# taz.de -- Wechseljahre-Serie von Doris Dörrie: Gefangene des Klimakteriums | |
> Vaginalstraffung, Hormonyoga, Schweißattacken. Und doch beste | |
> Unterhaltung: Doris Dörries "Klimawechsel"-Serie über die Zeit der | |
> Wechseljahre. (Mi, 20.15 Uhr, ZDF) | |
Bild: Besonderen Schülerinnen wie Dr. Bach (Maren Kroymann) lässt Yoga-Traine… | |
Die Frau Mitte, Ende 40 ist zutiefst verunsichert, sie wacht in einer | |
Schweißpfütze auf, wird stetig dicker, versagt völlig im Beruf, hat | |
panische Angst vor dem Altern und greift neben Botox auch zur | |
Vaginalstraffung. | |
So sieht das Bild der reifen Frau aus. Ab heute. Dank der sechsteiligen | |
ZDF-Miniserie "Klimawechsel". Will das jemand sehen? Eigentlich nicht. Aber | |
man sollte. Und man muss, denn verschont wird der Zuschauer, der | |
dranbleibt, hier nicht. | |
Bislang nahm sich die Frau Mitte, Ende 40 gerade einen jugendlichen | |
Liebhaber, schickte den alten Gatten von dannen, hatte in jedem Fall | |
unglaublich erfüllenden Sex und endlich die Gelegenheit, in ihrem Traumjob | |
einzusteigen, gern auch in Afrika. Die Frau Mitte, Ende 40 sah aus wie | |
Christine Neubauer und fühlte sich wahnsinnig wohl in ihrem Vollweibkörper. | |
Jetzt aber: Menopause, Wechseljahre, schon die Begriffe klingen wenig | |
wohlig, am wenigsten "Klimakterium", das bereits suggeriert, dass die | |
Patientin unbedingt hinter Glas isoliert gehalten werden sollte. Und so war | |
das bislang auch. Im Fernsehen ging es über ein angedeutetes "Puh, ist mir | |
heiß" kaum hinaus. | |
## | |
Man kann es also nicht anders als mutig nennen, was sich das ZDF da traut | |
mit der Serie, die heute in einer Doppelfolge und ab morgen donnerstags um | |
21 Uhr ausgestrahlt wird. Und als fürchte man sich da beim Sender selbst, | |
wird "Klimawechsel" beworben mit "Sex and the City im Klimakterium". Das | |
ist ebenso doof wie falsch. Denn glamourös und stylish ist das hier nicht. | |
Es ist derb, herb, heftig, ehrlich, verschroben. Und Satire. Und gut! Doris | |
Dörrie hat gemeinsam mit Ruth Stadler das Drehbuch der sechs Folgen | |
geschrieben und bei der Doppelfolge Regie geführt, und allein das | |
garantiert, dass hier nichts beschönigt wird. | |
Das Einzige, was die Serie mit "Sex and the City" gemein hat, ist, dass es | |
um vier Frauen geht. Vier Lehrerinnen. Alle sind sie Mitte, Ende 40 oder | |
drüber, sie kämpfen mit ihren Schülern, der Liebe, dem eigenen Körper. Da | |
ist die Kunstlehrerin Desirée (Andrea Sawatzki), die so viel lieber | |
Künstlerin wäre, aber es fehlt an Talent - und an Zeit, denn da ist das | |
fünf Monate alte Baby Lakshmi, und ihr Freund, der Ronnie, verführt lieber | |
die Damen beim Hormonyoga. Biologielehrerin Cornelia (Juliane Köhler) hat | |
panische Angst vor ihren Schülern, versenkt den Kopf zum Stressabbau gern | |
in ihrer Aktentasche und füttert ihren Therapeuten mit Pralinen, bis sie | |
einem ihrer Schüler nahekommt. Mathelehrerin Beate (Ulrike Kriener) ist die | |
Domina der Schule, schreit lieber, als zu reden, kämpft zu Hause mit der | |
Teenietochter und dem lethargischen Mann und hätte zu gern Sex wie mit 20 | |
und den Körper dazu. Von beidem ist auch Deutschlehrerin Angelika (Maria | |
