# taz.de -- Schlagloch Das Menopausen-Tabu: Bye-bye, Fruchtbarkeit | |
> Gebärtmutterentfernung? Hitzewallungen? Ist mit 40 das Leben schon fast | |
> vorbei? Die Wechseljahre der Frau sind noch immer ein Tabu. Warum nur? | |
Bild: Wechseljahre als Kunstwerk: „Menopause Barbie“ von Dorothy Palanza un… | |
Als ich mit sechzehn Jahren zum ersten Mal die Frankfurter Buchmesse | |
besuchte, stieß ich auf den Stand eines feministischen Kleinverlags. In | |
seinem Regal stand ein Büchlein mit dem Titel „Das Menstruationstabu“. Ich | |
stapfte drauflos und fragte, was das sei. Die Frauen am Stand erklärten es | |
mir, ich staunte. Ja, seither weiß ich, was mit „Menstruationstabu“ gemeint | |
ist. Aber was mir erst neuerdings aufging: Wir haben auch ein | |
Menopausen-Tabu. | |
Zum Beispiel schaute ich die amerikanische Serie „L-Word“ an, über eine | |
Clique Lesben in L. A. Manchmal gehen sie einem etwas auf die Nerven, denn | |
sie sind natürlich alle wunderschön und très chic. Dennoch ist es eine | |
ungewöhnlich gute Serie, die mit feministischem Blick Liebe, Beruf, Familie | |
sowie das gesamte Spektrum weiblicher Sexualität unverblümt thematisiert | |
hat. Sexakte in allen möglichen Formen, Symbiose und Untreue, | |
Transidentität und Bisexualität, Obsessionen, Umschnalldildos und weibliche | |
Ejakulation – diese Serie lässt wirklich nichts aus. | |
Doch dann kommt Anfang der dritten Staffel eine der Frauen in die | |
Wechseljahre. Ob dieser Nachricht schaut die Runde ihrer jüngeren | |
Freundinnen, die eben noch Dutzende fantasievoller Namen für weibliche | |
Geschlechtsteile in die Runde geworfen hat, betroffen. Die Ärmste. Alt | |
werden. Dann rappeln sich die Freundinnen auf und sehen auch das Gute | |
darin: keine Mens mehr, keine Tampons! – Ich dachte, okay, Serienmacher, | |
die Kurve habt ihr gerade noch mal gekriegt. | |
Eine Folge später lernt die Wechselpäusige einen deutlich jüngeren Mann | |
kennen, der sie liebt und ein Musterbeispiel an Einfühlsamkeit und | |
Frauenverstehen ist. Doch als sie ihm sagt, sie sei in den Wechseljahren – | |
da ist er sprachlos, schockiert. | |
Man könnte abwehrend sagen, das seien nun mal „die prüden Amis“? Wechseln | |
wir auf unsere Seite des Ozeans. Auch ich wurde kürzlich mit der Diagnose | |
Wechseljahre konfrontiert. Wegen unregelmäßiger Zyklen suchte ich meinen | |
Frauenarzt auf, einen Professor und Leiter einer gynäkologischen Klinik. Er | |
machte einen Ultraschall, erklärte, er habe nichts gefunden; das sei | |
typisch für Endometriose – und das Beste sei, er würde mir die Gebärmutter | |
herausnehmen. Die Darlegung von Diagnose und Therapievorschlag nahm | |
insgesamt etwa drei Minuten in Anspruch; er meinte allen Ernstes, ich ließe | |
mir aufgrund eines dreiminütigen Gesprächs ein inneres Organ entfernen. | |
## OP-Prämie für Gebärmutterentfernungen | |
Als ich Freundinnen davon erzählte, zeigte sich, dass Frauen Ende 30 | |
offenbar recht großzügig Gebärmutterentfernungen „angeboten“ wurden. Mei… | |
Hausärztin meinte, das liege an irgendeiner OP-Prämie, die die Ärzte dafür | |
bekämen. Ich ging zu einer anderen, jüngeren Frauenärztin. | |
Wem das hier alles ein wenig zu intim ist: Ja, liebe Leser_in, auch für | |
mich ist das ungewohnt, an dieser Stelleüber meine Frauenarztbesuche zu | |
berichten. Aber wie soll man das Thema sonst angehen? Das Menopausentabu | |
