Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- EU-Parlament verurteilt Griechenland: Schallende Ohrfeige für Athen
> Das Europaparlament verwarnt Griechenland und seine Regierung wegen
> antidemokratischer Tendenzen. Das könnte finanzielle Konsequenzen haben.
Bild: Für den griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis ist die Verwarn…
Athen taz | Erstmals seit dem Ende der Obristendiktatur im Sommer 1974 hat
das Europaparlament das EU-Mitglied Griechenland in einer Entschließung
offiziell verurteilt. In dem Beschluss wurde die Sorge der Abgeordneten
über Entwicklungen in Griechenland zum Ausdruck gebracht, die die
Rechtsstaatlichkeit, die Pressefreiheit und die individuellen Grundrechte
bedrohen. Die Europäische Kommission wurde dazu aufgefordert, geeignete
Maßnahmen zu ergreifen, um das EU-Mitglied wieder auf den Pfad der
Transparenz, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit zu bringen. Unter
anderem wurde die Europäische Kommission dazu angehalten, die Auszahlung
von EU-Geldern an Athen „zu überprüfen“.
Für die Regierung in Athen unter dem [1][konservativen] Premierminister
Kyriakos Mitsotakis ist das eine schallende Ohrfeige – und könnte
finanzielle Konsequenzen haben.
Die Entschließung wurde von vier Fraktionen im Europäischen Parlament
gemeinsam eingebracht: Linke, Grüne, Sozialdemokraten und die liberale
Renew. 330 Abgeordnete stimmten am Mittwochnachmittag für die Annahme, 254
dagegen, 26 Abgeordnete enthielten sich. Zuvor hatten Menschenrechts- und
Pressefreiheitsorganisationen einen Brief an die Präsidentin der
Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gerichtet, in dem sie in der
Causa Griechenland „ein sofortiges Handeln der Kommission“ fordern.
Seit dem 8. Juli 2019 regiert die konservative Nea Dimokratia (ND) unter
Premierminister Kyriakos Mitsotakis in Athen. Sie wurde Ende Juni vorigen
Jahres wiedergewählt und kann bis 2027 weiter alleine in Athen regieren.
## Korruption in Griechenland hoch, bestätigt NGO
Die Liste der Verfehlungen Griechenlands ist lang: Zunehmende Korruption
und Intransparenz, wiederholte Angriffe auf die Pressefreiheit, Verletzung
von individuellen Grundrechten im Zuge [2][eines gigantischen
Abhörskandals], ausufernde Polizeigewalt, fehlende demokratische Kontrolle
und eine zunehmende Aushöhlung des Rechtsstaats in der Ära Mitsotakis.
Bereits in der vorigen Woche hatte es für Griechenland schlechte
Nachrichten gehagelt. In der von der Nichtregierungsorganisation
Transparency International (TI) für das Jahr [3][2023 veröffentlichten
Weltrangliste der Korruption] belegt Griechenland Platz 59 unter 180
Ländern. Demnach weist Hellas einen TI-Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)
von 49 Punkten aus. Ein CPI von 100 bedeutet, dass ein Land völlig
korruptionsfrei ist, null Punkte stehen für total korrupt.
Griechenland habe ein „ernsthaftes Korruptionsproblem“, stellt TI fest.
Unter den 27 EU-Ländern liegt Griechenland auf Platz 24. Nur Rumänien,
Bulgarien und Ungarn schneiden noch schlechter ab. Und im Vergleich zum
Vorjahr ist Hellas in der TI-Weltrangliste im Vergleich zum Vorjahr um acht
Plätze abgestürzt.
Woran das liegt, ist im TI-Bericht nachzulesen: „Die Folgen des mutmaßlich
illegalen Abhörens der Kommunikation von Journalisten und Politikern durch
die Regierung (Mitsotakis), die Angriffe auf die Pressefreiheit und die
eingeschränkte Unabhängigkeit der Justiz haben zum steilsten Rückgang der
Rechtsstaatlichkeit in der EU beigetragen.“ Die Sorge von TI wachse
außerdem „wegen der exzessiven Einmischung der Regierung in den
Abhörskandal mit Berichten über Drohungen gegen Mitglieder der unabhängigen
Aufsichtsbehörde sowie die Behinderung von Zeugen.“
Auch die aktuelle Weltrangliste von „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) wirft
kein gutes Licht auf Griechenland in Sachen Pressefreiheit. Mit 55,2
Punkten von höchstens 100 Punkten rangiert das Land auf dem beschämenden
107. Platz – EU-Schlusslicht. In der RSF-Weltrangliste der Pressefreiheit
belegte Griechenland 2019 – bevor die Regierung Mitsotakis das Zepter in
Athen übernahm – noch Platz 65. Damit ist Hellas in der Ära Mitsotakis im
Länderranking der Pressefreiheit in vier Jahren um insgesamt 42 Plätze
abgestürzt.
