# taz.de -- Cannabis-Freigabe: Legalisierung bleibt Wundertüte | |
> Ab April soll Cannabis entkriminalisiert werden, ab Juli in Social Clubs | |
> verkauft werden dürfen. Berliner Betreiber dämpfen die Erwartungen. | |
Bild: Kaufen ja, kiffen nein: Die Regelungen für Social Clubs sind verworren | |
BERLIN taz | Die Legalisierung von Cannabis, sie soll nun tatsächlich | |
kommen. Und im Keller des Hanf Museums im Nikolaiviertel in Mitte steht in | |
einer Ecke ja auch bereits eine riesige Hanfpflanze, die wunderbare Blüten | |
trägt. Erst bei genauerer Betrachtung stellt man fest: Ach, die ist ja nur | |
aus Plastik. | |
Ab 1. April soll es erlaubt sein, auch als Privatperson gleich drei solcher | |
Pflanzen sogar in echt zu besitzen. Cannabis wird dann im | |
Betäubungsmittelgesetz nicht mehr als verbotene Substanz geführt. Auch der | |
Handel und der Anbau werden damit legal. | |
Ab dem 1. Juli darf man dann zum Eigenbedarf monatlich [1][bis zu 50 Gramm | |
Cannabis erwerben], zumindest wenn man über 18 Jahre alt ist. Möglich sein | |
soll das durch sogenannte Cannabis Social Clubs. Das sind Vereine, die bis | |
zu 500 Mitglieder haben und ausschließlich an diese ihre Hanfprodukte | |
abgeben dürfen. | |
So zumindest sieht es der Gesetzentwurf vor, der in der nächsten Woche vom | |
Bundestag verabschiedet werden soll. Ende März muss dann noch der Bundesrat | |
sein Okay geben, was voraussichtlich auch passieren wird. | |
## Kein Paradigmenwechsel | |
Steffen Geyer, einer der Direktoren des Hanf Museums in Mitte, | |
Mitorganisator der Hanfparade und seit Jahren einer der bundesweit | |
bekanntesten Köpfe im Kampf für die Legalisierung, glaubt fest daran, dass | |
das alles auch tatsächlich klappt. Seine Kontaktleute in der Politik hätten | |
ihm das so signalisiert, sagt er bei einem Treffen im Hanf Museum, die | |
Mehrheiten seien da. | |
Geyer sitzt mit einer kleinen Runde von Mitstreitern auf einem Sofa im | |
Keller des Museums. Der Redebedarf ist groß. Endlich kommt die lang | |
ersehnte Legalisierung, aber wirklich glücklich wirkt keiner der | |
Anwesenden. „So richtig zufrieden mit dem geplanten Gesetz ist von rechts | |
bis links ja niemand“, sagt Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand des | |
Dachverbands deutscher Cannabis Social Clubs und Vorsitzender des Berliner | |
Cannabis-Clubs HighGround. | |
Er will nicht einmal von einer Legalisierung reden, sondern bloß von einer | |
Entkriminalisierung. Was nun kommen soll, sei „kein Paradigmenwechsel, | |
sondern der geringstmögliche Schritt nach vorne“. Was er jedoch klar | |
begrüßt, ist, dass damit 180.000 Strafverfahren im Jahr im Zusammenhang mit | |
Cannabis wegfallen werden. | |
## Überregulierung in allen nur erdenklichen Bereichen | |
Doch wie genau wird es laufen mit den Cannabis Social Clubs, den künftigen | |
Abgabestellen für Marihuana? Glaubt man der Runde im Keller des Hanf | |
Museums, könnte es kompliziert und anstrengend werden. Geyer meint, dass es | |
in den nächsten ein, zwei Jahren viele gerichtliche Auseinandersetzungen | |
geben wird, bis alle Details geklärt sind. | |
„Was nun kommt, bedeutet, in einem Minenfeld aus bisher unbekannten | |
Kontrollinstanzen zu arbeiten. Und dabei gleichzeitig den Ansprüchen der | |
Vereinsmitglieder gerecht zu werden“, so Waack-Jürgensen. | |
Eigentlich hätte die Runde es gerne so, wie es schon lange in [2][Spanien | |
und vorneweg in Barcelona] mit seinen Cannabis Social Clubs läuft. In denen | |
dürfen die Mitglieder auch konsumieren, das wird in Deutschland verboten | |
sein. Fast überall wird man demnächst kiffen dürfen, nur im Cannabis Club | |
selbst nicht. Waack-Jürgensen findet das absurd. Einige Clubs würden | |
einfach extra Genussräume einrichten, glaubt er, dann werde man schon | |