Happel) weit entfernt. Sie wird immer dicker, ihr Mann zwingt sie zum | |
Squash und zur Diät und treibt sie damit in die Arme des kuscheligen | |
Kollegen mit Sinn für Liebeslyrik. | |
Wie diese Frauen vor oder im Klimakterium umherirren, das ist überdrastisch | |
dargestellt, verzweifelt, traurig, zum Lachen und Weinen, keiner kommt hier | |
gut weg, die Männer am wenigsten. Die Wechseljahre seien eine Zeit des | |
Wandels, des Sichfindens, kann man in Ratgeberliteratur lesen. Aber erst | |
mal wird sich hier kräftig selbst verloren. | |
Gott, wird es wirklich so schlimm? Maren Kroymann, gerade 60 geworden, | |
nickt: "Ab einem bestimmten Zeitpunkt kommen so Zipperlein - Herzrasen, | |
Schwitzen, Schlafstörungen, man sieht schlechter, die Gelenke werden | |
anfälliger, ach Gott, lässt jetzt auch noch das Gedächtnis nach? Ist das | |
Stress, normales Altern, oder sind es etwa die Wechseljahre?" Kroymann | |
spielt die Gynäkologin Evelyn Bach, die den Serienheldinnen auch mal Botox | |
spritzt oder eine ordentliche Portion Hormone. | |
Und wie hat sie ihre Wechseljahre in den Griff gekriegt? "Ich lass | |
bestimmte Nahrungsmittel weg, bewege mich regelmäßig, entspanne mich | |
konzentriert. Und danach wird es viel schöner. Ich fühle mich befreit, bin | |
mit meinem Körper im Reinen und finde, es hat große Vorteile: Man kriegt | |
keine fiesen Pickel mehr, kann ohne OBs reisen." Sie fühle sich jetzt mit | |
60 sogar ein bisschen so wie mit 16: "Ich kleide mich lustigerweise auch so | |
wie damals, trage gerne kürzere Röcke, Stiefel und Rucksack." Und die gute | |
Nachricht sei: "Das Geistig-Intellektuelle nimmt zu, das Urteilsvermögen | |
und auch die Großzügigkeit und die Gelassenheit. Ich verzeihe mir selbst | |
viel mehr und mache mir den Leistungsdruck nicht mehr. Das hilft sehr beim | |
Glücklichsein." | |
Die vier Frauen in der Serie sind davon allerdings noch weit entfernt. | |
Beate, die sich mit Olivenöl, auf jeden Fall toskanisches, gegen | |
Scheidentrockenheit behilft und sich vom sächsischen Liebhaber sagen lassen | |
muss, sie sei etwas "schlatterig" da unten; Cornelia, die sich vor dem | |
Klassenraum ohrfeigt und anherrscht: "Du gehst da jetzt rein, ich befehle | |
es dir als dein Vater" und kurz danach einen ungespielten | |
Harry-und-Sally-Orgasmus in ihre Aktentasche keucht, verpasst von einem, | |
der ihr Sohn sein könnte. Und Desirée, die aus Plastikflaschen Kunst im | |
Stil afrikanischer Masken macht und dafür nur ausgelacht wird, die als | |
Mutter heillos überfordert ist und als Frau immer mehr zu verschwinden | |
scheint. | |
Andrea Sawatzki, 47, spielt diese Desirée, mit ungewohnt derbem bayerischen | |
Dialekt, selbst im Moment größten Versagens noch überaus liebevoll - und | |
das gilt bei aller Drastik für all die Figuren, all die Schauspieler, es | |
ist traurig, böse, aber nie denunzierend. "Wir Frauen spielen das so, wie | |
es ist, oder in Vorahnung, wie es werden könnte", sagt Sawatzki. Und für | |
ihre Figur habe sie viel aus sich selbst nehmen können: "Die Verzweiflung, | |
wenn die Kunst nicht anerkannt wird, das Überfordert- und Müdefühlen, und | |
dass man Liebe nicht weitergeben kann, wenn man sich selbst nicht liebt, | |
