| # taz.de -- Berlin-Techno in Unesco-Liste: Rave mit Gütesiegel | |
| > Techno in Berlin gehört nun zum bundesweiten „immateriellen Kulturerbe“ | |
| > der Unesco. Dabei geht es aber weniger um Kultur und mehr um Marketing. | |
| Bild: Ursprung des Mythos und von Dr. Mottes Geschäft: Loveparade in Berlin in… | |
| Aufnahmejahr: 2024; Verbreitung: Berlin, bundesweit und darüber hinaus; | |
| zentraler Termin: ganzjährig; Bereich: darstellende Künste, | |
| gesellschaftliche Bräuche, Feste und Rituale.“ Die Spielkarte eines | |
| Brauchtumquartetts? Einblendungen für ein TV-Quiz mit Günther Jauch? Aber | |
| nein, die Sammlung von „Fakten“ ist zu finden auf der offiziellen Homepage | |
| der Unesco, in der Sektion „Bundesweites Verzeichnis Immaterielles | |
| Kulturerbe“. | |
| Die Sache ist die: Am Mittwoch kamen neue Einträge dazu. Einer davon, der | |
| nun das Gütesiegel „Unesco Kulturerbe“ bekommen hat, lautet: „Techno in | |
| Berlin“. Bevor wir uns den tieferen Problemen dieser Rubrifizierung widmen, | |
| schweift der Blick an den Rand der Unesco-Homepage, wo neben dem | |
| weiterführenden Link, er dirigiert zur Site der Rave the Planet GmbH, zwei | |
| Namen auftauchen: Matthias Roeingh und Ellen Dosch-Roeingh. | |
| Besser bekannt ist Matthias Roeingh unter dem Künstlernamen Dr. Motte. | |
| Ellen Dosch ist seine Managerin und Ehefrau. Dr. Motte ist Miterfinder des | |
| karnevalistisch geprägten Umzugs „Loveparade“, der schon im letzten | |
| Jahrhundert den Mythos von Berlin als Technohauptstadt etablieren half, was | |
| dann spätestens Ende der 1990er kaputtkommerzialisiert war. Nicht zu | |
| vergessen: 2010 kam es beim gleichnamigen Ableger in Duisburg zu einer | |
| Massenpanik mit 21 Toten und 652 Verletzten. | |
| ## Erstes Missverständnis | |
| Einerseits wird nun klar: Die Unesco-Aktion von Dr. Motte und Co dient vor | |
| allem der PR ihrer Rave the Planet GmbH, die es sich zum Ziel gesetzt hat, | |
| die Loveparade „als jährlichen Feiertag der elektronischen Musikkultur“ | |
| fortzuführen. Und da sind wir beim ersten Missverständnis. | |
| Denn es geht um keinen Feiertag, sondern um knallharte Arbeit im | |
| Eventbusiness, „Work your Body“ ist längst Schlüsselindustrie in Berlin. | |
| Anders als in den 1990ern und dem kreativen Chaos der Nachwendezeit zwingt | |
| die fortschreitende Gentrifizierung der Innenstadtbezirke | |
| Rave-Veranstalter:innen immer weiter raus aus dem Stadtzentrum. | |
| Schlimmer ist die gesellschaftspolitische Botschaft der | |
| Unesco-Entscheidung. [1][Ohne die afroamerikanische Techno- und Housekultur | |
| in den Metropolen Chicago und Detroit], die den elektronischen | |
| Dancefloor-Sound begründet hatte, [2][ohne die queere Clubszene im New York | |
| der 1970er und 1980er], die Ausgehkultur in der Discoepoche eingeleitet | |
| hatte, wäre all das undenkbar, was als „Techno in Berlin“ läuft. | |
| [3][Leider hat der Vatikan ja nicht zeitgleich Disco-DJ Larry Levan | |
| heiliggesprochen], Detroit und Chicago wurde auch nicht das „Weltkulturerbe | |
| House und Techno“ zuerkannt: So bleibt „Techno in Berlin“ ein provinziell… | |
| Rollback in die 1990er. | |
| 15 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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