| # taz.de -- Datenskandal in Griechenland: E-Mail-Gate zieht weitere Kreise | |
| > Die EU-Abgeordnete Asimakopoulou hat ungefragt Wahlwerbung an | |
| > Auslandsgriechen verschickt. Die Mailadressen bekam sie vom | |
| > Innenministerium. | |
| Bild: Anna-Michelle Asimakopoulou in Chalkida, Griechenland, am 12. Januar 2019 | |
| Athen taz | Ihr Motto lautet hochtrabend: „Im Europäischen Parlament, für | |
| ein Griechenland des Vertrauens und des Stolzes“. So steht es immer noch | |
| auf ihrer Homepage. Doch das in sie gesetzte Vertrauen ist erst mal futsch. | |
| Anna-Michelle Asimakopoulou, 57, studierte Juristin und Ökonomin, saß ab | |
| Anfang Juli 2019 bis Ende April 2024 für [1][die in Athen allein regierende | |
| konservative Nea Dimokratia (ND)] im Europaparlament. Dort fiel sie unter | |
| anderem mit markigen Sprüchen zur Flüchtlings- und Migrantionspolitik wie | |
| „Wir müssen den Schleppern, die einen Haufen Geld verdienen, endlich das | |
| Handwerk legen“ auf. | |
| Nun ist die Hardlinerin, die in ihrer Partei zum rechten Flügel zählt, in | |
| den Mittelpunkt eines politischen Skandals gerückt. Den die griechischen | |
| Medien dann auch prompt als „E-Mail-Gate“ bezeichneten. Er zieht immer | |
| weitere Kreise – und wirft schon wieder ein äußerst schlechtes Licht auf | |
| die Regierung in Athen unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis. | |
| ## Wahlwerbung für eine zweite Amtszeit im EU-Parlament | |
| Konkret betrifft der Fall das Durchsickern persönlicher Daten von Wählern, | |
| [2][die Asimakopoulou dubioserweise in die Hände fielen]. Asimakopoulou | |
| schickte im Vorfeld der Europawahlen am 9. Juni unerwartete Wahl-E-Mails an | |
| griechische Wähler mit Wohnsitz im Ausland. Ihr Ziel: Werbung für sich und | |
| die ND zu machen, um für eine zweite Amtsperiode im Europaparlament | |
| wiedergewählt zu werden. Das Vorgehen stellt einen klaren Verstoß gegen die | |
| EU-Verordnung zum Schutz der Privatsphäre dar. | |
| Der Aufschrei unter den von der griechischen Politikerin angeschriebenen | |
| Wahlberechtigten war groß. In griechischen Medien und im Netz beklagten sie | |
| sich vehement darüber, dass sie Asimakopoulou zu keinem Zeitpunkt ihre | |
| E-Mail-Adressen mitgeteilt, geschweige denn ihre Einwilligung dafür erteilt | |
| hätten, sie mit Blick auf die Europawahlen anzuschreiben. | |
| ## Öffentlicher Druck in Griechenland | |
| Asimakopoulou enthüllte erst nach dem in Griechenland immer größer | |
| werdenden öffentlichen Druck, wie sie wirklich zu den persönlichen Daten | |
| der Wähler gekommen sei: das Athener Innenministerium habe ihr die | |
| E-Mail-Adressen gegeben. Die Rede ist von mehreren tausend E-Mail-Adressen, | |
| die so in die Hände von Asimakopoulou gefallen sein sollen. | |
| Der Fall hat eine Klagewelle ausgelöst. Griechischen Medienberichten | |
| zufolge seien bisher 230 Klagen mit Geldforderungen in Höhe von jeweils | |
| 20.000 Euro gegen den griechischen Staat und das Athener Innenministerium | |
| gestellt worden. Ferner hätten Betroffene 75 Klagen gegen Asimakopoulou | |
| persönlich erhoben. Sie fordern ebenfalls jeweils 20.000 Euro von ihr. In | |
| Summe macht das bis dato Geldforderungen in Höhe von mehr als sechs | |
| Millionen Euro. | |
| ## Premier Mitsotakis unter Handlungsdruck | |
| Premier Mitsotakis sah sich dazu gezwungen, die Reißleine zu ziehen. | |
| Asimakopoulou, die seit November 2016 in der ND die Arbeitsgruppe | |
| Digitalpolitik, Telekommunikation und Information leitete, wird nicht für | |
| die Europawahlen kandidieren. Obendrein mussten sowohl der Generalsekretär | |
