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# taz.de -- Berlinale-Essayfilm „Architecton“: Abschied von Beton
> Victor Kossakovskys neuester Film handelt von Gestein und was der Mensch
> daraus macht. Eine Konfrontation mit den Folgen des herkömmlichen Bauens.
Bild: Ein Architekt, ein Regisseur und antike Überreste aus Stein
Im Prolog des Dokumentarfilms „Architecton“ schwebt die Kamera über
zerstörte Plattenbauten einer ukrainischen Siedlung. Zwischen den Blöcken
gibt sie den Blick frei auf eine anscheinend unbeteiligte Landschaft.
Hinter den aufgebrochenen Betonfassaden stehen Nähmaschinen, Fernsehgeräte,
Tische und Stühle in Wohnungen ohne Wände. Ein großes Transparent an einer
Hauswand fordert „Kick Russia Out Of The UN“.
In Victor Kossakovskys Wettbewerbsbeitrag der Berlinale dreht sich alles um
Gestein und was der Mensch daraus macht. Er zeigt Megasteinbrüche in den
Alpen, 3D-Betondrucker auf Baustellen und die gigantischen
Trümmerlandschaften [1][in der türkischen Region Kahramanmaraş nach dem
Erdbeben 2023]. Der Film begleitet auch den italienischen Architekten und
Designer Michele De Lucchi in den Libanon zu einem antiken Steinquader
faszinierender Größe in der Nähe der historischen Tempelanlage von Baalbek.
Zwischen diesen von der Kamera opulent eingefangenen Schauplätzen versucht
der Essayfilm kommentarlos einen Dialog zu initiieren. Während die Ruinen
der Antike tausende Jahre überdauern, um danach wieder mit der Landschaft
zu verschmelzen oder Menschen erneut Baumaterial zu liefern, hinterlässt
ein Betonabriss nach wenigen Jahrzehnten nur Sondermüll.
Kossakovsky inszeniert die gewalttätige Plünderung der endlichen Ressourcen
in eindrucksvollen Luftbild- und detailreichen Großaufnahmen. Und, als ob
dies noch nicht genug Effekt wäre, unterlegt er die Bilder zusätzlich noch
mit dramatischer Musik oder vibrierenden Soundeffekten.
## Ein magischer Kreis und ein kraftloser Schluss
In einer anderen Szene erleben wir Michele De Lucchi im Garten seines
Landhauses mit Gehilfen einen „magischen Kreis“ aus Steinen anlegen, der
danach von Menschen nicht mehr betreten werden soll. Doch wirkt diese
Episode innerhalb des Films etwas unbefriedigend. Gerne würde man mehr von
dem selbstkritischen 72-jährigen Architekten erfahren, dessen heitere
Designentwürfe wie die Tolomeo-Leuchte oder die Pulcina Espressokanne seit
den 1980er Jahren weltbekannt sind.
Am Ende scheint auch Kossakovsky, der zuletzt für [2][„Gunda“, einen
Dokumentarfilm über ein Hausschwein], 2020 gefeiert wurde, der Dramaturgie
seines neuen Werks nicht mehr ganz zu vertrauen. Und so schließt
„Architecton“ etwas kraftlos mit einer Art Nachbesprechung zwischen
Architekt und Filmemacher in De Lucchis Garten.
21 Feb 2024
## LINKS
[1] /Ein-Jahr-nach-dem-Erdbeben-in-der-Tuerkei/!5987245
[2] /Film-zur-Debatte-ueber-das-Tierwohl/!5789881
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Architektur
Design
Dokumentarfilm
Spielfilm
Bremen
Vegetarismus
Baikalsee
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