# taz.de -- Vorwahlen in den USA: Stadt, Land, Frust | |
> Der Bundesstaat Colorado steht sinnbildlich für die geteilten USA: | |
> liberale Großstädter, konservative Landbewohner. Ein Besuch vor dem Super | |
> Tuesday. | |
Bild: Einsam in der Prärie: In der Hauptstadt Denver sind die politischen Eins… | |
DENVER, CHEYENNE WILLS, HUGO taz | Richard Holtorfs Begrüßung Anfang | |
Februar in Denver, Colorado, ist herzlich. Der hochgewachsene Mann mit | |
Cowboyhut ist Mitglied der „State Assembly“, des Abgeordnetenhauses des | |
Bundesstaates im Westen der USA. An einem sonnigen Nachmittag blitzt das | |
Licht von den hohen Wolkenkratzern der Innenstadt, höher sind nur die | |
schneebedeckten Rocky Mountains, die jenseits der Stadtgrenze beginnen. | |
Denver boomt, ein Umstand, der auch an den etlichen Baustellen in der | |
Umgebung zu sehen ist. Wohn- und Bürogebäude und neue Geschäfte entstehen | |
im Stadtkern, im Jahr 2022 ist Denver wirtschaftlich eine der am | |
schnellsten wachsenden Großstädte in den USA. Die Camps von Wohnungslosen | |
und die vielen Bettler weisen allerdings auch darauf hin, dass es längst | |
nicht allen hier gut geht. | |
In Colorado zeichnen sich viele der Gegensätze ab, die auch in anderen | |
Teilen der USA eine immer größere Rolle spielen. Während die Großstädte | |
eine mehrheitlich progressive Politik fahren, sind die ländlichen Gegenden | |
weitgehend in der Hand der Republikaner unter Donald Trump. Der letzte | |
republikanische Gouverneur schied 2007 aus dem Amt, auch bei den | |
Präsidentschaftswahlen geht Colorado seit 2004 an die Demokraten. | |
Am Dienstag ist Super Tuesday in den USA, der Tag, an dem in den meisten | |
Bundesstaaten die Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur stattfinden, | |
auch in Colorado. Kürzlich entschied der Oberste Gerichtshof des | |
Bundesstaates, dass Donald Trump wegen seines Coupversuchs am 6. Januar | |
2021 nicht auf den Wahlzetteln stehen darf. [1][Doch noch am Montag, einen | |
Tag vor dem Super Tuesday, gab der Supreme Court in Washington einem | |
Einspruch Trumps gegen die Entscheidung statt.] Die Streichung seines | |
Namens vom Wahlzettel im US-Bundesstaat Colorado sei nicht rechtens. | |
Richard Holtorf führt in den University Club, einen privaten | |
Akademiker-Club, der nur wenige Fußschritte vom Kapitol, dem Sitz des | |
Abgeordnetenhauses, entfernt ist. Auf dem Weg in einen Sitzungsraum begrüßt | |
er laut eine Gruppe Lobbyisten, die in der Hauptstadt arbeiten und sich | |
hier zum Mittagessen eingefunden haben. Einem klaut er etwas Essen vom | |
Teller. | |
Er vertritt einen Distrikt im östlichen Colorado, rund vier Autostunden von | |
der Hauptstadt entfernt. Als Republikaner ist er im Abgeordnetenhaus in der | |
Minderheit. Holtorf beschreibt sich als „kämpferischer Konservativer“, der | |
die Werte der Landbevölkerung in der Bundesstaatsregierung in Denver | |
vertritt. Die Demokraten haben in den vergangenen Jahren eine zunehmend | |
liberale Politik im Bundesstaat gefahren. [2][Zum Beispiel legalisierte der | |
Bundesstaat 2012 als erster in den USA Marihuana]. | |
Fast 30 Jahre war Holtorf beim Militär, als Kampfhubschrauberpilot war er | |
