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# taz.de -- Privilegierter Feminismus: Menopause? Halb so wild
> Die Menopause ist eine der wohl nervigsten Begleiterscheinung der
> Midlife-Crisis. Doch es wird zu viel darüber gemeckert.
Bild: Simone Schmollack kann nicht meckern
An einem Sommersonntag 1987 saß ich mit einer Freundin aus Bonn in einem
Straßencafé in Ostberlin, wir tranken irgendwas Fieses aus der Karte des
volkseigenen Getränkekombinats, die Westfreundin erzählte von einem Trip
nach Bordeaux, ihrer Studi-WG, von italienischem Eis. Ich dachte an
gepanschtes Softeis am Alex und verdreckte Züge nach Sofia. Und dann sagte
die Westfreundin auch noch diesen Satz: „Vielleicht müssen wir bald nichts
mehr für Tampons und Binden bezahlen.“
Mich haute es fast um. Nicht nur, dass den Frauen in der Bonner Republik
eine großzügige Auswahl an Hygieneartikeln zur Verfügung stand und wir
Ostfrauen mit knüppelharten Dingern aus Zellstoff, Gaze und Pappe kämpften.
Der Westen erschien mir wie ein Paradies für menstruierende Wesen. Wie
stark fremdbestimmt viele Frauen im Westen damals waren, hatte ich nicht
auf dem Schirm. Oder wollte ich nicht haben. Denn ein [1][Land, das Frauen
Tampons und Binden bezahlt], kann doch nicht so verkehrt sein.
Nach dem Mauerfall knallten der paradiesische Westen und ich heftig
zusammen. Das Leben von Westfrauen kam mir nun vor wie eine Sinfonie in
Moll: Heirat, Kinder, Hausfrauendasein. Auch Tampons mussten Frauen selbst
bezahlen. Kostenfrei gibt es die erst seit zwei Jahren in wenigen
Großstädten und in ein paar Kommunen.
Trotzdem ist das Leben einer Frau in Deutschland weitgehend ertragbar. Sie
kann heiraten, wen und wann sie will, sie muss es aber auch nicht. Sie kann
sich scheiden lassen, hetero oder queer sein, studieren, arbeiten,
Bundeskanzlerin und Außenministerin werden. Sie darf anziehen, was sie
will, zur Ladies Night ausgehen, Mutterschutz genießen.
## Schlechte Laune und Schweiß
Und dennoch wird zu oft gemeckert: über zu viele Hormone, über zu wenige
Hormone, über den Alltag mit Kindern, über ein Dasein ohne Kinder, das
Leben mit einem Mann, Leben ohne Mann, über Hausarbeit und zu wenig Zeit,
über zu viel Zeit, darüber, dass der Partner nie richtig zuhört, über
Körperfülle, Kleidung, Frisur, Einkauf.
Das mag alles auch berechtigt sein. Und keine Frage, Schwitzen in der
[2][Menopause] ist scheiße und kann eine Midlife-Crisis verstärken.
Pullover aus, Pullover an, Schweißperlen auf der Stirn ausgerechnet beim
Gespräch mit dem Chef. Schlechte Laune, Gewichtszunahme,
Stimmungsschwankungen gehören ganz tief in die Hölle.
Aber hey, diese physischen und psychischen Veränderungen sind beherrschbar,
da müssen wir alle durch und irgendwann ist es sogar vorbei. In jeder
Apotheke gibt es gegen nahezu alle Beschwerden, die eine Frau ereilen
können, Medikamente: bei Menstruations- und Schwangerschaftsschmerzen,
postnatalen Veränderungen, den Wechseljahren.
## Probleme nicht vergleichbar
Manche runzeln jetzt sicher die Stirn: Vergleiche zwischen weiblichen
Leiden sind strikt verboten, das ist unfeministisch. Nein, das ist nicht
unfeministisch. An dieser Stelle dürfen Probleme durchaus aufgerechnet
werden. Denn bei dieser Kritik an manch überbordender weiblicher
Befindlichkeit in der westlichen Hemisphäre geht es nicht um grundsätzliche
politische Fehlleistungen wie Benachteiligung von Frauen auf dem
Arbeitsmarkt und Führungspositionen, Altersdiskriminierung, ungleiche und
schlechte Bezahlung, unfaire Verteilung von Sorgearbeit,
Partnerschaftsgewalt, Abtreibungshürden.
Sehr viele Frauen in anderen Teilen der Welt können uns nur belächeln. Ihre
Probleme sind mit unseren wahrhaftig nicht vergleichbar: Mütter- und
Kindersterblichkeit, Beschneidung, Zwangsheirat, [3][Zwangsprostitution],
Bildungs- und Berufsverbote. Sie haben weder Bad noch Dusche, manche noch
nicht mal eine Toilette, auf der sie Binden wechseln können – falls es
überhaupt welche gibt. Auch keine Frauenzentren, keine
Selbstfindungsseminare, oft kein öffentlichen Verkehrsmittel, keine
Psychotherapeut:innen und erst recht keine Kolumnen, in denen sie
sich regelmäßig auskotzen können über ihr Leben als Frau.
In ihrer Welt dreht sich das Frausein um die Macht des Mannes. In unserer
Welt dreht sich Frausein nicht selten um sich selbst. Das ist gleichermaßen
Fortschritt und Luxus. Nur: Wir Frauen sollten aufpassen, dass wir beides
nicht verspielen. 1987 will niemand zurück.
17 Apr 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Altern
Feminismus
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Wechseljahre
Das Leben einer Frau
Menstruation
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Soja
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