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# taz.de -- Verfassungsreferenden in Irland: Das Familienkonzept erweitern
> Bisher hat die traditionelle Rolle der Frau in Irland Verfassungsrang.
> Das sollen zwei Referenden ändern. Falls jemand die Änderungen versteht.
Bild: Irlands Verfassung soll von sexistischen Formulierungen gesäubert werden
Dublin taz | Irlands Verfassung soll von sexistischen Formulierungen
gesäubert werden. Diese Änderung sollen die irischen Wählerinnen und Wähler
auf Vorschlag der Regierung am 8. März durch zwei Referenden absegnen.
Es geht um die beiden Paragrafen, in denen die Familie und die Rolle der
Frau definiert sind. Bisher steht da: Der Staat verpflichtet sich, „die
Institution der Ehe, auf die die Familie gründet, mit besonderer Sorgfalt
zu schützen“. Die vorgeschlagene Verfassungsänderung soll das Konzept der
Familie erweitern, sie soll nicht mehr nur auf der Ehe basieren, sondern
„andere dauerhafte Beziehungen“ umfassen.
## Die Frau als Stütze des Staates
Das ist ziemlich schwammig. Michael McDowell rät deshalb zu einem Nein. Der
frühere Generalstaatsanwalt und stellvertretende Premierminister sagt: „Die
Regierung erklärt, dass es Sache der Gerichte ist, andere dauerhafte
Beziehungen zu definieren. Aber die Gerichte entscheiden nur in Fällen, in
denen es Streitigkeiten gibt. So werden wir aufgefordert, den
Familienbegriff neu zu bestimmen, damit über die Bedeutung in zukünftigen
Fällen vor Gericht entschieden werden kann.“ Das Referendum sei ein
billiger Kunstgriff.
Der andere Paragraf beschäftigt sich [1][mit der Rolle der Frauen]. „Der
Staat erkennt an, dass die Frau durch ihr Leben in der Familie dem Staat
eine Stütze ist, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann“, heißt
es bisher. „Der Staat ist bestrebt, dafür zu sorgen, dass Mütter nicht
durch wirtschaftliche Notwendigkeit gezwungen werden, unter
Vernachlässigung ihrer häuslichen Pflichten zu arbeiten.“
Dieser Artikel soll gestrichen und durch eine geschlechterneutrale
Formulierung ersetzt werden: „Der Staat erkennt an, dass die Fürsorge der
Mitglieder einer Familie füreinander aufgrund der zwischen ihnen
bestehenden Bindungen der Gesellschaft eine Stütze ist, ohne die das
Gemeinwohl nicht erreicht werden kann, und ist bestrebt, diese Fürsorge zu
unterstützen.“
Alle großen Parteien werben für ein Ja. Zunächst traten lediglich
kirchliche Organisationen sowie ein paar konservative Splitterparteien für
ein Nein ein. Doch inzwischen haben auch zwei unabhängige
Menschenrechtsorganisationen Bedenken gegen den Vorschlag geäußert.
## Viel Kritik und wenig Interesse
Die Rechtsberatungsstelle Flac unterstützt den Familienänderungsantrag,
bezeichnete jedoch die Fürsorgeänderungen als „implizit sexistisch“ und a…
potenzielle Beeinträchtigung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die
Bürgerrechtsgruppe „Irish Council for Civil Liberties“ ist der Ansicht,
dass die Änderung „keinen sinnvollen Rechtsschutz für Personen bietet, die
Pflegeleistungen erbringen oder erhalten“.
Noch Anfang Februar wollten 52 Prozent der Befragten zustimmen, nur 15
Prozent nicht. 53 Prozent wussten jedoch kaum, um was es eigentlich geht.
Es ist deshalb mit einer äußerst niedrigen Wahlbeteiligung zu rechnen. Und
neue Umfragen deuten darauf hin, dass die Referenden keine Selbstläufer
sind.
Rechtsanwältin Laura Perrins, die ihren Beruf aufgegeben hat, [2][um sich
um ihre vier Kinder zu kümmern], sagt: „Die Volksabstimmungen sind von
Fehlinformationen umgeben. Die erste Unwahrheit ist, dass die Verfassung
Frauen vorschreibt, dass sie zu Hause bleiben müssen. Das steht da nicht.“
Der Paragraf weise den Frauen keine häusliche Rolle zu, sondern erkenne die
bedeutende Rolle an, die Ehefrauen und Mütter im Haushalt spielen, sagt
sie.
Die Autorin Justine McCarthy ist anderer Meinung: „Für die Frauen, die den
alten Artikel behalten wollen, stellt sich die Frage: Was nützt er den
Frauen, die kein Zuhause haben? Was hat es den Müttern gebracht, [3][die in
Waschhäusern und Heimen eingesperrt waren] und denen ihre Kinder für den
Verkauf ins Ausland gestohlen oder ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung für
Impfstoffversuche verwendet wurden? Die Antwort lautet: absolut nichts.“
Sollten die Verfassungsänderungen verabschiedet werden, wäre das lediglich
ein Anfang. Der Bürgerrat aus 99 zufällig ausgelosten Menschen, der die
Referenden auf den Weg gebracht hat, unterbreitete seinerzeit 45
Empfehlungen für weitere Gleichstellungsmaßnahmen. Es gibt noch viel zu
tun.
7 Mar 2024
## LINKS
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[2] /Spielfilm-ueber-Kindheit-in-Irland/!5969817
[3] /Massengrab-mit-Kinderleichen-in-Irland/!5389272
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Frauenrechte
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