| des Innenministeriums, Michalis Stavrianoudakis, als auch der für die | |
| Auslandsgriechen zuständige ND-Funktionär Nikos Theodoropoulos ihren Hut | |
| nehmen. Beide sind enge Vertraute von Premier Mitsotakis. | |
| Der Fall wird von der Athener Datenschutzbehörde untersucht, es wurde zudem | |
| eine staatsanwaltschaftliche Untersuchung eingeleitet. Während der Fall | |
| eine heftige Debatte über den Datenschutz und die politische Transparenz in | |
| Griechenland ausgelöst hat, hat sich nun ein weiterer dubioser Zwischenfall | |
| ereignet: Unbekannte brachen am vorigen Freitag ausgerechnet in das Büro | |
| der Wahldirektion des Athener Innenministeriums ein. Unklar ist, ob dieser | |
| mysteriöse Einbruch mit dem „E-Mail-Gate“ in Verbindung steht. Ferner ist | |
| nicht bekannt, ob – und falls ja welches – Material beim Einbruch entwendet | |
| worden ist. | |
| Fest steht: Die Athener Opposition schäumt, nicht zuletzt weil Mitsotakis | |
| unbeirrt an seiner Innenministerin Niki Kerameos festhält. Sie traut der | |
| Regierung Mitsotakis auch mit Blick auf die erstmals bei den anstehenden | |
| Europawahlen für die griechischen Wähler mögliche Briefwahl nicht mehr zu, | |
| saubere Abläufe zu gewährleisten. | |
| Hintergrund dafür ist, dass sich für die Briefwahl bis zum Ablauf der | |
| betreffenden Frist in der Nacht auf Dienstag genau 202.556 griechische | |
| Wähler über die eigens dafür vom Athener Innenministerium eingerichtete | |
| Plattform im Internet angemeldet haben. 49.234 griechische Briefwähler | |
| leben in insgesamt 127 Ländern fernab von Hellas, der Rest ist in | |
| Griechenland ansässig. | |
| Die Regierung Mitsotakis ist nicht zum ersten Mal in puncto Datenschutz und | |
| Privatsphäre ins Fadenkreuz geraten. Im Frühjahr 2022 kam ein gigantischer | |
| Abhörskandal in Athen zum Vorschein. Dabei sollen mehr als einhundert | |
| Politiker, Wirtschaftsvertreter, Militärangehörige sowie Medienschaffende | |
| vom griechischen Geheimdienst EYP ausgespäht worden sein. Dabei soll auch | |
| die berühmt-berüchtigte Spionage-Software Predator („Raubtier“) zum Einsa… | |
| gekommen sein. | |
| Pikanterweise hatte Mitsotakis die EYP unmittelbar nach seiner | |
| Amtsübernahme in Athen am 8. Juli 2019 in einer seiner ersten | |
| Amtshandlungen direkt unter seine Kontrolle gestellt. Die eingeschaltete | |
| Athener Staatsanwaltschaft hat bisher – immerhin zwei Jahre nach | |
| Bekanntwerden des Skandals – keinerlei Ergebnisse in ihren Ermittlungen | |
| erzielt. Wie auch: digitale Spuren wurden gelöscht. | |
| 4 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahlen-in-Griechenland/!5967189 | |
| [2] /Misstrauensvotum-in-Griechenland/!6001171 | |
| ## AUTOREN | |
| Ferry Batzoglou | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Europawahl | |
| Griechenland | |
| Kyriakos Mitsotakis | |
| Nea Dimokratia | |
| Datenschutz | |
| Europaparlament | |
| Griechenland | |
| Griechenland | |
| Griechenland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Misstrauensvotum in Griechenland: Mitsotakis kann aufatmen | |
| Die Regierung übersteht ein Misstrauensvotum. Der Hintergrund der | |
| Abstimmung ist ein Zugunglück, zu dem dem es viele offene Fragen gibt. | |
| Misstrauensvotum in Griechenland: Vertuschen und verschleiern | |
| In Zusammenhang mit einem Zugunglück sieht sich die konservative Regierung | |
| mit einem Misstrauensvotum konfrontiert. Dieses dürfte scheitern. | |
| EU-Parlament verurteilt Griechenland: Schallende Ohrfeige für Athen | |
| Das Europaparlament verwarnt Griechenland und seine Regierung wegen | |
| antidemokratischer Tendenzen. Das könnte finanzielle Konsequenzen haben. |