gewerkschaft in der Fabrik zu gründen. Die | |
knapp 4.300 wahlberechtigten Beschäftigten in dem Werk, in dem der | |
Elektro-SUV ID.4 produziert wird, haben bis zu diesem Freitag Zeit, um | |
darüber zu entscheiden, ob sie sich der Automobilgewerkschaft United Auto | |
Workers, kurz UAW, anschließen wollen. | |
„Einige Leute sagen, dass die aktuelle UAW nicht mit der von 2019 zu | |
vergleichen sei, und dem stimme ich zu. Die jetzige Führungsriege der | |
Gewerkschaft ist viel energischer und viel mehr darauf konzentriert, gute | |
Verträge und Deals für die Belegschaft auszuhandeln“, sagte Costello der | |
taz. | |
Die Abstimmung im VW-Werk Chattanooga ist nach 2014 und 2019 bereits die | |
dritte. Bei den ersten beiden Malen kassierte die UAW knappe Niederlagen. | |
Doch jetzt sind die Vorzeichen besser. Grund dafür ist der Erfolg, den die | |
[2][Gewerkschaft im vergangenen Jahr bei ihren Verhandlungen mit den großen | |
drei US-amerikanischen Autokonzernen Ford, General Motors und Stellantis – | |
ehemals Chrysler – einfahren konnte]. | |
## Vorteil Gewerkschaft | |
„Beim letzten Mal fragten sich viele: Was bringt die Gewerkschaft? Ein | |
großes Argument war unter anderem die Tatsache, dass Arbeiter in | |
Gewerkschaftsbetrieben keine wirklichen Gehaltsvorteile hatten. Doch das | |
ist nicht mehr der Fall“, erklärte Costello. | |
Bei den Verhandlungen mit den US-Autoherstellern setzte die UAW eine | |
Gehaltserhöhung von 25 Prozent über vier Jahre durch, sowie eine Anpassung | |
an die Lebenshaltungskosten. [3][US-Präsident Joe Biden, der Gewerkschaften | |
befürwortet], sagte im Anschluss, dass er einen solchen Tarifvertrag gerne | |
„für alle Arbeiter in der Automobilindustrie“ sehen würde. | |
Die ausländischen Autohersteller im Land, zu denen auch die deutschen | |
Marken BMW, Mercedes und Volkswagen gehören, haben nach dem | |
Verhandlungserfolg der UAW zweistellige Gehaltserhöhungen verkündet. | |
Arbeitsrechtsexperten sahen darin einen Versuch, einem möglichen | |
Gewerkschaftsstreben in den Belegschaften entgegenzuwirken. Wie die | |
jüngsten Entwicklungen allerdings zeigen, reichte dies nicht. | |
## Kampf um den Süden | |
Ein Sieg der UAW würde ein wichtiges Zeichen an die Belegschaften von | |
anderen Autobauern im Süden der USA senden. [4][In den Südstaaten der USA | |
sind Gewerkschaften historisch eher Ausnahmen] und einer der Gründe dafür, | |
warum viele in- und ausländische Konzerne in den vergangenen Jahrzehnten | |
ihre Produktionsstätten dorthin verlegt haben. Auch die Produktionsstätten | |
der deutschen Autobauer befinden sich ausschließlich in diesen Staaten. | |
Volkswagen erklärte in einer Stellungnahme gegenüber der taz, dass man die | |
Rechte seiner Mitarbeiter respektiere und die Wahl zur Interessenvertretung | |
unterstütze. „Volkswagen ist stolz auf unser Arbeitsumfeld in Chattanooga, | |
das einige der bestbezahlten Arbeitsplätze in der Region bietet“, hieß es | |
weiter. | |
Wie viele republikanisch dominierte Bundesstaaten ist auch Tennessee ein | |
sogenannter Right-To-Work-Staat. Das heißt, Mitarbeiter, die nicht | |
Gewerkschaftsmitglieder sind, müssen keine Beiträge zahlen, profitieren | |
aber trotzdem von den Angeboten und Verträgen, die eine Gewerkschaft mit | |
einem Arbeitgeber schließt. | |
## Feindbild Tesla | |
Der republikanische Gouverneur von Tennessee, Bill Lee, hat im Vorfeld der | |
Abstimmung in Chattanooga erklärt, dass VW-Mitarbeiter ihre Zukunft | |
riskieren würden, wenn sie für die Einführung der Gewerkschaft stimmen. | |
Castello beurteilt die Aussage des Gouverneurs kritisch, da sie seiner | |
Meinung nach verdeutlicht, dass das Wohl der einzelnen Arbeiter für viele | |
Politiker keine Priorität hat. „Was sie [Gouverneur Lee und andere] also im | |
Grunde sagen, ist: Kommen Sie und gründen Sie ihr Unternehmen in Tennessee, | |
wo Sie unsere Arbeiter ausbeuten können“, sagte er. | |
Trotz der jüngsten Erfolge sind Gewerkschaften wie die UAW weit von ihren | |
Hochzeiten entfernt. Hatte sie in den 1970ern noch mehr als 1,5 Millionen | |
Mitglieder, sind es aktuell knapp 370.000. Ein Wahlsieg in Chattanooga wäre | |
der erste Schritt für sie, den Süden zu erobern. Mercedes, Hyundai und | |
Toyota könnten folgen. Insgesamt will die UAW bis 2026 rund 40 Millionen | |
US-Dollar in die Hand nehmen, um Autoarbeiter für ihre Sache zu gewinnen. | |
Ein Augenmerk liegt auch auf Elon Musks Konzern Tesla. [5][Dieser hatte | |
sich in der Vergangenheit öffentlich gegen Gewerkschaften ausgesprochen]. | |
18 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /VW-Betriebsratschefin-zu-Menschenrechten/!5859241 | |
[2] /Tarifeinigung-bei-US-Autobauern/!5964084 | |
[3] /Vorwahlen-in-den-USA/!5995308 | |
[4] /Linkes-Engagement-in-den-US-Suedstaaten/!5969356 | |
[5] /Streik-in-Schweden-und-Elon-Musk/!5978802 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
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