# taz.de -- Cybersicherheitsexperte zu Taurus-Leak: „Einen Keil in die Nato t… | |
> Zur Diskreditierung Deutschlands sei Russland jedes Mittel recht, sagt | |
> Matthias Schulze. Und erklärt, was passieren muss, um solche Leaks | |
> künftig zu verhindern. | |
Bild: Perfekt inszeniert: Putin in einem Interview beim russischen Staatssender… | |
taz: [1][Russland veröffentlichte ein Gespräch deutscher Bundeswehrspitzen, | |
die sich über den umstrittenen Einsatz des Marschflugkörpers Taurus in der | |
Ukraine unterhielten.] Was bezweckt der russische Präsident Wladimir | |
[2][Putin] mit diesem Leak? | |
Matthias Schulze: Den russischen Geheimdiensten muss der Gewinn des Leaks | |
höher erschienen sein als die Kosten, die damit verbunden sind, nämlich | |
dass man möglicherweise einen nachrichtendienstlichen Zugang verliert. | |
Jetzt gibt es verschiedene Interpretationen: Ziel Nummer eins ist, dass | |
Russland die Lieferung der Taurus-Rakete verhindert. Der zweite Punkt ist, | |
Deutschland nach außen hin zu diskreditieren. Dies ist im Kontext der | |
Diskussionen der letzten Woche um den Einsatz von Bodentruppen zu sehen, | |
[3][die der französische Präsident Emmanuel Macron angestoßen hat] und in | |
der der deutsche Kanzler Olaf Scholz gleich zurückgerudert ist, und auch in | |
der Diskussion darüber, ob es britisches oder französisches Personal in der | |
Ukraine gibt, was die Briten verneint haben. All dies hat eine ganze Menge | |
diplomatischer Verstimmung in der letzten Woche produziert zwischen Berlin, | |
London und Paris. | |
Also ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Taurus-Leaks genau geplant? | |
Das Gespräch der Bundeswehr hat scheinbar am 19. Februar stattgefunden. Das | |
Leak fand jetzt am Freitag statt, also zwei Wochen später. In der Zeit | |
wurde das Material von den Diensten ausgewertet. Und dann wurde das Ganze | |
an Medienkanäle kommuniziert. Das ist eine orchestrierte | |
Informationskampagne. Alle Welt redet darüber, das ist der Effekt. | |
Ist Deutschland ein besonderes Ziel russischer Spionage? | |
Wir sind natürlich wichtig, weil wir einen Großteil der Waffen an die | |
Ukraine liefern. Und wir haben in diesem Jahr Landtagswahlen und das | |
Europäische Parlament wird neu gewählt. Zudem gibt es den innerrussischen | |
Diskurs, dass wir auch Kriegspartei wären, beziehungsweise Russland mit dem | |
Westen im Krieg ist. All dies macht uns interessant. | |
Wie funktioniert eine solche Kampagne? | |
Der russische Terminus technicus ist Informationskrieg und dazu sind alle | |
Mittel von Interesse: soziale Medien, traditionelle Medienpropaganda, | |
Hacks, aber auch Spionage – in diesem Fall geht es darum, dass der Taurus | |
verhindert wird. Das Playbook, nach dem das abläuft, ist aber nicht neu. | |
Wir haben dies bei den US-Wahlen 2016 und bei den Wahlen in Frankreich 2017 | |
schon gesehen. | |
[4][Über zwei Jahre läuft der russische Angriffskrieg auf die Ukraine]. | |
Werden Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe nach wie vor | |
unterschätzt? | |
Von den Sicherheitsbehörden und den Geheimdiensten sicher nicht. Es gibt | |
verschiedene Taskforces und Lagebilder, um sich entsprechend vorzubereiten. | |
Ohnehin überrascht im Kriegskontext so ein Vorgehen aber nicht. | |
Dennoch: Sind Bundeswehr und Geheimdienste schlichtweg schlecht vorbereitet | |
auf solche digitalen Angriffe? | |
Laut Medienberichten hat sich jemand in den WebEx-Call eingewählt. Wenn das | |
stimmen sollte, hätte das bemerkt werden können. Es kann aber auch sein, | |
dass jemand im Nachbarzimmer des Hotels sich in das WLAN eingewählt hat und | |
mitgehört hat oder ein Endgerät gehackt wurde. Verschiedene Varianten sind | |
möglich, daher müssen wir abwarten, was die Untersuchung ergibt. | |
Wen sehen Sie in der Verantwortung? | |
Sicherheit ist eine vielschichtige Aufgabe. Es gibt Richtlinien, wie | |
militärische Kommunikation abgesichert werden muss. Da sind die Behörden | |
gefragt. | |
Die Union fordert bereits einen Untersuchungsausschuss zu den Taurus-Leaks. | |
Spielt die Union damit Putins Spiel? | |
Es ist natürlich die Rolle der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu | |
fordern, aber russische Informationsoperationen nutzen gezielt solche | |
Mechanismen westlicher Demokratien aus. Denn damit kann das Vertrauen in | |
die Regierung beschädigt werden. | |
Wie groß ist der außenpolitische Schaden aus Ihrer Sicht? | |
Noch ist das schwer zu sagen. Die Bundesregierung sollte sich aber jetzt um | |
Schadensbegrenzung bemühen und versuchen, sich gut mit den europäischen | |
Partnerstaaten zu koordinieren. | |
Das Taurus-Leak kam zur Unzeit, in einer Woche, in der der Kanzler | |
Informationen, zum Beispiel zum Einsatz der britischen | |
Storm-Shadow-Marschflugkörper in der Ukraine, ausplauderte. Der ehemalige | |
britische Verteidigungsminister Ben Wallace übt scharfe Kritik an Kanzler | |
Scholz und bezeichnet ihn bei Sicherheitsfragen als falschen Mann im | |
falschen Job. Berechtigt? | |
Die Diskreditierung Deutschlands ist Teil des russischen Playbooks. Es geht | |
darum, einen Keil in die Nato zu treiben. Und dazu ist jedes Mittel recht, | |
wenn es nicht dieser Fall ist, dann wird es der nächste. | |
Welche Forderungen haben Sie ganz konkret an die politisch Verantwortlichen | |
zum verbesserten Schutz der digitalen Sicherheitsarchitektur? | |
Man muss Personal schulen und einfach nutzbare und zugleich sichere | |
Technologien bereitstellen. Aber es gibt keine hundertprozentige | |
Sicherheit, dass es nicht mehr zu solchen Fällen kommt. Zum anderen braucht | |
es gute, proaktive Krisenkommunikations-Teams, um solche Fälle zu | |
entlarven und Desinformationskampagnen nicht auf den Leim zu gehen. Das hat | |
in anderen Ländern Schaden begrenzen können. | |
5 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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