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# taz.de -- taz Talk mit Autor Andreas Schwab: Künstler müssen leiden
> Die Bohème entstand um 1850 in Paris und prägt bis heute künstlerisches
> Leben in Europa. Ein taz Talk über Freiheit, Rausch und Frauen in der
> Bohème.
Bild: Aus dem Band „Szenen aus dem Leben der Bohème“ von Henri Murger (182…
Berlin taz | „Ein Künstler muss in Armut leben und ein bisschen frieren.
Wenn er dann etwas geschaffen hat, lädt er seine Freunde ein und sie
organisiert ein rauschendes Fest.“ So fasst [1][Andreas Schwab das
Lebensgefühl der Bohème] zusammen.
Der Schweizer Historiker, Ausstellungsmacher und Buchautor hat schon sein
zweites Buch über die Bohème verfasst, die um 1850 in Paris entstand und
anschließend in ganz Europa Fuß fasste. Mit dem Titel: „Freiheit, Rausch &
schwarze Katzen – eine Geschichte der Boheme“. Über ebendiese Lebensform,
die die Kunst bis heute prägt, sprach Schwab am [2][4. März im taz Talk]
mit Moderator Jan Feddersen.
Von etablierten Tugendenden der Zeit, wie Streben nach Wohlstand,
Sparsamkeit und der Ehe, wollten Künstler*innen der Bohème laut Schwab
nichts wissen. Sie grenzten sie sich vom Bürgertum ab, deren Doppelmoral
sie verachteten, und machten sich gezielt zu Außenseitern. „Wenn du immer
mit dem Strom mitschwimmst, kommst Du nicht in die Position, ein richtig
gutes Buch zu schreiben“, fasste Schwab die Ansicht der Bohème zusammen.
In seinem Buch zeichnet der Historiker die Lebenswege von Bohémien und
Bohémienne bis 1914 nach. Er bezeichnet sie als „absolute Idealisten, die
sich der Sache opfern.“ Ihr Ziel war ein individualistischer Lebensstil
abseits von gesellschaftlichen Beschränkungen. Dennoch strebten sie nach
Ruhm und Anerkennung ihrer künstlerischen Leistungen, die sie durch
Ausdruck ihrer Selbst hervorbringen wollten.
## Absinth, Opium und die Kunst des Leidens
Dabei suchte die Bohème den Rausch und die Übertretung der Grenzen der
Normalität. Absinth und Opium seien in diesen Kreisen angesagt gewesen,
weil sie als gefährlich galten, so Schwab. Verbreitet sei der Mythos
gewesen, Kunst entstehe nur durch Leiden.
Frauen standen zur Bohème in einem ambivalenten Verhältnis. Einerseits bot
sie ihnen ein Rollenmodell, das nicht den Konventionen der Zeit entsprach.
Als Beispiel nennt Schwab [3][Franziska Gräfin zu Reventlow], die in WGs
wohnte, Dreiecksbeziehungen hatte und ihre Liebhaber frei wählte.
Andererseits hatten Frauen es auch unter Bohemiens schwer, als
Künstlerinnen ernst genommen zu werden und mussten sich aber gegen große
Widerstände durchsetzen, erklärte Schwab. Oft wurden sie auf ihre Rolle als
gute Care-Arbeiterinnen, Musen und Projektionsflächen reduziert.
In seinem Buch hat Schwab versucht, Brücken zur Gegenwart zu schlagen.
Genau wie heute sei das Zeitalter der Bohème von Beschleunigung und
technologischem Wandel geprägt gewesen. Der Trend zur entgrenzten Arbeit
werde zwar in einigen urbanen Milieus weitergelebt, habe sich insgesamt
jedoch nicht durchgesetzt. Auch versuchten manche Künstler*innen
weiterhin durch Provokation aufzufallen. Das gesellschaftliche
Provokationspotential sei jedoch gesunken; mit Polyamorie und Fäkalkunst
lasse sich heutzutage kein Aufschrei mehr generieren.
6 Mar 2024
## LINKS
[1] /Aus-dem-taz-Magazin/!5180668
[2] /!vn5994158/
[3] /Autorin-Franziska-zu-Reventlow/!5177210
## AUTOREN
Quirin Hacker
## TAGS
Künstler
19. Jahrhundert
Frauenrechte
Provokation
taz Talk
Sachbuch
Kunst
wochentaz
Avantgarde
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