# taz.de -- Vorstoß für Volksbefragungen – Pro: Weniger Stress, weniger Aus… | |
> Die SPD will, dass Volksabstimmungen künftig auch vom Abgeordnetenhaus | |
> angestoßen werden können. Die Aufregung ist groß. Dabei ist es eine gute | |
> Idee. | |
Bild: Ob am Ende eine Initiative oder das Parlament ein Referendum anstößt: D… | |
Volksentscheide, die in Folge eines Volksbegehrens abgehalten werden, haben | |
in Berlin ein entscheidendes Manko: Mit ihnen lässt sich nur sehr verzögert | |
auf ein Vorhaben reagieren. Wenn heute eine Mehrheit gegen ein aktuelles | |
Projekt der Regierung wäre, könnte sie auf diesem Weg bei normalem Verlauf | |
erst in zwei Jahren darüber abstimmen und eine Korrektur erzwingen. | |
In diesen zwei Jahren aber – in denen in zwei Stufen Unterschriften zu | |
sammeln sind – können schon viele, viele Millionen in ein Projekt | |
geflossen, Verträge geschlossen, Verpflichtungen eingegangen sein, die – | |
wenn überhaupt – nur teuer rückgängig zu machen sind. | |
Dass es einen Vorlauf gibt, hat seinen guten Grund: Könnte jede Initiative | |
schon für den nächsten Sonntag einen Volksentscheid anmelden, würde das | |
absehbar zu Abstimmungsmüdigkeit führen und damit letztlich das Instrument | |
eines Referendums entwerten. | |
Anders verhält es sich beim Abgeordnetenhaus: Dessen Mitglieder sind per | |
Wahl legitimiert, nach dem Prinzip der repräsentativen Demokratie | |
Entscheidungen zu treffen. Könnte das Landesparlament künftig entscheiden, | |
das Ja oder Nein für ein politisches Projekt punktuell in die Hände aller | |
Wahlberechtigten zu legen, und von sich aus weit kurzfristiger ein | |
Referendum ansetzen, dann wäre die eingangs skizzierte zeitliche Lücke | |
geschlossen. | |
## Schon Wowereit wollte Volksbefragungen | |
Wie dringend das ist, zeigt beispielhaft die [1][Debatte über eine | |
Olympiabewerbung]. Eine Volksabstimmung ist sinnig, bevor sich das Land | |
bewirbt. Bei einem in zwei Jahren dräuenden Volksentscheid erledigt sich | |
das Thema von selbst, auch wenn die Stimmung im Land olympiafreundlich ist: | |
Niemand vergibt die Spiele an einen Ort, an dem noch ein Referendum darüber | |
aussteht. | |
Klaus Wowereit, dem SPD-Vor-Vor-Vorgänger von Regierungschef Kai Wegner | |
(CDU), [2][schwebte schon 2014 vor], dass der Senat die Möglichkeit haben | |
sollte, bei grundsätzlichen Fragen direkt die Wählerschaft zu befragen. Das | |
würde also passieren, solange der Stein noch nicht in den Brunnen gefallen | |
sei, so formulierte er es einmal in einem Gespräch mit der taz. | |
Der Senat, das sind aktuell allerdings nur elf Leute, nämlich Wegner und | |
zehn weitere Mitglieder. Da ließe sich sagen: Hmmm, bisschen viel Macht in | |
der Hand einiger weniger, wenn die allein ein Referendum ansetzen könnten. | |
Der [3][aktuelle Vorstoß der SPD-Fraktion] legt die Sache denn auch breiter | |
an: Nicht der Senat, sondern das Landesparlament mit seinen aktuell 159 | |
Mitgliedern soll darüber entscheiden, ob ein Referendum anzusetzen ist oder | |
nicht. 159 Abgeordnete also, von denen 78 direkt in ihren Wahlkreisen | |
gewählt wurden und nicht über die Kandidatenlisten ihrer Parteien ins | |
Parlament gerückt sind. Menschen also, die jeweils ein Mandat bekommen | |
haben, stellvertretend Entscheidungen zu treffen. | |
## Kritik am Vorstoß schwer nachvollziehbar | |
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes hielt schon 2015 | |
ein vom Senat auszulösendes Referendum sogar ohne Verfassungsänderung für | |
möglich. Einzige größere Einschränkung: Die Landesregierung dürfe nicht mit | |
Haushaltsmitteln selbst für Zustimmung werben und müsse sich Zurückhaltung | |
auferlegen. | |
Nicht wirklich nachvollziehbar ist, wieso es bei Kritikern des Projekts – | |
bei den Grünen, der Linkspartei oder dem Verein „Mehr Demokratie“ – so v… | |
Skepsis gegenüber dem SPD-Vorstoß gibt. Denn ganz egal, ob am Ende eine | |
Initiative, der Senat oder aber das Parlament ein Referendum anstößt: Die | |
Entscheidung trifft in jedem Fall die Wählerschaft. | |
7 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gemeinsame-Bewerbung-mit-anderen-Orten/!5973118 | |
[2] /Klaus-Wowereit-ueber-Tempelhof/!5042192 | |
[3] /SPD-Klausur-in-Leipzig/!5985530 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Volksentscheid | |
Direkte Demokratie | |
SPD Berlin | |
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld | |
Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld | |
SPD Berlin | |
Stefan Evers | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bebauungspläne für das Tempelhofer Feld: „Das gebietet der Respekt“ | |
Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie kritisiert Senatspläne zum | |
Bürgerdialog in Sachen Tempelhofer Feld – und die SPD-Idee einer | |
Volksbefragung. | |
Bürgerbeteiligung beim Tempelhofer Feld: Alles Schlechte kommt von oben | |
Die schwarz-rote Koalition will das Tempelhofer Feld bebauen. Sie versucht, | |
dem Vorgehen mit Geld einen demokratischen Anstrich zu geben. | |
SPD-Klausur in Leipzig: Schlimmer geht’s immer | |
Die SPD-Fraktion will Volksentscheide von oben einführen. Ihr Fraktionschef | |
Raed Saleh muss im Mai um seine Wiederwahl als Parteivorsitzender fürchten. | |
Vergesellschaftung in Berlin: Prüfen, bis der Arzt kommt | |
Der schwarz-rote Senat will trotz Expertenkommission noch ein weiteres | |
Gutachten zur Enteignung. Kritiker werten das als Verzögerungstaktik. |