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# taz.de -- Antimuslimischer Rassismus: „Verfälschte Darstellung“
> Medien sollten Muslim*innen sprechen lassen, statt Stereotype zu
> reproduzieren, sagt Elena Kountidou von den Neuen deutschen
> Medienmacher*innen.
Bild: Elena Kountidou, Publizistikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin der…
taz: Frau Kountidou, derzeit ist ein [1][Bericht über Muslimfeindlichkeit],
den das Bundesinnenministerium (BMI) beauftragt hatte, wieder offline,
nachdem der Publizist Henryk M. Broder geklagt hatte. Er sah sich zu
Unrecht im Zusammenhang mit Muslimfeindlichkeit erwähnt.
Elena Kountidou: Ich hoffe, dass das Bundesinnenministerium diesen sehr
wertvollen Bericht bald wieder online stellt. Er wurde nach dem
rechtsextremen Terror von Hanau beauftragt, um das Phänomen von
antimuslimischem Rassismus besser zu verstehen. Von ausgewiesenen
Expert*innen wird das Ausmaß dieser Diskriminierungsform auf 400 Seiten
untersucht, das gab es bis dato nicht.
[2][Die Neuen deutschen Medienmacher*innen] haben den Bericht gelesen
und Vorschläge formuliert, was sich an der Islamberichterstattung in
Deutschland ändern soll. Wieso ist das wichtig?
Gerade in Zeiten von polarisiert geführten Debatten haben
Journalist*innen die Verantwortung, ausgewogen zu berichten und
marginalisierte Gruppen wie Muslim*innen zu Wort kommen zu lassen.
Medienschaffende prägen die Stimmung im Land. Studien zeigen, dass das
Meinungsklima in Deutschland stark von Islamfeindlichkeit und
antimuslimischem Rassismus geprägt ist, was wiederum dazu führt, dass
Muslim*innen gesellschaftliche Ablehnung und sogar Gewalt erfahren.
Sie sprechen von stereotypen Markierungen, die Muslim*innen in Medien
erfahren. Wie sehen die zum Beispiel aus?
Medienschaffende verfallen immer wieder in dieselben ausgrenzenden und
pauschalisierenden Dynamiken. Die Straßenbeleuchtung zum Ramadan war ein
gutes Beispiel dafür, wie schnell ein Symbol für ein friedliches
Miteinander zur großen Gesellschaftsdebatte gemacht wurde. Ein Klassiker
ist: 72 Prozent der muslimischen Frauen in Deutschland tragen kein
Kopftuch. Trotzdem wird muslimisches Leben meist mit einer Frau mit
Kopftuch von hinten bebildert. Das ist eine verfälschte und
stereotypisierende Darstellung.
Was bedeutet das?
Muslim*innen werden oft fremd und anders dargestellt, als würden sie
nicht zu unserer Gesellschaft dazugehören. Das ist eine Form des
sogenannten Otherings. Das hat gesamtgesellschaftliche Konsequenzen. Es
leben fast sechs Millionen Muslim*innen in unserem Land, wir müssen
aufpassen, dass sie nicht als kollektives Fremd- oder Feindbild stilisiert
werden – das ist etwas, das vor allem Rechtsextreme vorantreiben und worauf
vor allem Medienschaffende achten müssen.
Die Neuen deutschen Medienmacher*innen glauben, dass „mehr personelle
Vielfalt“ in Redaktionen ein Mittel gegen Fremddarstellung sein könnte. Wie
kann diese Vielfalt gelingen?
Vielfalt muss in der Führungsetage gewollt sein. Daran arbeiten wir als
Neue deutsche Medienmacher*innen seit 15 Jahren und wir sehen auch,
dass viel passiert. Trotzdem ist der durchschnittliche Redakteur in
Deutschland immer noch ein 45-jähriger Mann ohne Einwanderungsgeschichte
und mit Hochschulabschluss. Seine Perspektive ist dann auch in der
Medienberichterstattung abgebildet. Hier empfehlen wir unterschiedliche
Maßnahmen: inklusive Redaktionskultur, dass Beförderungen an
Diversitätskriterien geknüpft sind, Diversity Monitoring sowie
rassismuskritische Fort- und Weiterbildungen. Auch wegen des
wirtschaftlichen Drucks auf Verlage ist Vielfalt wichtig: Wenn sich
Menschen nicht in der Berichterstattung wiederfinden, dann werden sie auch
nicht dazu tendieren, diese Medien zu konsumieren.
Sie kritisieren auch, dass Journalist*innen Polizeimeldungen häufig
nicht genug hinterfragen, dabei seien rassistische Einstellungen in der
Polizei keine Einzelfälle. Können Sie das belegen?
Eine Studie der Uni Duisburg-Essen zeigt, dass rassistische Einstellungen
[3][unter Polizist*innen keine Einzelfälle sind]. Klassische Aufgaben
des Qualitätsjournalismus sind recherchieren, hinterfragen und
kontextualisieren. Das gilt auch für Pressemitteilungen von
Sicherheitsbehörden wie im Falle des Anschlags in Hanau.
Ist der vom Bundesministerium des Innern beauftragte Bericht ein Zeichen
dafür, dass Muslimfeindlichkeit in Deutschland ernst genommen wird?
Es ist ein wichtiger Anfang, aber das Thema bekommt noch nicht die
Aufmerksamkeit, die es verdient. Laut diesem Bericht stimmt jeder zweite
Deutsche muslimfeindlichen Aussagen zu. Das ist sehr beunruhigend. Ich
würde mir wünschen, dass wir gesamtgesellschaftlich in Deutschland das
Thema stärker in den Fokus nehmen. Nur so können wir nachhaltig
antimuslimischen Rassismus bekämpfen.
22 Mar 2024
## LINKS
[1] /Expertenkreis-Muslimfeindlichkeit/!5998218
[2] /Studie-zu-Diversitaet-im-Journalismus/!5684506
[3] https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00075438
## AUTOREN
Livio Koppe
## TAGS
Neue deutsche Medienmacher
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Medienkritik
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Ägypten
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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