in Südkorea, Deutschland und mehrfach in Afghanistan. Danach übernahm er | |
die Ranch seiner Familie, die schon seit dem Jahr 1892 besteht. „Wir haben | |
zwischen drei- und viertausend Stück Vieh und eine kleine Farm, auf der wir | |
Weizen, Sorghum und Hirse anbauen“, erzählt er, während er sich über einen | |
Cheeseburger lehnt. Holtorf ist stolz darauf, dass das östliche Colorado so | |
viel Essen für den Rest des Staates produziert. Auf seinem Revers prangt | |
ein Anstecker in der Form einer Kuh. „Colorado-Rindfleisch“, sagt er und | |
zeigt auf den angebissenen Burger auf seinem Teller. | |
Die zunehmende Migration aus Süd- und Lateinamerika sieht Holtorf als ein | |
existenzielles Problem für die USA, womit er die Meinung eines maßgeblichen | |
Teils der Republikanischen Partei teilt. Während Denver als [3][eine | |
sogenannte Sanctuary City] oder „Zufluchtsstadt“ gilt, was bedeutet, dass | |
die örtliche Polizei begrenzt mit den Migrationsbehörden kooperiert und | |
straffällige Migrant:innen nur in seltenen Fällen an die Bundesbehörden | |
übergeben werden, ist die Stimmung im US-Wahlkampf eine ganz andere. | |
Das Banner „Krise an der Grenze“ ist derzeit ein Dauerbrenner auf rechten | |
Medienkanälen wie Fox News. Die Migrationspolitik zeichnet sich als | |
zentrales Thema im Kampf um die Präsidentschaft ab, Joe Biden und Donald | |
Trump besuchten in der vergangenen Woche am gleichen Tag die Grenze zu | |
Mexiko. „Ich spreche Spanisch, und hier in Denver bin ich schon zwölf | |
Menschen aus Venezuela begegnet“, erzählt er. „Wenn wir 2,4 Millionen Leute | |
pro Jahr hier reinlassen, Jahr für Jahr, dann haben wir hier bald mehr | |
Migranten als die Gesamtbevölkerung von Colorado.“ | |
Während große Teile der Land- und Agrarwirtschaft in den USA von der | |
billigen Arbeitskraft der Migrant:innen abhängig sind, ist Holtorf davon | |
überzeugt, dass Migration längerfristig zum Systemkollaps führen wird. „Was | |
ist mit den Individuen aus dem Nahen Osten?“, fragt er. „Die sind nicht | |
hier, um Teil der amerikanischen Wirtschaft zu werden.“ Für Holtorf ist die | |
Bedrohung an der Grenze mit dem Vorlauf zum 11. September vergleichbar. | |
„Schläferzellen sind echt“, sagt er. „Fragen Sie einfach Osama bin Laden… | |
In Colorado finden am heutigen Dienstag auch die Vorwahlen der | |
Republikanischen Partei für das Abgeordnetenhaus in Washington statt, bei | |
denen entschieden wird, wer für die Partei an der Wahl im November | |
teilnehmen darf. Holtorf kandidiert für den großen Distrikt im östlichen | |
Teil des Bundesstaates, aus dem er kommt. Dabei wird er unter anderem auch | |
gegen Lauren Boebert antreten, die wohl als eine der kontroversesten | |
Politikerinnen in den USA gilt. | |
Boebert unterstützte den versuchten Coup am 6. Januar und betrieb mehrere | |
Jahre ein Restaurant, in dem die Kellnerinnen mit geladenen Waffen an der | |
Hüfte ihrer Kundschaft Fastfood servierten. Auch Holtorf war in den | |
vergangenen Jahren mehrfach auch überregional in den Schlagzeilen, unter | |
anderem weil ihm im Kapitol seine Pistole auf den Boden gefallen ist, einen | |
afroamerikanischen Kollegen sprach er während einer Debatte mit einer | |
rassistischen Schmähung an. | |
