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# taz.de -- Prämenstruelles Syndrom: Ich traue allen alles zu
> In der Lutealphase (7 Tage vor der Periode) darf einen nichts aus der
> Ruhe bringen. Schon gar nicht jemand, dem man einen zu großen Gefallen
> tun soll.
Bild: Wie ich persönlich noch mehr fühlen soll, ist mir ein Rätsel
Optimistisch gerechnet liegen noch elf Jahre prämenstruellen Leidens vor
mir. Dieser diffizilen Berechnung liegt die Information zugrunde, dass
Menstruierende im Durchschnitt mit Anfang 50 das letzte Mal Periodenblut
auffangen müssen.
Wenn ich genauer drüber nachdenke, ist diese Berechnung gar nicht mal so
optimistisch. Denn mit Einsetzen der [1][Menopause] geht es ja bei den
meisten nochmal so richtig los mit dem großen Fühlen. Wie ich persönlich
noch mehr fühlen soll, ist mir ein Rätsel.
Noch sieben Tage, sagt meine Zyklus-App – die denkt auch, sie ist
allwissend. Soll mich in Ruhe lassen. Alle sollen mich in Ruhe lassen.
Außer der niederländische Schlagersänger Heintje, der singt im Hintergrund
und behauptet, meine Tränen seien auch seine. Danke, Heintje, du Gütiger.
Ich liebe meine beste Freundin, seit bald 30 Jahren lieb ich die, sogar in
hormonell düsteren Stunden. Nur, was sie sich heute erlaubt hat, lässt das
Fundament unserer Liebe bröckeln. Mit einer ungeheuren Bitte ist sie an
mich herangetreten.
## Eine ungeheure Bitte
Aus Versehen hätte sie alle Fotos unseres Whatsapp-Chatverlaufs gelöscht
und da seien ja so viele Fotos ihrer Kinder dabei gewesen. Kurz und gut,
ihre Anfrage lautete, ob ich ihr die bitte ALLE zusenden möge. ALLE
bedeutet in diesem Fall: etwas über 2.000 Bilder. Einatmen. Ausatmen.
Bin ich Bill Gates? Ada Lovelace? Nein, ich bin eine von Hormonen
gebeutelte mittelalte Frau, die nicht behelligt werden möchte. Unmöglich
kann ich mich durch 65.000 Fotos scrollen, um jene zu finden, die meine
Freundin anscheinend GENAU JETZT am tiefsten Punkt meines Lebens (Monats)
so dringend braucht. Werde ich es dennoch tun? Ja! Denn, auch wenn ich es
gerade nicht glauben kann, so möchte ich auch in sieben Tagen noch
Freund*innen haben.
Allmonatlich wird meine Lutealphase von den Überlegungen begleitet, mein
Social Media (Twitter, [2][Bluesky], Instagram) zu deaktivieren und meine
Messenger zu löschen. Mach ich natürlich nicht. Aus dem einfachen Grund,
dass ich dann erneut durchdrehen würde. Diesmal wegen FOMO (fear of missing
out). Denn so gar nicht einbezogen werden, das wäre noch grauslicher, als
in der Lutealphase 2.000 Fotos rauszusuchen.
## Kein Verbrechen zu schäbig
Außerdem, und das wäre das Schlimmste überhaupt, was, wenn nach
Deaktivierung nicht mal ein Brief in meinem Briefkasten landet? Ein
Kärtlein wenigstens. Dann hätte ich ihn. Den endgültigen Beweis dafür, dass
sie alle, alle, alle, nur auf meinen Rückzug aus dem sozialen Leben gehofft
hatten. In der Woche, bevor das Blut gelaufen kommt, traue ich allen alles
zu. Kein Verbrechen zu schäbig, kein Gedanke zu düster. Glauben sie mir,
ist nicht klar, dass sie nur darauf lauern mich loszuwerden?
„Liebe*r … ich möchte nicht länger stören, eine derartige Belastung wie
mich sollte niemand in seinem Leben haben. Ich werde meine Accounts und
Messenger nun löschen und mir auch eine neue Mail-Adresse zulegen,
jeglicher Kontaktversuch wird zwecklos sein.“
Hmmm, soll ich wirklich? Es ist ein drastischer, aber durchaus angemessener
Schritt. Denn wenn meine Vermutung stimmt, tue ich meinen Mitmenschen sogar
einen Gefallen, ich vollziehe also einen Akt der [3][Nächstenliebe]. So bin
ich nämlich, sogar noch sieben Tage vor Blut.
1 Nov 2023
## LINKS
[1] /Politisierung-der-Wechseljahre/!5910975
[2] /Neue-Plattform-Bluesky/!5962148
[3] /Konzept-der-Naechstenliebe/!5733860
## AUTOREN
Sarah Lorenz
## TAGS
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Altern
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