# taz.de -- Weltmenstruationstag am 28. Mai: Ich blute, also bin ich | |
> Etwa zwei Milliarden Menschen menstruieren. „Läuft. Die Ausstellung zur | |
> Menstruation“ zeichnet die Diskurse der letzten Jahrzehnte nach. | |
Bild: Wiederverwendbare Menstruationsprodukte aus mehreren Jahrzehnten zum Umwi… | |
BERLIN taz | „Was ist das wohl für ein merkwürdiges Gerät?“, fragt | |
Kuratorin Jana Wittenzellner in die Runde. Es handelt sich um einen | |
stählernen Kasten in Beige mit einem großen Hebel und je einer Klappe oben | |
und unten, er hängt an der Wand und braucht Strom für seine Dienste. Ein | |
gutes Dutzend Teilnehmerinnen sind im [1][Museum Europäischer Kulturen] bei | |
einer Führung durch [2][„Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“] im | |
Rahmen eines Thementages mit Theater, Talk, Workshop und einer Party aus | |
Anlass des Weltmenstruationstages am 28. Mai dabei – und an dieser Stelle | |
etwas ratlos. | |
Doch Wittenzellner erzählt, dass es sich um einen sogenannten | |
Bindenverbrennungsautomaten handelt. Oben kamen die gebrauchten Binden | |
hinein, sie wurden im Gerät verbrannt, am Ende blieb Asche übrig. Klingt | |
wie aus fernen Zeiten. „Aber“, so sagt Jana Wittenzellner, „der Automat | |
hing tatsächlich bis 2014 in einem süddeutschen Gymnasium. Wie das Ganze | |
roch, wissen wir nicht. Aber das Gerät war wohl laut.“ Jemand hat mit einem | |
Edding „Achtung, ekelhaft!“ auf das Gerät geschrieben. | |
Den Fokus auf die Müllberge zu lenken, die weltweit verwendete | |
Menstruationsprodukte hinterlassen, ist anfangs etwas irritierend. Doch | |
Jana Wittenzellner und Christine Dupont vom Haus der Europäischen | |
Geschichte in Brüssel führen durch die Ausstellung und betonen, dass die | |
Periode „bis vor 140 Jahren eine rein private Frage“ war. Denn erst seit | |
1880 gibt es erste Menstruationsprodukte zu kaufen. So kam 1893 ein | |
Bindengürtel auf den Markt. | |
Was im Umkehrschluss bedeutet: „Früher haben Frauen ihre oft selbst | |
gemachten Hilfsmittel immer wieder gewaschen und immer wieder verwendet.“ | |
Müll kam erst mit der Erfindung von massenhaft und industriell | |
hergestellten Menstruationsprodukten auf – beides ist demnach eng | |
miteinander verknüpft. | |
## Algen zu Tampons | |
Die Ausstellung und mit ihr die Führung gleicht einer Zeitreise von frühen | |
Kleidungsstücken, die umgebunden, festgezogen oder sonst wie oft in | |
mehreren Lagen übereinander angezogen wurden – das lässt sich vor Ort | |
ausprobieren. Die verschiedensten Materialien kamen und kommen zum Einsatz, | |
immer wieder könnte man sagen. Mal wurde mit Moos oder Holzwolle, mal mit | |
Baumwolle oder Watte (wie in der DDR) oder mit Schwämmen und ganz aktuell | |
mit Algen (für Tampons) gearbeitet. | |
Und eben immer wieder [3][Menstruationstassen]: Eine erste | |
wiederverwendbare Variante wurde 1937 patentiert, kam auf den Markt, setzte | |
sich aber nicht durch. 1980 kam die Idee wieder auf, doch diesmal als | |
Wegwerfprodukt. „Acht Stück waren in jeder Packung“, erklärt Jana | |
Wittenzellner. Das hat sich aber auch nicht durchgesetzt. Seit dem Jahr | |
2000 haben die Menstruationstassen aber an Popularität gewonnen. | |
Die Ausstellung ist voller solch spannender Geschichten. Sie sind | |
gesellschaftlich relevant und aktueller denn je, und haben eine politische | |
Komponente. Darauf weist Sofia Botvinnik, ebenfalls Kuratorin der | |
Ausstellung, im Gespräch mit der taz hin. Warum braucht es eine solche | |
Ausstellung? | |
„Warum nicht, lautet da meine Gegenfrage“, erwidert Botvinnik. „Wir sind | |
ein Museum der Alltagskultur und Menstruation ist ein alltägliches Phänomen | |
für die Hälfte der Menschheit. Und der heutige Thementag steht unter dem | |
Motto: Period of Change: Es muss sich was ändern!“ | |
## Menstruationsprodukte ganz umsonst | |
Sofia Botvinnik sieht großen Änderungsbedarf: Rund um die Menstruation gäbe | |
„es viele Diskurse“, die würden in der Ausstellung thematisiert. „So vie… | |
Räume bleiben Menstruierenden verschlossen, so viele Entscheidungen muss | |
man treffen, viel Leid kann dadurch entstehen, es gibt Schmerz und Scham, | |
aber auch Innovation und Einfallsreichtum durch viele Erfinderinnen, die | |
Menstruationsprodukte kreieren,“, erklärt Botvinnik. | |
Ein Beispiel für Letzteres ist die Senkung der Mehrwertsteuer von früher 19 | |
und nun nur noch 7 Prozent für Menstruationsprodukte. Andere Länder wie | |
Schottland sind längst viel weiter, wie Sofia Botvinnik sagt. „Dort gibt es | |
Menstruationsprodukte ganz umsonst in öffentlichen Toiletten wie es ja auch | |
Toilettenpapier umsonst gibt. Genau das wäre auch hierzulande | |
wünschenswert.“ | |
Erstrebenswert wäre auch etwas anderes und das ist an den Berliner Senat | |
adressiert: „In den Schultoiletten, egal ob bei den Jungs oder den Mädchen, | |
in allen, sollte es verschiedene Menstruationsprodukte kostenlos geben.“ | |
Dies erleichtert vielen jungen Frauen den Alltag, wenn sie einmal keinen | |
Tampon zur Hand haben. | |
Die Ausstellung ist bis 6. Oktober 2024 im [4][Museum Europäischer | |
Kulturen], Arnimallee 24, Berlin-Dahlem zu sehen. | |
27 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-europaeischer-kulturen/h… | |
[2] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-europaeischer-kulturen/a… | |
[3] /Stefanie-Wagner-ueber-Menstruation/!5983550 | |
[4] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-europaeischer-kulturen/a… | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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