Boebert ist kürzlich aus ihrer Heimat westlich von Denver in den 4. | |
Distrikt von Richard Holtorf gezogen, offiziell aus familiären Gründen. | |
Holtorf hingegen ist sich sicher, dass der Umzug politischer Natur ist, | |
Boeberts Sitz im Abgeordnetenhaus könnte bei den Wahlen im November an | |
einen Demokraten gehen. Der 4. Distrikt hingegen wählt mit großer Mehrheit | |
Republikanisch, hier hätte Boebert bessere Chancen, sagt Holtorf. „Es geht | |
hier nicht um einen Neustart für sie und ihre Familie, sondern darum, dass | |
sie ihren Sitz behalten will.“ Im Vorwahlkampf drängen sich derzeit fast | |
ein Dutzend Bewerber:innen, Boebert und Holtorf haben harte Konkurrenz. | |
Ein Reise durch die ländlichen Gegenden des Staates zeigt auf, wie anders | |
das Colorado von Richard Holtorf ist. Rund 300 Kilometer östlich sind die | |
Wolkenkratzer und Berge von Denver selbst am Horizont nicht mehr zu sehen. | |
Statt sattgrünen Wiesen und mit Tannen bewachsenen Hängen wogt hier bereits | |
das weite Meer der amerikanischen Prärie. | |
Die Ortschaft Cheyenne Wells zählt rund 700 Einwohner:innen, im Ortskern | |
stehen Getreidespeicher, drumherum eine Ansammlung einfacher | |
Einfamilienhäuser. An einer Ausfallstraße ist ein großer Holzpfeiler | |
aufgestellt, auf dem ein Wahlplakat von Donald Trump aus dem Jahr 2020 | |
fixiert ist, darüber eine amerikanische Flagge. Das Schild wurde mittels | |
weißer Farbe modifiziert, um aus der Zahl „2020“ eine „2024“ zu machen… | |
Wahldistrikt, in dem Cheyenne Wells liegt, gingen bei der letzten Wahl 87 | |
Prozent der Stimmen an Donald Trump. | |
Stolzer Besitzer des Schildes und des Vorgartens, in dem es steht, ist | |
James Knudsen. Im Gespräch mit der taz erzählt der Fernfahrer von seiner | |
Treue gegenüber dem Expräsidenten. „Von Trump hatte ich noch nie gehört, | |
bis er ins Rennen kam“, sagt er, zumindest bis dieser einen seiner | |
Gegenkandidaten ins Visier nahm: „Als er anfing, Jeb Bush die Leviten zu | |
lesen, habe ich mir gedacht, der ist der Richtige.“ Knudsen ist in Cheyenne | |
Wells aufgewachsen, abgesehen von ein paar Jahren in Denver hat er sein | |
gesamtes Leben in der Ortschaft verbracht. | |
Er spricht im breiten Dialekt des amerikanischen Westens, flucht und lacht, | |
während er sich über die Amtszeit von Biden aufregt. „Wenn Trump das | |
nächste Mal ins Weiße Haus einzieht, braucht er wahrscheinlich einen ganzen | |
Monat, um zu reparieren, was dieser Typ dort veranstaltet hat“, sagt | |
Knudsen. „Ich nenne sie nicht Demokraten, sondern Demo-Ratten. Denn alles, | |
was sie tun, ist, unser Land auseinanderzureißen.“ | |
Wie viele Trump-Anhänger ist auch Knudsen überzeugt, dass die letzte | |
Präsidentschaftswahl von den Demokraten gestohlen wurde. „Ja, da wurde im | |
großen Stil betrogen“, sagt Knudsen grimmig. „Die Leute, die die Wahlzettel | |
transportiert haben, die elektronischen Wahlautomaten, das war alles | |
Betrug.“ Obwohl bis heute keine handfesten Beweise gefunden wurden, ist ein | |
maßgeblicher Teil der republikanischen Basis von der Wahlmanipulation | |
überzeugt. | |
Wie viele im östlichen Colorado hat auch Knudsen lange Zeit in der | |
Landwirtschaft gearbeitet, ehe eine schlechte Geschäftspartnerschaft dies | |
