# taz.de -- Umweltexpertin zu Lichtverschmutzung: „Wir brauchen eine Dunkelpl… | |
> Am Samstagabend ist die „Earth Hour“, die auf Lichtverschmutzung | |
> aufmerksam will. Sibylle Schroer erklärt, was wirklich helfen würde. | |
Bild: Bitte nicht so viel blaues Licht: Nebenstraße in München | |
taz: Frau Schroer, am Samstag ist [1][„Earth Hour“], von Städten bis | |
Privatmenschen sind dann alle dazu aufgerufen, eine Stunde lang das Licht | |
auszuschalten. Bringt das was? | |
Sibylle Schroer: Es bringt etwas, weil es die Aufmerksamkeit darauf lenkt, | |
dass Licht nicht nur positive, sondern auch negative Auswirkungen hat. Wenn | |
wir mit unserem Licht ständig die Nacht zum Tag machen, dann stören wir das | |
Leben um uns herum. Kröten zum Beispiel können sich im Gegensatz zu uns | |
Menschen fast nicht an die Helligkeit gewöhnen. Wenn die nachts in einen | |
Lichtschein geraten, sitzen sie da wie erstarrt. | |
Was würde denn eine messbare, grundsätzliche Veränderungen bringen? | |
Wir brauchen nicht nur eine Licht-, sondern auch eine Dunkelplanung. | |
Momentan ist es so: Die Lichtplanung in Städten oder Kommunen ist dafür | |
zuständig, dass es überall hell genug ist, dass also Straßenkreuzungen und | |
die meisten Wege beleuchtet sind. Was fehlt: Dass wir auch Räume ohne Licht | |
einplanen, wohin sich zum Beispiel Tiere zurückziehen können und nicht in | |
ihrem Biorhythmus gestört werden. Dafür müssen wir auf drei Dinge achten: | |
[2][Wir dürfen nur die Räume beleuchten, wo tatsächlich Licht notwendig | |
ist]. An diesen Orten müssen die Leuchten abgeschirmt sein, das heißt, das | |
Licht soll nur dahin gerichtet sein, wo es gebraucht wird. Wir müssen die | |
Lichtstärke reduzieren. Und wir müssen darauf achten, wärmere Lichtfarben | |
zu verwenden, also eher gelbliche Lichtfarben als kalte, bläuliche. | |
Es gibt einen Interessenkonflikt: Menschen wollen Beleuchtung, wenn sie | |
nachts unterwegs sind. Für die Tierwelt wäre es am besten, auch die | |
Straßenbeleuchtung nachts abzuschalten. Gibt es hier eine Lösung? | |
Eigentlich gibt es da keinen großen Konflikt. Wenn wir nachts in einer | |
Stadt unterwegs sind, kommt es uns oft sehr dunkel vor, obwohl viel Licht | |
um uns herum ist. Das liegt daran, dass wir so viele extrem helle | |
Leuchtpunkte schaffen, Werbetafeln zum Beispiel. Wenn wir aus diesem Licht | |
wieder heraustreten, dann kommt es uns dunkel vor. Das verursacht Angst, | |
weil unsere Augen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen müssen und das | |
dauert ein paar Minuten. Als Fußgängerin kann ich die Gesichter der | |
Entgegenkommenden so erst bei sehr großer Nähe erkennen. Mit weniger Licht | |
würden wir also ein höheres Sicherheitsgefühl schaffen. Weil wir weniger | |
geblendet werden, weil es weniger Schattenwürfe gibt. | |
Also möglichst viel Licht nachts aus? | |
Nein, das nicht. Wir Menschen brauchen Licht, weil wir uns ganz im Dunkel | |
nicht gut orientieren können. Aber wir müssen die Helligkeit insgesamt | |
deutlich begrenzen. | |
Wie stark? | |
Sinnvoll wäre etwa, dass Werbetafeln ab 22 Uhr nur noch eine Leuchtdichte | |
von maximal 1 bis 2 Candela haben dürfen. | |
Was heißt das? | |
Momentan haben wir etwa für Berlin die Regelung, dass Leuchtschilder | |
maximal 100 Candela pro Quadratmeter hell strahlen dürfen. Es wäre also | |
eine deutliche Reduktion. | |
Was würde sich damit ändern? | |
Das Licht wäre deutlich gemütlicher und das Wohlbefinden und | |
Sicherheitsgefühl der Menschen höher. Denn momentan ist es ein Wettbewerb: | |
Beleuchtung, die der Sicherheit dient, etwa bei Wegen oder | |
Straßenschildern, muss immer heller sein als die Werbebeleuchtung. Denn | |
sonst liegen ja die Straßenschilder im Schatten. Übrigens ist auf dem Land | |
Straßenbeleuchtung oft nur ein Zehntel so hell wie in der Stadt, weil es | |
dort diesen Wettbewerb nicht gibt, und das reicht auch. Wenn wir dann | |
gleichzeitig auch die Lichtfarbe optimieren, also den Blaulichtanteil | |
verringern, dann fühlen wir Menschen uns weniger gestresst und schlafen | |
besser. Nicht umsonst wird an Wohlfühlorten wie im Spa immer warmes Licht | |
mit geringem Blauanteil verwendet. | |
Und was würde sich in der dunkleren Stadt [3][für die Tierwelt verändern]? | |
Die Tiere würden ihre Rhythmen für Tag und Nacht und für die Jahreszeiten | |
wiederfinden. Denn beides wird maßgeblich gesteuert durch das Hormon | |
Melatonin, das durch Licht beeinflusst wird. Übrigens auch bei uns | |
Menschen. Zudem bekommen Tiere, die Licht meiden, mehr Lebensräume. Auch | |
die Insekten werden von wärmerem Licht in deutlich geringerem Maße | |
angezogen. | |
Was können Verbraucher:innen selbst tun? | |
Sie sollten sehr genau hinschauen, welche Leuchten sie für den Außenbereich | |
kaufen. Eine warme Lichtfarbe ist wichtig, das sind unter 3.000 Kelvin. Die | |
Lampe sollte nicht nach oben strahlen, sondern einen klar begrenzen | |
Lichtkegel nach unten oder in eine Richtung haben. Dimmbar sollte sie sein, | |
um sie nur so hell einzustellen wie unbedingt nötig. Und eine Zeitschaltuhr | |
ist wichtig, damit das Licht nur dann an ist, wenn es jemand braucht. Diese | |
ganzen Solarlampen, die sich tagsüber aufladen und dann die ganze Nacht | |
hell sind, sind übrigens nicht sonderlich nachhaltig: Sie stören nächtliche | |
Besucher wie Igel oder Amphibien. Wer so etwas kaufen will: bitte nur mit | |
Ausschaltknopf. | |
23 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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