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# taz.de -- SPD Berlin vor der Wahl: Die Fast-egal-Wahl
> Für die Hauptstadt-SPD steht bei der Teilwiederholung der Bundestagswahl
> nicht viel auf dem Spiel. Spannend werden die Machtkämpfe nach dem
> Wahltag.
Bild: Händchen halten und Mut machen: Franziska Giffey und Raed Saleh mit Entw…
Berlin taz | Die Noch-Chefin der Berliner SPD wirkt mal wieder aufgekratzt.
„Irgendwann hat man trotzdem kalte Füße, es ist einfach so“, ruft Franzis…
Giffey am Freitagabend gut gelaunt ihren Genoss:innen im
Willy-Brandt-Haus die typischen Winterwahlkampf-Nebenerscheinungen in
Erinnerung.
Bei der „SPD-Schlussspurt-Veranstaltung“ geht es ihr nicht nur darum, nach
„einem sehr, sehr kurzen, sehr intensiven Wahlkampf“ den Parteimitgliedern
ausführlich zu danken. Sie versucht sich auch darin, 2 Tage vor der
Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin am Sonntag noch mal Stimmung
in die SPD-Bude zu bringen. Das gelingt ihr nur leidlich.
Das offizielle Wahlkampffinale-Einläuten der Sozialdemokrat:innen
ist ausgesprochen schlecht besucht. Vielleicht 50 Genoss:innen verlieren
sich im Foyer der Zentrale der Bundespartei. Mutmach-Reden: Das haben sich
sowohl Franziska Giffey und Co-Landeschef Raed Saleh als auch
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Bundesentwicklungsministerin Svenja
Schulze zur Aufgabe gemacht.
Kühnert verteidigt in Tempelhof-Schöneberg sein 2021 gewonnenes
Direktmandat. Folgt man seinen Ausführungen, dann lief der Wahlkampf für
seine Partei wie geschnitten Brot: „Wenn der Wahlkampf der SPD erstmal
läuft, dann läuft er.“
## Eine eigenartige Wahl
Es ist eine eigenartige Wahl, ein eigenartiger Wahlkampf – selbst für die
SPD. So wirbt die Partei vor allem mit einem auffallend textlastigen
Plakatmotiv um Stimmen. Die längliche Hauptbotschaft: „Demokratie
verteidigen. Armut bekämpfen. Wohlstand sichern. SPD wählen.“ Franziska
Giffey gefällt das: „Ich glaube, das sind die Themen der Zeit.“ Wie viel
Geld die Partei in den Wahlkampf investiert hat, will ihr Landessprecher
auf taz-Nachfrage nicht sagen.
Für die SPD insgesamt scheint die Wahl in Berlin zunächst auch fast egal.
Läuft es am Sonntag schlecht für die Partei, kann im Anschluss zwar wieder
viel die Rede sein von „Wir haben das Signal der Wähler:innen
verstanden“ und „Wir nehmen das Ergebnis mit Demut an“. Im zusätzlichen
Bekümmertdreinschauen nach Wahlen sind die Partei-Granden auch längst
geübt.
Tatsächlich taugt die Teilwiederholung der im September 2021 vergeigten
Bundestagswahl aber nicht einmal für einen besonders aussagekräftigen
Stimmungstest. Schließlich ist [1][nur jede:r fünfte Berliner:in]
wiederholungswahlberechtigt.
Das heißt auch: Vier Fünftel der Stimmen von 2021, als die SPD in Berlin
auf 23,4 Prozent kam, wandern unangetastet in den Gesamtwahltopf von 2024.
Dass die Sozialdemokrat:innen nicht eben rosig dastehen – in einer
jüngsten Berlin-Umfrage werden sie auf 16 Prozent taxiert –, dürfte sich
also nicht komplett desaströs auf das nach Sonntag neu festgestellte
Endergebnis auswirken.
## Den Letzten beißen die Hunde
Faktisch wird die SPD zudem ihre aktuell 206 Sitze im Bundestag halten.
Sollten die Sozialdemokrat:innen ein Debakel bei den Zweitstimmen
erleben, wäre die einzige Konsequenz, dass die Berliner Abgeordnete
Ana-Maria Trăsnea ihr Mandat an eine SPD-Genossin aus Niedersachsen
verliert. Im allerbesten, aber extrem unwahrscheinlichen Fall sitzen
künftig beide für die SPD im Bundestag, [2][die damit auf 207 Sitze käme].
Doch daran glauben vermutlich nur unverwüstliche Parteioptimist:innen.