zunichte machte. „Da reden wir lieber nicht drüber“, sagt er. Auf die | |
Frage, was er an den Trump-Jahren vermisst, antwortet er hingegen | |
ausschweifend. „Es war einfach eine gute Zeit, die Wirtschaft war stabil, | |
Benzin war günstiger und alle hatten gute Laune.“ Während Konzerneinnahmen | |
und Bruttoinlandsprodukt in den USA in die Höhe gegen, sind viele | |
Lebenshaltungskosten seit der Pandemie enorm gestiegen. | |
Sein großes Trump-Schild hat Knudsen nicht zufällig platziert. „Ich habe | |
sechs Beutel Beton verbraucht und einen Gabelstapler benutzt, um es | |
aufzustellen“, erzählt er. „Im Haus habe ich einen Küchentisch, von dem i… | |
genau auf das Schild gucken kann.“ Auf dem Tisch liegen nun immer ein | |
großkalibriger Revolver und ein Jagdgewehr parat. „Wenn jemand an meinem | |
Schild rumfummelt, kann ich ihm die Reifen zerschießen.“ | |
Bisher musste Knudsen noch nicht zur Waffe greifen, um sein Schild zu | |
verteidigen. Aber auf die Frage, was passieren sollte, wenn Biden auch eine | |
zweite Wahl gewinnen würde, antwortet er ernst. „Ich kann Ihnen sagen, dass | |
das richtig unangenehm wird. Die Leute sind stinksauer.“ | |
In anderen Teilen des ländlichen Colorados ist die politische Stimmung | |
ähnlich. Kaum größer als Cheyenne Wells ist Hugo, ein Ort, der sich auf | |
beiden Seiten der Autobahn erstreckt, die durch den Ort führt. Etwas mehr | |
als 100 Kilometer von Cheyenne Wells entfernt, lässt sich auch Hugo als | |
eine kleine, vornehmlich weiße Agrargemeinde definieren. In einem kleinen | |
Café erzählt die Besitzerin, dass sie sich von der Staatsregierung in | |
Denver nicht vertreten fühlt. Sorgen machen ihr vor allem die Wölfe, die | |
seit dem vergangenem Jahr über ein Programm der bundesstaatlichen | |
Wildbehörde wieder in ihrem Lebensraum entlang der Rocky Mountains | |
eingeführt werden. „Sie reißen unsere Kälber und wir dürfen sie nicht | |
schießen“, sagt sie. „Aber woher soll das ganze Rindfleisch kommen, das in | |
den Städten gegessen wird?“ Bei der nächsten Wahl setzt sie auf Trump, | |
namentlich genannt werden möchte sie jedoch nicht. | |
In einem kleinen Stadtpark steht Steve Blank und wartet geduldig darauf, | |
dass seine kleine Hündin pinkeln geht. Der stoische Pensionär, | |
Baseballkappe und Sonnenbrille, gibt knappe Antworten, ab und zu zuckt ein | |
Lächeln um seine Lippen. „Ich wähle die Republikaner“, sagt er. „Wen de… | |
sonst? Ganz bestimmt keine Demokraten.“ Ganz zufrieden mit der Auswahl ist | |
aber auch Steve Blank nicht. Einen anderen Kandidaten hätte er gerne an der | |
Spitze des Wahlkampfs gesehen: „Es gibt 1.000 andere Anwärter, über die die | |
Medien nicht berichten“, sagt er. | |
Wie Richard Holtorf war auch Blank beim Militär, er hat sich freiwillig für | |
den Dienst im Vietnamkrieg gemeldet. Noch heute trägt er eine | |
Gürtelschnalle, auf der das Emblem „U.S. Army“ eingestanzt ist. Bei dieser | |
lernte er, an Hubschraubern zu arbeiten, bis zum Pensionsalter arbeitete er | |
in Colorado in der zivilen Luftfahrt. | |
Auch Steve Blank ist über die Situation an der südlichen Grenze besorgt. | |
„Es kommen Millionen Menschen über die Grenze, und irgendwann läuft das | |