sehen, wie der Gesetzgeber darauf reagiert. | |
Hauptkritikpunkt der Cannabis-Aktivisten ist eine befürchtete | |
Überregulierung in allen nur erdenklichen Bereichen. Wer in den Clubs was | |
und wie viel erwirbt: Alles muss dokumentiert werden. Geyer sieht das | |
kritisch: „Das S bei einem CSC steht eigentlich nicht für Stasi, sondern | |
für Sozial. Stattdessen müssen wir aber unsere Mitglieder ausspionieren. | |
Wir müssen gigantische Datenmengen ansammeln, bei denen überhaupt nicht | |
klar ist, wer darauf Zugriff hat.“ | |
## Viele Fragen sind noch offen | |
Ein etwas anders gelagertes Problem hat Dinah Rogge. Sie ist Beauftragte | |
für Suchtprävention beim Cannabis Social Club Berlin. Jeder Verein muss in | |
Zukunft so jemanden haben. Doch was genau ihre Aufgabe ist, sei überhaupt | |
nicht klar, sagt sie. | |
So dürfe sie nur innerhalb ihrer Clubgemeinschaft über die Gefahren beim | |
Konsum von Cannabis aufklären, alles andere könnte bereits als unerlaubte | |
Werbung betrachtet werden. Doch kann in Clubs, die nicht mehr sein werden | |
als Abholstellen für Kiffer, überhaupt wirksam präventiv gearbeitet werden? | |
Aktuell gibt es bundesweit um die 400 Cannabis Clubs, die derzeit noch als | |
„Legalisierungsvereine“ firmieren, rund 20 davon in der Hauptstadt. In | |
Barcelona sind es um die 200, da dürfte also noch eine Gründungswelle auf | |
Berlin zukommen. Steffen Geyer glaubt, dass es schon im nächsten Jahr in | |
ganz Deutschland um die 4.000 Clubs geben wird. | |
Der Bedarf ist groß, Waack-Jürgensen hat für seinen Club bei etwas über 100 | |
Mitgliedern mittlerweile einen Aufnahmestopp verfügt. Der Vorsitzende des | |
Cannabis Social Club Berlin, Torsten Dietrich, hofft, bei sich in Zukunft | |
gut bezahlte Jobs verteilen zu können. Auch will er gleich mehrere | |
Anbaugemeinschaften gründen. | |
## Verzögerung wegen fehlender Planungssicherheit? | |
Auch wenn die Abgabe von Cannabis voraussichtlich ab dem 1. Juli erlaubt | |
sein wird, Steffen Geyer glaubt, dass es wegen der fehlenden | |
Planungssicherheit vor Herbst nichts wird mit dem legalen Erwerb von Dope. | |
Mit etwas Pech könnte es sich sogar noch bis Weihnachten hinziehen, sagt | |
er. | |
Kommerzielle Clubs, die in Berlin bereits offensiv um Mitglieder werben, | |
würden bis auf weiteres eher Geld verbrennen. „Ein Cannabis Club | |
funktioniert nicht als Geschäftsmodell. Wir dürfen ja nur über die | |
Mitgliedsbeiträge abrechnen“, sagt Geyer. Dienstleistungen oder | |
Konsumangebote dürfen sie nicht anbieten. Zwar gebe es durchaus | |
Möglichkeiten, hier zu tricksen und hohe Ausgaben vorzutäuschen, aber da | |
müssten auch die Mitglieder mitspielen. „Und die werden sich überlegen, ob | |
sie am Ende 20 Euro oder bloß 4 Euro für das Gramm Cannabis zahlen wollen.“ | |
Worin sich alle einig sind: Geeignete Abgabestellen zu finden sei | |
schwieriger als Anbauflächen. Für die hat Steffen Geyer schon eine Idee: | |
„Ein Zehntel der in Berlin leer stehenden Büroflächen reicht aus, um ganz | |
Deutschland mit Cannabis zu versorgen.“ | |
Die Zukunft, die hier im Keller gemalt wird, klingt am Ende trotz aller | |
Einwände für Kiffer so schlecht nicht: In einer Stadt wie Berlin werde es | |
eine große Konkurrenz mit unterschiedlichen Standards geben, glaubt Geyer. | |
„Es wird die nicht so guten CSCs geben, die werden nicht viel mehr als | |
Volksgras oder Studentenweed verkaufen. Wir sprechen auch von der | |
Kreuzberger Hecke. Manche werden eine Spezialmaniküre für die Blüten | |
anbieten. Oder strikt bio arbeiten und nur ernten, wenn der Halbmond | |
scheint oder so.“ Und für all das werde es Bedarf genug geben. | |
14 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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