| # taz.de -- Verein "Neue Deutsche Medienmacher": Türken, die würken | |
| > Der Verein "Neue deutsche Medienmacher" will die multiethnische | |
| > Gesellschaft endlich in den Alltag deutscher Redaktionen bringen. | |
| Bild: Die Medienmacher wollen "die multiethnische Gesellschaft" in den Redaktio… | |
| "Wir heißen halt nicht alle Steffi Meier", sagt Rana Göroglu, "aber wir | |
| sind Deutsche und Teil dieser Gesellschaft." Deshalb ist Göroglu, die als | |
| freie Journalistin in Berlin arbeitet, bei den "Neuen deutschen | |
| Medienmachern". Ziel des Vereins ist es, die multiethnische Gesellschaft in | |
| deutsche Redaktionen zu bringen. Das ist auch nötig: "Jeder fünfte | |
| Einwohner hat einen so genannten Migrationshintergrund, aber nur jeder 50. | |
| Journalist", sagt Göroglu. | |
| Gegründet wurde der Verein vor einem Monat von Marjan Parvand. Zunächst gab | |
| es nur fünf Mitglieder, aber es werden immer mehr: "Gut 200 Menschen haben | |
| Interesse an einer Mitgliedschaft geäußert", sagt Parvand, die im Iran | |
| aufgewachsen ist und sich "über die klischeebeladene Berichterstattung" | |
| ärgert: "Warum muss ich beim Thema Migration immer die türkische Frau mit | |
| Kopftuch und Einkaufstüten auf Bildern sehen?", fragt die 38-jährige | |
| "Tagesschau"-Redakteurin. Es gebe ja auch iranische Ärzte und türkische | |
| Ingenieure, die kämen aber kaum in den Medien vor. | |
| Auch die Lage in den Redaktionen missfällt den neuen Medienmachern: Kommen | |
| Journalisten aus Einwandererfamilien, werden sie oft nicht nach ihren | |
| Qualifikationen eingesetzt, sondern ausschließlich bei Migrationsthemen. | |
| Kemal Hür kann ein Lied davon singen. Irgendwann sei er nur noch der "Türke | |
| vom Dienst" gewesen, sagt der 40-Jährige, der in den Achtzigerjahren nach | |
| Deutschland kam. "Ich wurde nie gefragt, ob ich überhaupt über Migration | |
| berichten will. Anscheinend reichte mein Name, um als Spezialist zu | |
| gelten", sagt Hür. Und auch Göroglu machte die Erfahrung, in Redaktionen | |
| automatisch als Islam-Expertin abgestempelt zu werden. | |
| Als weitere Aufgabe hat sich der Verein die Nachwuchsförderung auf die | |
| Fahnen geschrieben. Journalismus als Beruf ist in Familien mit | |
| Zuwanderungsgeschichte wenig anerkannt, was mit der negativen | |
| Berichterstattung über Migranten zusammenhängen könnte, vermutet der | |
| Medienwissenschaftler Ulrich Pätzold. Außerdem existiere leider immer noch | |
| das Klischee, Menschen aus Einwandererfamilien seien dem Journalismus | |
| aufgrund mangelnder Sprachkompetenz nicht gewachsen. Dabei brächten gerade | |
| diese Journalisten Potenzial mit: "Sie haben einen anderen Blick. Den | |
| brauchen wir, um unsere eigene Perspektive zu erweitern", so Pätzold. | |
| Der Ruf nach mehr Vielfalt in den Medien ist nicht neu. Im Jahr 2007 lud | |
| Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, mehr als fünfzig | |
| Medienmacher ins Kanzleramt ein. Böhmer plädierte dafür, mehr Migranten an | |
| Redaktionstische und Mikros zu holen. Vor allem die | |
| öffentlichen-rechtlichen Anstalten sahen sich danach in der Pflicht, mehr | |
| Journalisten aus Einwanderfamilien moderieren und kommentieren zu lassen. | |
| Nun, zwei Jahre später, ist das aber trotzdem noch die Ausnahme. Gerade | |
| junge Journalisten mit nichtdeutschen Wurzeln landen häufig in kleineren | |
| Nischenformaten. | |
| Das Ziel, die Vielfalt auch in den Medien zu repräsentieren, ist also noch | |
| lange nicht erreicht. "Wir haben zwar inzwischen einen türkischen | |
| "Tatort"-Kommisar, das ist gut, reicht aber noch nicht", sagt Göroglu. Die | |
| "Neuen Deutschen Medienmacher" wollen den Prozess kritisch und konstruktiv | |
| begleiten. Protegiert werden wollten sie aber nicht, "das haben wir gar | |
| nicht nötig", betont Parvand. "Daher brauchen wir auch keine Quote." Ihre | |
| Forderung: Journalisten mit Migrationshintergrund müssten noch mehr in den | |
| Mainstream. | |
| 11 Feb 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Enrico Ippolito | |
| Enrico Ippolito | |
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