das konnte ich sehr gut nachvollziehen." | |
## | |
Ungewöhnlich nah seien die Schauspielerinnen sich beim Drehen gekommen: "Es | |
gab sehr schöne Gespräche über die Beziehung zu unseren Müttern, zu den | |
Kindern. Mit so vielen unterschiedlichen Frauen so gut zu reden bis tief in | |
die Nacht, so etwas habe ich bei Dreharbeiten noch nie erlebt, weil da oft | |
Konkurrenz herrscht. Da geht es oft ums Aussehen. Aber in dieser Serie | |
sehen alle ein bisschen seltsam aus." | |
Dass Frauen auch mal einfach so unattraktiv sein - und es bleiben dürfen, | |
dass sie schonungslos mit all ihren Ängsten dargestellt werden, wird das | |
den Rosamunde-Pilcher-sozialisierten ZDF-Zuschauer nicht überfordern? "Es | |
mag Zuschauer geben, die damit ein Problem haben. Aber es wäre ja ganz | |
irrsinnig, daraus zu schließen, es gar nicht zu versuchen", sagt Maren | |
Kroymann: "Die Amis und die Briten machen es vor, wir hinken hoffnungslos | |
hinterher. Die Serie findet endlich den Anschluss." Man müsse den Leuten | |
die Chance geben, sich daran zu gewöhnen, ist Kroymann überzeugt. Sonst | |
werde es auf ewig nur die harmlosen Schmunzelkomödiensachen geben, die | |
keinem wehtun. Das sei der Tod der Komik. Und es unterschätze die Frauen. | |
"Themen, die Frauen betreffen, werden gern als Frauenthemen gebrandmarkt. | |
Warum eigentlich? Wir sind doch mehr als 50 Prozent der Bevölkerung!", sagt | |
Maren Kroymann. Ihre Erklärung dafür: "Die Programmentscheider sind | |
meistens Männer. Und die scheinen das Interesse an Frauen zu verlieren, die | |
nicht mehr als Sexualpartnerin infrage kommen, auf die sie ihre erotischen | |
Fantasien nicht mehr projizieren können, die also nicht mehr jung und | |
knackig sind. Das, was sie von Frauen wollen, scheinen sie nicht mehr zu | |
kriegen. Natürlich ist das falsch, man hat ja Sex und sexuelle Gefühle in | |
und vor allem auch nach den Wechseljahren." | |
Nicht nur, was die Frauen mit sich selbst auszumachen haben, wird in der | |
Serie so erhellend gezeigt, auch das Verhältnis von Frauen untereinander, | |
das nicht selten von Missgunst und Boshaftigkeit geprägt ist. Auf den Punkt | |
bringt das ein Ausruf der Schulleiterin Mitte 30 (Sophie von Kessel): "Ich | |
kann diese Geschichten weiblicher Überforderung nicht mehr hören!" | |
Und die Männer? Reagieren sportlich und/oder sexuell hyperaktiv bzw. sind | |
auf dem Sofa schon dahingeschieden wie Beates Mann. Er: "Warum willst du | |
dich unbedingt jung fühlen?" Es könne doch eh niemand was ändern am | |
Älterwerden. Sie: "Aber es tut so weh!" Er: "Nur wenn man darüber | |
nachdenkt." | |
Für Andrea Sawatzki ist die Serie trotz aller Altersbeschwerden sehr | |
tröstlich, weil sie zeige: "Es kommt darauf an, was man in sich gesammelt | |
hat. Wenn das Innere stimmt, ist es eigentlich unwesentlich, wie sich das | |
Äußere verändert." Und wenn die Quoten stimmen, ist ein Kinofilm geplant - | |
über Frauen Mitte, Ende 40 und was sie so machen. | |
Erste Folge am Mittwoch, 7.4., 20.15 Uhr, ZDF | |
7 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Daniela Zinser | |
Daniela Zinser | |
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