Fass über“, sagt er finster. „99 Prozent der Menschen in Amerika schlafen�… | |
sagt er über seine Landsleute. „Kommunisten übernehmen das ganze Land.“ | |
Dass die letzte Präsidentschaftswahl von den Demokraten gestohlen wurde, | |
davon ist auch Steve Blank überzeugt: „80 Millionen Leute sollen für Biden | |
gestimmt haben, und er kann mit seinen Unterstützern noch nicht mal einen | |
Hamburgerbude füllen“, sagt er und lacht ein wenig. | |
## Wut über „LGTBQ-Agenda“ | |
Auf dem Weg zurück Richtung Denver weichen die Agrarflächen langsam den | |
Vorstädten. Die seichten Hügel der Prärie werden langsam steiler, die | |
ersten Pinienwälder klammern sich an die Landschaft. Mit über 76.000 | |
Einwohner:innen ist Castle Rock schon ein Vorort von Denver, es zeigt | |
alle Indizien einer amerikanischen „Suburb“: Fastfood-Ketten, Stau und | |
große Siedlungen identischer Reihenhäuser pressen sich hier zwischen die | |
Ausläufer der Landwirtschaft. Seit dem Jahr 2010 ist Castle Rock um mehr | |
als 50 Prozent gewachsen, der dichte Verkehr rauscht an einem Freitagmorgen | |
in Richtung der Hauptstadt, wo viele Bewohner:innen der Stadt arbeiten. | |
Vor einem Kettenrestaurant im Stadtzentrum steht Brad. Trotz der kühlen | |
Wintertemperaturen trägt er nur ein T-Shirt, auf dem das Konterfei von | |
Donald Trump abgebildet ist. In der Manier eines alten Fahndungsplakats | |
steht „Wanted“ über dem Porträt, darunter in Westernschrift „For | |
President“. | |
Brad leitet einen Dienstleister für psychische Gesundheit und möchte | |
deshalb seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Ich will keinen | |
Ärger“, lacht er laut, während er Kaffee aus einem Pappbecher trinkt. Brads | |
politische Ansichten spiegeln die vieler anderer Republikaner im Rest der | |
USA: Grenze, Wahlbetrug, Wirtschaft: „Die Inflation ist irre. Für Menschen, | |
die von einer Gehaltszahlung zur nächsten leben, ist das nicht tragbar.“ | |
Besonders echauffiert sich Brad aber über das, was er als „LGBTQ Agenda“ | |
bezeichnet. „Mit L,G und B habe ich keine Probleme“, sagt er. „Aber der | |
Rest der Alphabet-Mafia hat in den vergangenen Jahren alles übernommen.“ | |
Seit Anfang des Jahrzehnts haben republikanische Politikerinnen und rechte | |
Medien wie Fox News vor allem Transmenschen ins Visier genommen. | |
„Es geht darum, das Ganze komplett zu normalisieren“, sagt Brad. „Ich fü… | |
für diese Menschen, denn im Grunde haben sie ja psychische Probleme.“ Er | |
ist überzeugt, dass sich hinter geschlechtsbejahenden Eingriffen und | |
Hormontherapien ein politisches Kalkül verbirgt. „Jedes Kind hat Probleme | |
damit, sich einzufügen, das war für mich auch nicht anders. Aber jetzt | |
heißt es plötzlich, sie sollen ihr Geschlecht ändern. Das ist verrückt und | |
sollte verboten werden.“ | |
## Demokraten ohne Rückgrat | |
Zurück in Denver geht langsam die Sonne hinter den Wolkenkratzern unter und | |
die Winterkälte kriecht wieder in die langen Boulevards der Innenstadt. Auf | |
den Straßen laufen zwischen den Büroarbeiter:innen Menschen umher, | |
die ihr gesamtes Hab und Gut auf dem Rücken haben. In den kleinen Gassen, | |
die zwischen den Gebäuden verlaufen, riecht es nach Urin, gebrauchte | |
