# taz.de -- Langfristprojekte bei S- und U-Bahn: Der Senat kann auch weitsichtig | |
> Strecken zu beschließen, auf denen erst in Jahrzehnten Züge fahren, wirkt | |
> nicht wie das drängendste unter Berlins Problemen. Das stimmt aber nicht. | |
Bild: Der Bau neuer Schienenverbindungen ist ein Langzeitprojekt. Umso drängen… | |
Für U-Bahn-Verhältnisse ist es schier ein Hochgeschwindigkeits-Projekt des | |
Senats: Falls tatsächlich 2031 die ersten Fahrgäste [1][aus einer | |
verlängerten U-Bahnlinie 3 am Mexikoplatz] in Zehlendorf steigen, ist das | |
im Vergleich zu sonstigen Schienenprojekten kurzfristig. Andere Vorhaben, | |
wie die am Dienstag ins Auge gefasste S-Bahn-Verbindung zwischen | |
Springpfuhl und Grünau, haben da ganz andere Ausmaße. Für Prüfung, Planung | |
und Genehmigung kam Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) | |
zusammengerechnet auf mindestens zehn Jahre. Bis die Schienen liegen, | |
könnte mindestens nochmal so viel Zeit vergehen, so dass der Begriff | |
„Jahrzehnteprojekt“ durchaus angemessen erscheint. | |
Das gilt umso mehr für die vom Senat angestrebten Verlängerungen bei | |
anderen U-Bahn-Linien, [2][etwa der U7], gleich in beide Richtungen. Dort | |
geht es um kilometerlangen Ausbau und nicht wie bei der [3][U3 in | |
Zehlendorf um bloße 800 Meter]. Weil Schreiner selbst für diese Strecke | |
vier Jahre Bauzeit veranschlagt, lässt sich per Dreisatz leicht ausrechnen, | |
dass die fünf Kilometer vom jetzigen U7-Endpunkt in Rudow bis zum BER rund | |
zwei Jahrzehnte dauern würden. [4][Zu Jahresbeginn beklagte der | |
Wirtschaftsverband UVB], dass 29 Kilometer Gleisbau zwischen Cottbus und | |
Lübben zehn oder mehr Jahre dauern würden. | |
Diese Dimensionen können durchaus die Frage aufwerfen: Hat der Senat bei | |
den vielen Problem Berlins – vom Mega-Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt | |
über konkret fehlende Wohnungen und eine suboptimal funktionierende | |
Verwaltung – keine drängenderen Probleme? Das kann einem Autor umso mehr | |
passieren, der in einem Alter ist, das im Senat allein der 59-jährige | |
Bausenator Christian Gaebler und die 62-jährige Innensenatorin Iris | |
Spranger (beide SPD) überschreiten. Da kann man durchaus anzweifeln, selbst | |
noch auf diesen Strecken fahren zu können, und sich fragen: Was nützt mir | |
das? | |
Die Antwort lautet: Es ist sehr wohl ein drängendes Thema – und eine | |
Landesregierung ist in der Pflicht, auch an morgen zu denken. Viel zu lange | |
ist gerade mit Blick auf die langen Zeiträume nichts passiert. Oft gab es | |
den Verweis auf schneller zu bauende Tramlinien, die aber auch nicht gerade | |
massenweise entstanden sind. | |
## Spezielle Politiker-DNA | |
Jedes Jahr aber, in dem sich nichts in Richtung Schienenausbau bewegt, | |
verschiebt den Zeitpunkt der ersten Fahrt auf neuen Gleisen um ein weiteres | |
Jahr in die Zukunft. Und gerade wenn Einigkeit herrscht, dass es ohne neue | |
Verbindungen nicht richtig klappen kann mit Verkehrs- und Energiewende, ist | |
das fatal. | |
Dass eine solche logische Betrachtungsweise nicht immer zum Zuge kam, liegt | |
auch daran, dass zur Politiker-DNA das Denken in Wahlperioden gehört: Wer | |
wiedergewählt werden will (und eine Partei, die das nicht anstrebt, ist in | |
dem Geschäft falsch), muss nach vier oder fünf Jahren etwas vorzuweisen | |
haben. Schienenausbauprojekte aber fallen nicht in die Kategorie „schnell | |
vorzeigbar“. Deshalb gerät, gar nicht mal aus bösem Willen, anderes in den | |
Vordergrund. Und da nicht Zeit für alles ist, fällt manches schlicht weg. | |
Wenn der schwarz-rote Senat nun binnen zwei Wochen gleich zwei Beschlüsse | |
für Langzeitprojekte gefasst hat, ist das eine wohltuende Abkehr vom nur | |
auf die nächste Wahl fixierten Blick. Ja, es gibt aktuelle Probleme zu | |
lösen. Aber in Berlin werden auch in 20, 30 Jahren noch Menschen leben, und | |
mutmaßlich mehr als heute. Für diese Menschen heute keine Vorsorge zu | |
treffen, wäre ein großes Versäumnis – und als Älterer heute nur auf den | |
persönlichen Nutzen zu schauen ein Egoismus, den sich eine Stadt wie Berlin | |
nicht leisten kann. | |
1 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bilanz-der-Berliner-Verkehrsbetriebe/!5988924 | |
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/verkehrsplanung/oeffen… | |
[3] /Bewegung-in-der-Berliner-Verkehrspolitik/!5747267 | |
[4] /Brandenburger-Landtagswahl-2024/!5983021 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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