Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorstoß für Volksbefragungen – Contra: Ein billiges Täuschungs…
> Die SPD will, dass Volksabstimmungen künftig auch vom Abgeordnetenhaus
> angestoßen werden können. Die Kritik an der Idee ist absolut berechtigt.
Bild: Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld von 2014 verhindert bislang eine …
„Vorsicht, Falle!“ – dieser Warnhinweis sollte groß und rot auf dem
SPD-Vorschlag zu vom Parlament verordneten Volksbefragungen prangen. Denn
der Plan, [1][die Berliner*innen an die Urnen zu bitten, wenn die
Koalition ein geltendes, durch einen Volksentscheid erkämpftes Gesetz
umstoßen will], ist nichts anderes als ein billiges Täuschungsmanöver.
Auf den ersten Blick klingt es eigentlich ganz charmant: Die
Bürger*innen sollen mitreden dürfen bei „Entscheidungen, die unmittelbar
ihre Lebenswirklichkeit betreffen“, [2][so die SPD-Fraktion]. Es gehe um
„Respekt“ vor der Volksgesetzgebung, „mehr Mitsprache und echte
Entscheidungen“. Die Sozialdemokraten glauben gar, so der
„Politikverdrossenheit“ begegnen zu können.
Die Logik dahinter ist verfänglich: Mehr Bürger*innenbeteiligung ist
immer gut! Auf diesen Trugschluss setzt die schwarz-rote Koalition. Doch
eine Volksbefragung von Gnaden der Herrschenden hat wenig bis gar nichts
mit direkter Demokratie zu tun. Erst recht nicht, wenn sie dazu dient,
direktdemokratisch herbeigeführte Entscheidungen wieder zu kassieren – und
dem Ganzen einen schönen Anstrich zu verpassen.
Bislang gibt es in Berlin nur Volksentscheide, die in einem mehrstufigen,
aufwändigen Beteiligungsverfahren von „unten“ – also aus der
Stadtgesellschaft – herbeigeführt werden. Die Hürden für eine vom
Abgeordnetenhaus verordnete Volksbefragung lägen wohl deutlich niedriger.
Und so täuscht ein solches Verfahren den Bürger*innen Mitspracherechte
und Handlungsmacht vor, während es den Regierenden noch mehr Macht
verleiht.
## Anmaßende Haltung der Regierenden
Nun entdecken SPD und CDU das Thema direkte Demokratie ausgerechnet in dem
Moment für sich, in dem der [3][Volksentscheid von 2014] ihren
Bebauungsfantasien für das Tempelhofer Feld im Weg steht. Klar, eigentlich
könnten sie das [4][Gesetz zum Erhalt des Feldes] wie jedes andere auch im
parlamentarischen Verfahren ändern. Warum dann überhaupt der Vorstoß für
eine Volksbefragung?
Ganz einfach: Die von oben verordnete Bürgerbeteiligung kaschiert die
anmaßende Haltung der Regierenden, die als gewählte Volksvertreter nach dem
Motto arbeiten: Wir wissen es eh besser und machen, was wir wollen! Wie
blanker Hohn klingt da das Argument der SPD-Fraktion für die
Volksbefragung: „Wir wissen, dass Teile der Bevölkerung sich nicht ernst
genommen fühlen und mehr Mitsprache wollen.“
Um glaubwürdig für mehr und bessere Beteiligung einzutreten, sollte die
Koalition sich besser nicht an [5][von der Stadtgesellschaft erkämpftem
Freiraum] vergreifen – und dabei auch noch selbst bestimmen wollen, wann es
ihr passt, dass die Berliner*innen mitreden.
Nicht ohne Grund gibt es Zweifel, ob die Einführung einer Volksbefragung
ohne Zweidrittelmehrheit nicht gegen die Landesverfassung verstößt. In
Bayern [6][hat der Verfassungsgerichtshof 2016 einem ähnlichen Vorhaben den
Riegel vorgeschoben]. Außerdem besagt die Berliner Verfassung, dass jede
Einführung neuer direktdemokratischer Instrumente [7][einer Volksabstimmung
bedarf].
In Hamburg hat man es besser gelöst: Will das Parlament dort ein per
Volksentscheid beschlossenes Gesetz ändern oder aufheben, kann die
Bevölkerung eine Abstimmung darüber anstoßen. Die Hürde dafür ist nur halb
so hoch wie für einen Volksentscheid – und das Ergebnis rechtlich bindend.
So bleibt die Handlungsmacht zumindest in Teilen dort, wo sie hingehört:
bei den Bewohner*innen der Stadt.
7 Feb 2024
## LINKS
[1] /Buergerbeteiligung-beim-Tempelhofer-Feld/!5985728
[2] https://www.spdfraktion-berlin.de/artikel/resolution-der-spd-fraktion
[3] /Schwerpunkt-Volksentscheid-Tempelhofer-Feld/!t5041366
[4] https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-ThFGBEpP1
[5] /Jahresausklang-auf-dem-Tempelhofer-Feld/!5979602
[6] /Bayerischer-Verfassungsgerichtshof/!5359064
[7] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/verfassung/artikel.41498.php
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
## TAGS
Volksentscheid
Direkte Demokratie
SPD Berlin
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld
SPD Berlin
Tempelhofer Feld
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bebauungspläne für das Tempelhofer Feld: „Das gebietet der Respekt“
Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie kritisiert Senatspläne zum
Bürgerdialog in Sachen Tempelhofer Feld – und die SPD-Idee einer
Volksbefragung.
Bürgerbeteiligung beim Tempelhofer Feld: Alles Schlechte kommt von oben
Die schwarz-rote Koalition will das Tempelhofer Feld bebauen. Sie versucht,
dem Vorgehen mit Geld einen demokratischen Anstrich zu geben.
SPD-Klausur in Leipzig: Schlimmer geht’s immer
Die SPD-Fraktion will Volksentscheide von oben einführen. Ihr Fraktionschef
Raed Saleh muss im Mai um seine Wiederwahl als Parteivorsitzender fürchten.
Bebauung des Tempelhofer Feldes: Schwarz-rote Feldversuche
Die Koalition aus CDU und SPD macht Ernst mit ihren Bebauungsplänen für den
Rand des Tempelhofer Felds. Das trifft auf heftigen Widerstand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.