Zu den Kuriositäten dieses Sonntags gehört dabei, dass Trăsneas
Direktwahlkreis Treptow-Köpenick kaum von der Wiederholungswahl betroffen
ist. Weniger als 4 Prozent der Wahlberechtigten können im Südostbezirk
erneut abstimmen. Aber Trăsnea ist erst 2023 über den SPD-Landeslistenplatz
6 in den Bundestag nachgerückt.
Bei zu wenigen Zweitstimmen für die Partei am Sonntag gilt für Trăsnea
daher das Prinzip: [3][Den Letzten beißen die Hunde.] Schon deshalb hat
sich die ehemalige Staatssekretärin in der seinerzeit noch Franziska Giffey
unterstehenden Senatskanzlei in den Wahlkampf eingeklinkt. Ihr
Wahlkampfslogan: „Jede Stimme zählt“.
## Ex-Senatschef Müller darf Außenpolitiker bleiben
Nur bedingt behaupten lässt sich das für Ex-Senatschef Michael Müller, den
Direktkandidaten im weitaus stärker betroffenen Wahlkreis
Charlottenburg-Wilmersdorf. Über 40 Prozent werden hier ein zweites Mal zur
Urne gebeten. Auf dem Wahlzettel lautet Müllers Berufsbezeichnung
unverändert „Regierender Bürgermeister von Berlin“. Es ist nun mal eine
Wiederholungswahl.
2021 hatte Müller das Direktmandat noch mit über 3 Prozentpunkten Vorsprung
zur Grünen-Kandidatin Lisa Paus geholt. Am Sonntag könnte er es verlieren.
Zur taz sagt er, er sei optimistisch. Folgen hätte der Verlust des Mandats
keine. Müller ist über den SPD-Landeslistenplatz 1 abgesichert. Er bleibt
dem Parlament so oder so bis zur nächsten „großen“ Bundestagswahl in
voraussichtlich anderthalb Jahren erhalten.
Für die SPD im Bundestag – und darüber hinaus – ist es dann auch
unerheblich, ob Müller weiterhin als direkt gewählter Abgeordneter oder als
über die Landesliste gewählter Abgeordneter für wenig Aufsehen sorgt. Zur
Erinnerung: Der Ex-Regierende und Ex-SPD-Landeschef ist jetzt
Außenpolitiker.
## Wie weiter mit der SPD Berlin?
In der SPD Berlin schielt man unterdessen vor allem auf die Tage und Wochen
nach der Wiederholungswahl, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Nach der
Ankündigung von Franziska Giffey, beim Parteitag im Mai nicht mehr für den
Landesvorsitz zu kandidieren, hatte sich die SPD zumindest öffentlich eine
Diskussionspause über die Zukunft der Doppelspitze auferlegt.
„Wir haben gerade die Aufgabe, uns auf die Teilwiederholung der
Bundestagswahl zu konzentrieren, und darauf konzentriere ich mich voll und
ganz“, erklärte etwa Co-Landeschef Raed Saleh immer wieder, [4][auch
gegenüber der taz]. Die Wahl ist am Sonntag gelaufen. Für den mächtigen
Mann der Hauptstadt-SPD könnte es dann eng werden.
Er will, wie es heißt, mit der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverordneten
Luise Lehmann als Duo kandidieren. Saleh rechnet sich dem linken
Parteiflügel zu. Das beansprucht auch das zweite potenzielle
Kandidat:innenduo für sich: Charlottenburg-Wilmersdorfs Kreischef Kian
Niroomand und die Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Jana Bertels.
Damit nicht genug, gibt es mit Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel
und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini eine dritte Kandidatur,
diesmal vom rechten Parteiflügel. Hikel und Böcker-Giannini ignorierten als
Vorgeschmack auf die kommenden Wochen dann auch die Wünsche der aktuellen
Parteispitze, die Füße bis zum 11. Februar stillzuhalten. Im Tagesspiegel
plauderten sie vor wenigen Tagen flott darüber, wie sie die Berliner SPD zu
führen gedenken. Das Rennen um die künftige Doppelspitze ist eröffnet.
10 Feb 2024
## LINKS
[1] /Wiederholung-Bundestagswahl-2021/!5991130
[2] https://www.wahlrecht.de/news/2024/wiederholungswahl-berlin-ausgangslage_ki…
[3] /Teilwiederholung-der-Bundestagswahl/!5985154
[4] /Berlins-SPD-Chef-Saleh/!5985138
## AUTOREN
Rainer Rutz
## TAGS
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Februar.
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