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# taz.de -- Menopause der Frau: Kulturelle Unterschiede
> Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Asiatinnen haben kaum
> Wechseljahresbeschwerden. Studien zeigen jedoch, dass das so nicht
> stimmt.
Bild: Auch aus Rotklee (Trifolium pratense) werden Präparate gegen Wechseljahr…
Es ist wohl ein Vorurteil: „In Europa besteht die Auffassung, dass Frauen
in Asien [1][Wechseljahresbeschwerden] nicht kennen. Forschungsergebnisse
belegen allerdings, dass fast die gesamte weibliche Bevölkerung von
Wechseljahresbeschwerden betroffen ist, einschließlich asiatischer
Frauen.“ Das sagt Dae-Ok Kim. Der südkoreanische Arzt und
Wissenschaftler lehrt in der Abteilung für Ernährungswissenschaften und
Biotechnologie an der Kyung Hee University in Yongin.
„Aufgrund der Annahme, dass asiatische Frauen viel Soja konsumieren,
besteht auch die Auffassung, dass durch die Einnahme von [2][Isoflavonen
aus Soja] keine Wechseljahresbeschwerden verursacht werden“, ergänzt der
53-Jährige, der auf Statistiken verweist, die zeigen, dass sich
Sojabohnenproduktion und -verbrauch nicht nach Ländern oder Regionen
unterscheiden: „Angesichts der Tatsache, dass Isoflavone in einer Vielzahl
von Nahrungsquellen enthalten sind, nicht nur in Sojabohnen, kann diese
Behauptung als unbegründet betrachtet werden.“
[3][Ein aktueller Überblick des US-Landwirtschaftsministeriums]
beispielsweise gibt an, dass in China in den vergangenen 12 Monaten rund
76,5 Millionen Tonnen Soja konsumiert wurden, in den USA 34,7 Millionen
Tonnen. In den Vereinigten Staaten leben knapp 320 Millionen Menschen, in
China 1,4 Milliarden.
In Südkorea, so Kim, greift die weibliche Bevölkerung mittleren Alters vor
allem auf den Wirkstoffmix EstroG100 zurück. Ungefähr 90 Prozent des
Wechseljahresmarkts dort gingen auf den Extrakt aus den Wurzeln der drei
Pflanzen Cynanchum wilfordii (Seidenpflanze), Phlomis umbrosa (Brandkraut)
sowie Angelica gigas Nakai (Roter Engelwurz) zurück. Das hormonfreie
Präparat habe in drei klinischen Studien „durchweg eine signifikante
Verbesserung“ der Beschwerden gezeigt, betont der Mediziner.
Dass das rein pflanzlich basierte Mittel in Korea solch einen Absatz
findet, mag nicht nur an der über 300-jährigen Erfahrung dort mit den
phytobasierten Anwendungen liegen, denn Hormonersatztherapien, die im
Westen oft zum Einsatz kommen, seien in Asien umstritten. „Sie verursacht
schwerwiegende Nebenwirkungen, da sie direkt auf weibliche Hormonrezeptoren
wirkt, was in direktem Zusammenhang mit Krebs und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen steht“, fasst der Wissenschaftler
die gängige Kritik zusammen.
In diesem Zusammenhang sieht er auch den Einsatz von Pflanzenstoffen mit
Hormonwirkung, sogenannte Isoflavone, kritisch. Vor allem Frauen, die an
einem hormonabhängigen Brust- oder Gebärmutterkrebs erkrankt sind oder
waren, sollten ohne Rücksprache mit ihrem Arzt auf keinen Fall
isoflavonhaltige Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen.
## Kaum Studien zu pflanzlichen Mitteln
Die weibliche [4][Menopause] jedenfalls, so Kim weiter, sei eine natürliche
Erscheinung, die zwangsläufig bei allen Frauen auftritt, wenn sich die
Hormonbildung verringert: „Unabhängig von biologischen, ethnischen und
kulturellen Unterschieden zeigen sich verschiedene
Wechseljahresbeschwerden.“ Allerdings: Die individuellen Symptome und das
Empfinden darüber variieren von Land zu Land, und man nimmt an, dass das
auf kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern zurückzuführen ist, in
denen einzelne Symptome als Wechseljahre akzeptiert werden.
Dass pflanzliche Mittel bei Wechseljahresbeschwerden eine große Hilfe sein
können, davon ist auch das Vorstandsmitglied der Gesellschaft für
Phytotherapie Heidi Braunewell überzeugt.