## Mord an zwei Journalisten in Hellas blieb ungestraft
Wie ernst die Lage in puncto Pressefreiheit am Peloponnes derweil ist, hat
das in Leipzig ansässige Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit
(ECPMF) untersucht. In einem in diesen Tagen veröffentlichten
[4][Sonderbericht] heißt es unter anderem: „Griechenland ist das einzige
EU-Land, in dem derzeit in zwei Fällen die Mörder von Journalisten nicht
bestraft worden sind.“ Und: „Fast kein anderes Land in der EU verzeichnet
eine so hohe Anzahl von physischen Angriffen auf Journalisten.“ Ferner gebe
es eine hohe Zahl von Klagen gegen Medienschaffende (sogenannte SLAPPs),
moniert der Sonderbericht.
Den Hebel, um Griechenland wieder auf den Pfad der Transparenz,
Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit zu bringen, sieht das
Europaparlament in den üppigen EU-Geldern für Griechenland. Von 2021 bis
2027 sollen EU-Mittelzuweisungen im Gesamtvolumen von 57,35 Milliarden Euro
nach Athen fließen. Das entspricht Jahr für Jahr rund vier Prozent des
griechischen Bruttoinlandsprodukts. Für Mitsotakis und seine Regierung ist
dieser Geldregen ein Segen. Kein Land erhält gemessen an seiner
Wirtschaftsleistung so viel wie Hellas aus den EU-Töpfen.
Dass die [5][EU diesen Hebel] auch nutzen kann, hat sie bereits bewiesen:
Wegen Mängeln in der Rechtsstaatlichkeit wurden bereits Mittel für Polen
und Ungarn zurückgehalten, um zur Beseitigung von Missständen in der
dortigen Justiz und Medienlandschaft anzuregen. Das Europaparlament ruft in
seiner Entschließung nun die Europäische Kommission dazu auf, zu
überprüfen, ob dieses Druckmittel auch im Fall Griechenland anzuwenden ist.
Ein Hinweis, wie viel in Sachen Pressefreiheit in Griechenland im Argen
liegt, zeigt ein Blick in die Donnerstagsausgaben der griechischen Presse:
Über die Verurteilung Griechenlands durch das Europaparlament hüllte sich
das Gros der Medien in Schweigen.
8 Feb 2024
## LINKS
[1] /Selbstzerlegung-der-Syriza-Partei/!5972920
[2] /Abhoerskandal-in-Griechenland/!5988216
[3] https://www.transparency.org/en/cpi/2023
[4] https://www.ecpmf.eu/greece-rule-of-law-threatened/
[5] /Ungarn-gibt-Blockade-auf/!5989724
## AUTOREN
Ferry Batzoglou
## TAGS
Griechenland
Kyriakos Mitsotakis
Pressefreiheit in Europa
Europaparlament
GNS
Schwerpunkt Korruption
Griechenland
Ungarn
Schwerpunkt Europawahl
Griechenland
Griechenland
Griechenland
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Staatsanwaltschaft ermittelt: Behörden werfen Huawei Bestechung im EU-Parlamen…
Im Europaparlament gibt es Ermittlungen zu mutmaßlicher Bestechung. Im
Visier ist auch ein großer Technologiekonzern.
Polizeigewalt in Griechenland: Verhaftet, verprügelt, tot
In einer Athener Polizeiwache stirbt ein 37-jähriger Pakistaner. Gruselige
Bilder des Körpers gelangen an die Öffentlichkeit. Es ist kein Einzelfall.
Rechtsstaatlichkeit in der EU: Noch reichlich Luft nach oben
Die EU-Kommission legt einen Bericht zum Rechtsstaat in den
Mitgliedsstaaten vor. Vor allem an Ungarn gibt es wieder viel Kritik, aber
nicht nur.
Datenskandal in Griechenland: E-Mail-Gate zieht weitere Kreise
Die EU-Abgeordnete Asimakopoulou hat ungefragt Wahlwerbung an
Auslandsgriechen verschickt. Die Mailadressen bekam sie vom
Innenministerium.
Journalistenstreik in Griechenland: Redaktionen bleiben leer
Gestiegene Lebenshaltungskosten, schlechte Arbeitsbedingungen: Viele
griechische Journalisten streiken. Doch nicht alle machen mit.
Proteste in Athen: Ware Bildung in Griechenland
In Athen demonstrieren Studierende gegen die Pläne der konservativen
Regierung, private Hochschulen zuzulassen. Das gehe an den Problemen
vorbei.
Abhörskandal in Griechenland: Angriff auf Pressefreiheit
Der frühere Generalsekretär des griechischen Premiers Mitsotakis klagt
gegen Athener Medien. Sie berichteten über Beziehungen zu einer
Spyware-Firma.
Geflüchtet und gestrandet auf Zypern: In der Sackgasse
Muhammed kam aus Syrien nach Zypern. Im Lager wartet er auf Anerkennung als
Flüchtling. Doch Zypern ist nicht im Schengenraum. Mitteleuropa? Wohl
unerreichbar.
Brandkatastrophe im Evros: Nach dem Feuer
Im August brannten im Nordosten Griechenlands die Wälder. Es war der größte
Brand, der je in Europa dokumentiert wurde. Wird sich die Region erholen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.