# taz.de -- Dokumentarfilm über Zwillinge: Mit Herz und Nieren | |
> Matthias darf leben, weil Christian seine Niere spendete: In ihrem | |
> Dokumentarfilm „Die Bergmanns“ erzählt Susanne Hensdiek von einem | |
> Zwillingspaar. | |
Bild: Man sucht sofort nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten: die Bergmann-Zwi… | |
Eineiige Zwillinge wirken im Kino immer ein wenig unheimlich. Stanley | |
Kubrick und David Cronenberg haben sich diesen Gruseleffekt in ihren Filmen | |
„Shining“ und „Die Unzertrennlichen“ zunutze gemacht. Auch wenn [1][Sus… | |
Hensdiek] ihre Protagonisten [2][Matthias und Christian Bergmann] zusammen | |
auf einem alten Sofa sitzen lässt, irritiert dieses erste Bild in ihrem | |
Film. Sofort beginnt man nach den vielen Ähnlichkeiten und wenigen | |
Unterschieden zwischen den beiden zu suchen. Wenn sie dann miteinander | |
reden, spürt man zugleich ihre Vertrautheit und wie verschieden sie dann | |
doch sind. | |
Denn Matthias ist zwar der fünf Minuten ältere Bruder, er war aber auch | |
immer viel schwächer. Christian ist ein in Bremen beliebter Schauspieler | |
geworden, während Matthias in Süddeutschland ein ruhiges Leben als | |
Angestellter führt. Als Kind und Jugendlicher war Matthias ständig müde und | |
antriebsschwach. „Zum Glück war er nicht faul, sondern krank!“, sagt | |
Christian dazu – ein ironischer, ja tragikomischer Satz, denn diese | |
Krankheit hat die beiden in Lebensgefahr gebracht. | |
Denn Matthias hatte seit seinem vierten Lebensjahr [3][einen schweren | |
Nierenschaden], der erst in seinem 18. Lebensjahr diagnostiziert wurde. Nur | |
eine Spenderniere von Christian konnte ihn retten. Bei der Operation war | |
die Überlebenschance von Matthias 50 Prozent und die von Christian 80 | |
Prozent. Wie abgeklärt und komisch die beiden heute von dieser | |
Grenzerfahrung erzählen, gehört zu den schönen Überraschungen des Films. | |
Denn Susanne Hensdiek lässt die beiden reden – und sie konzentriert sich so | |
konsequent auf die Essenz der Geschichte. Dabei hatte sie viel mehr | |
Filmmaterial gedreht, sodass ihr erster Rohschnitt über zwei Stunden lang | |
war. Mit 53 Minuten und nur einer Handvoll von Drehsituationen gelingt es | |
ihr nun, den beiden Brüdern sehr nah zu kommen. | |
Sie sitzen auf dem Sperrmüllsofa und unterhalten sich, sie machen zusammen | |
eine (ziemlich wackelige) Kanutour auf einem kleinen Fluss. Es werden | |
einige Familienfotos gezeigt und Matthias hat ein paar | |
Bleistiftzeichnungen über ihre gemeinsame Zeit im Krankenhaus gemacht, die | |
sehr minimalistisch animiert wurden und nebenbei zeigen, dass Matthias | |
ähnlich künstlerisch begabt ist wie sein Bruder. | |
Dazu hat [4][André Feldhaus] einen atmosphärischen Soundtrack komponiert, | |
der stark an die Musik von The Smiths erinnert – die Brüder waren und sind | |
immer noch Fans von Morrissey. | |
All das verbindet Susanne Hensdiek zu einem jener geglückten Porträtfilme, | |
bei denen es den Filmemacher*innen gelingt, eine Form zu finden, die | |
dem Charakter und der Lebensgrundstimmung der Protagonist*innen | |
entspricht. Dazu gehört auch ihr trockener Humor: Auf die Frage, ob | |
Matthias ihm etwas schulde, sagt Christian, er habe damals fünf Mark | |
Schulden bei seinem Bruder gehabt. Die wären der Preis für die Niere | |
gewesen. | |
9 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Filmemacherin-Hensdiek-ueber-Vaginismus/!5047556 | |
[2] https://www.filmbuero-bremen.de/die-bergmanns/ | |
[3] /Crosstalk-im-Koerper/!5976528 | |
[4] /Fast-wie-Elvis-oder-Brian-Ferry/!5218163 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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