sorgt nämlich dafür, dass diese gesamte, etliche Jahre währende Phase im | |
Leben von Frauen in unserer Kultur, in Filmen und Büchern, in Gesprächen | |
und Alltagswissen nahezu unsichtbar ist. | |
Außer dem typischen Stichwort: schwitzen. Woran man die Veränderung sonst | |
noch bemerken kann – und Veränderung kann ja auch gut sein! –, das lernt | |
man erst, wenn man anhand des eigenen Körpers darauf gestoßen wird; das | |
Material, das einem dazu vorliegt, ist vornehmlich das eigene. | |
## Intensiver Stolz | |
Darf ich also erzählen, was ich empfand, als ich mit der Diagnose | |
Wechseljahre aus der zweiten Frauenarztpraxis hinaustrat? Ich empfand einen | |
vagen, aber intensiven Stolz, wie ihn wohl manche Mädchen empfinden, wenn | |
sie zum ersten Mal ihre Tage haben. Nun ist es ja nicht so, dass ich die | |
Jahre der Fruchtbarkeit nicht wertgeschätzt hätte. Wie gesagt, ich hänge an | |
meiner Gebärmutter! Aber irgendwann ist halt Schluss mit der Fruchtbarkeit, | |
in meinem Fall sind keine Kinder daraus entstanden, das ist in Ordnung. | |
Jetzt kommt die nächste Phase des Lebens. Und die beginnt anscheinend bei | |
10 Prozent aller Frauen sogar schon vor 40! Was frau alles nicht weiß. Denn | |
als brave Tochter unserer Ratgebergesellschaft habe ich natürlich gleich im | |
Internet nach Büchern gesucht. Eines erhielt auf Amazon positive | |
Rezensionen. | |
Besonders lobend wurde hervorgehoben, dass dieses Buch einem nicht das | |
Gefühl vermittele, mit der Diagnose Wechseljahre habe man die Ankündigung | |
des eigenen baldigen Todes vernommen. Das gab mir zu denken. Frauen haben | |
heute eine Lebenserwartung von Ende 70 bis über 80. Wie kann da etwas, das | |
meistens so zwischen 40 und 55 beginnt, Ankündigung des nahenden Todes | |
sein? Ein Buch, das einem bloß nicht das Gefühl gibt, gerade kein | |
Todesurteil vernommen zu haben, schien mir immer noch hinreichend | |
bedrückend. | |
## Das mit der Lust bleibt | |
Also sprach ich mit meiner Mutter und vier weiteren Frauen ungefähr ihres | |
Alters. Das ist natürlich keine repräsentative Stichprobe, und die fünf | |
haben anscheinend Glück gehabt; denn irgendwer muss ja die schlimmen | |
Symptome haben, von denen die nicht gänzlich todbringenden Ratgeber | |
handeln. | |
Diese Frauen meinten, vor zwanzig Jahren sei ziemlich viel Wissen zu den | |
Wechseljahren öffentlich ausgetauscht worden, Dank des damals noch | |
lebendigeren Feminismus. Problemen sei man in ihren frauenbewegten Kreisen | |
mit chinesischer Medizin auf den Leib gerückt. | |
Eine von ihnen versicherte mir ungefragt: „Das mit der Lust verändert sich | |
nicht. Hab da bloß mal keine Angst!“ Die Zweite: „Ich hatte ehrlich gesagt | |
gar keine Symptome. Vielleicht weil ich so viel Tofu esse wie die | |
Japanerinnen?“ Die dritte hatte wenigstens das angekündigte Schwitzen: „Ich | |
hatte Hitzewallungen, die fand ich immer sehr ulkig. Wie aus dem Nichts | |
heraus wird dir heiß, du fängst an zu schwitzen. Ich hab mich dann in den | |
Flur gestellt, und mein Mann hat mir mit der Zeitung Luft zugefächelt. Was | |
haben wir da immer gelacht!“ Klingt ja gemischt. Na, ich bin bereit. | |
26 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Hilal Sezgin | |
## TAGS | |
Gebärmutter | |
Geschlechter | |
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