Sie bedauert, dass es kaum neuere Studien zur Wirksamkeit pflanzlicher
Mittel gibt. „Der Gesetzgeber hat hohe Hürden errichtet, um pflanzliche
Mittel zuzulassen. Diese Studien verursachen hohe Kosten, die über den
Verkauf nicht amortisiert werden, denn die Krankenkassen bezahlen
Phytopharmaka bis auf wenige Ausnahmen nicht.“ Grundsätzlich sind Studien
für alle Hersteller von Medikamenten aufwendig, kostspielig und langwierig.
Mehr als 13 Jahre dauert es meist von der Idee für eine neue Behandlung bis
zum zugelassenen Medikament.
Pharmahersteller erreichten allerdings, so die Dozentin und
Phytotherapeutin weiter, mit dem Vertrieb von chemischen Substanzen eine
höhere Gewinnspanne. Der Bereich der Arzneipflanzen werde in der
Gesetzgebung nicht adäquat abgebildet: „Man benötigt hier beispielsweise
andere Studiendesigns, weil es in diesem Bereich meistens um
Stoffgemische geht und nicht um Einzelstoffe.“
Phytobasierte Anwendungen jedenfalls sind meistens als frei verkäufliche
Mittel in Reformhäusern, Apotheken oder Drogerien als
Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Aus Sicht des Vorstands der Gesellschaft für Phytotherapie seien
phytobasierte Mittel immer besser als Pharmamittel. Auch sie warnt mit
Blick auf Wechseljahresbeschwerden vor dem Einsatz von Hormontherapien,
etwa wegen des Herzinfarktrisikos. Aber, so Braunewell: „Bei sehr starken
Symptomen ersetzen phytobasierte Anwendungen solche Therapien nicht.“
Braunewell bestätigt ebenfalls die gesellschaftliche Abhängigkeit, was die
Art der Wechseljahresbeschwerden in einer jeweiligen Kultur angeht, die
abhängig ist von der Frage, wie Position sowie Image älterer Frauen
definiert sind.
## Transkulturelle Studie
Mit Blick auf diesen Zusammenhang untersuchten 2007 die beiden
Wissenschaftler*innen Theda Borde, Professorin für Sozialmedizin an
der Berliner Alice Salomon Hochschule (ASH), und Matthias David, Professor
an der Klinik für Gynäkologie der Charité, Campus Virchow-Klinikum, wie das
Empfinden und Erleben der Wechseljahre durch biologische,
soziodemografische und psychosoziale Faktoren beeinflusst wird. [5][In
einer transkulturellen Studie] wurden einheimische deutsche Frauen sowie
Migrantinnen aus der Türkei und asiatischen Ländern befragt.
„Bei der Auswertung ergab sich ein ähnliches Symptomspektrum, bei der
Gewichtung der Symptome und in der Kommunikation darüber zeichneten sich
jedoch kulturspezifische Unterschiede ab“, heißt es in dem entsprechenden
wissenschaftlichen Beitrag.
Deutlich mehr Raum als in den Antworten des standardisierten Fragebogens
hätten in dem qualitativen Studienteil in allen Vergleichsgruppen
Veränderungen in der Sexualität und hier vor allem die Thematisierung der
Verminderung des sexuellen Interesses eingenommen: „Anhand der qualitativen
Vertiefung konnten neue Erkenntnisse für das Verständnis sozialer und
kultureller Faktoren auf das Erleben der Wechseljahre gewonnen werden, die
für Beratungsgespräche mit Frauen unterschiedlicher soziokultureller
Herkunft eine wichtige Grundlage bieten.“
Bei der Wahrnehmung der Beschwerden hätten sich die Asiatinnen demnach
als die „tapfersten“ erwiesen. Sie nannten weniger körperlich-vegetative
Symptome als deutsche und türkische Frauen. In allen drei Studiengruppen
gab es jedenfalls keine signifikanten Unterschiede in der angegebenen
Schwere der Symptome.
Unabhängig von Menopausenstatus und Nationalität haben die meisten
befragten Frauen weder in den Wechseljahren noch danach eine
Hormonersatztherapie in Anspruch genommen. Bisher waren Migrantinnen in
vergleichbaren Studien nicht einbezogen worden.
21 Sep 2021
## LINKS
[1] /Wechseljahre-Serie-von-Doris-Doerrie/!5144807
[2] /Soja-in-der-Babynahrung/!5530981
[3] https://downloads.usda.library.cornell.edu/usda-esmis/files/tx31qh68h/b5645…
[4] /Schlagloch-Das-Menopausen-Tabu/!5074659
[5] https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/wahrnehmung-der-wechseljahre-is…
## AUTOREN
Wilfried Urbe
## TAGS
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Kolumne Beim Friseur
Andropause
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