Spritzen und Unrat liegen hinter Müllcontainern und auf Treppenabsätzen. | |
Wendy Howell ist Mitglied der Working Families Party, einer politischen | |
Organisation, die sich links der Demokratischen Partei positioniert. Die | |
Gruppe unterstützt im Bundesstaat Kandidat:innen aus dem progressiven | |
Flügel der Demokraten. In einigen Bundesstaaten stellen sie eigene | |
Kandidat:innen, in Colorado „versuchen wir, die Dinge nach links zu | |
bewegen“, so beschreibt Howell das. Stolz ist Howell vor allem über den | |
erfolgreichen Kampf für einen höheren Mindestlohn, den ihre Partei in | |
Denver unterstützt hat. | |
„In Denver gibt es jede Menge Probleme, aber die größten sind Bezahlbarkeit | |
und Gentrifizierung“, sagt Wendy Howell gegenüber der taz. Das rapide | |
Wachstum der Stadt hat diese zu einem „Spielplatz für Immobilienmakler“ | |
gemacht, betroffen seien vor allem Wohngegenden, die historisch von | |
nichtweißen Menschen bewohnt werden. Dieser Prozess spiegelt sich auch in | |
anderen Metropolen der USA. | |
Das Verhältnis der Working Families Party zu den Demokraten ist | |
kompliziert, taktiert deren rechter Rand ja mittlerweile auch mit | |
Positionen, die früher eher von den Republikanern eingenommen wurden. Das | |
Thema Migration wird nicht nur von der GOP vereinnahmt, sondern zunehmend | |
auch von Mitgliedern der Demokratischen Partei. Denver hat über die letzten | |
Jahre mehr Migrant:innen aufgenommen als jede andere amerikanische | |
Großstadt, mit Ausnahmen derer, die in direkter Nähe zur Grenze nach Mexiko | |
liegen. „In unserem Abgeordnetenhaus gibt es eine Menge Leute, die | |
dagegenhalten, aber definitiv gibt es in der Partei als Ganzes auch viele, | |
die weniger Rückgrat zeigen, als sie sollten“, sagt Howell. | |
Bevor sie zur Working Families Party kam, arbeitete Howell als | |
Organisatorin für Gewerkschaften und in der LGBTQ-Bewegung. Über die | |
Spannung zwischen Land und Stadt in Colorado sagt sie, dass sich die | |
Demokratische Partei nicht ohne Grund früher „Demokratische Bauern- und | |
Arbeiterpartei“ nannte. Trotz des politischen Zwiespalts zwischen Denver | |
und Orten wie Hugo und Cheyenne Wells gibt es eine geteilte Betroffenheit. | |
„Während in Denver die Mietwohnungen von Großkonzernen aufgekauft werden, | |
sind es auf dem Land eben die kleinen Farmen.“ | |
Wendy Howell und ihre Partei beobachten die Entwicklung in den USA genau. | |
Während die Wut gegen Migrant:innen und andere vulnerable Gruppen | |
deplatziert sei, „geht es den Leuten schlecht, sie sehen, wie ihre | |
Lebenskosten immer weiter nach oben gehen, während ihre Löhne stagnieren“. | |
Noch hat die Führung der Working Families Party keine bindende Entscheidung | |
dazu getroffen, inwiefern sie Joe Biden bei der kommenden | |
Präsidentschaftswahl unterstützt. Klar aber ist, gegen wen sie agieren | |
wird: Donald Trump. „Es gibt einen schleichenden Autoritarismus in diesem | |
Land“, sagt Wendy Howell. „Wir wissen, dass die Demokratie nicht mit einem | |
Knall stirbt, sondern mit einem Flüstern. Und wir hören genau hin.“ In | |
vielen nationalen Umfragen sind Trump und Joe Biden gerade gleichauf. | |
4 Mar 2024 | |
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