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# taz.de -- Konflikt von Spanien und Katalonien: Amnestiegesetz durchgefallen
> In der ersten Parlamentsabstimmung ist das Amnestiegesetz in Spanien
> durchgefallen. Es sollte Menschen vor Verfolgung bewahren.
Bild: Am Ende geht es doch immer um ihn: Carles Puigdemont
Madrid taz | Das Amnestiegesetz ist bei der ersten Parlamentsabstimmung am
Dienstagabend in Madrid durchgefallen. Es soll all diejenigen vor
strafrechtlicher Verfolgung bewahren, die in Folge der Bürgerbefragung vom
9. November 2014 und des Unabhängkeitsreferendums am 1. Oktober 2017 im
nordostspanischen Katalonien angeklagt wurden.
Ausgerechnet die sieben Abgeordneten der Unabhängigkeitspartei Junts per
Catalunya (Gemeinsam für Katalonien) stimmten gemeinsam mit rechten
Parteien – PP, VOX und zwei regionale Abgeordnete – gegen den
[1][Gesetzentwurf]. Dieser erhielt damit 179 Nein- und nur 171 Ja-Stimmen.
Damit wird das Gesetz an den Rechtsausschuss des Parlaments
zurückverwiesen, um dann in den kommenden zwei Woche erneut zur Abstimmung
vorgelegt zu werden.
Junts per Catalunya, die Partei des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen
katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, ging die Liste der zu
amnestierenden Vergehen nicht weit genug. Sie hatte bis kurz vor der
Abstimmung parallel zur Plenarsitzung mit den Sozialisten (PSOE) von
[2][Ministerpräsident Pedro Sánchez] verhandelt. Diese hatte sich
geweigert, neuen Änderungsvorschlägen zuzustimmen.
Die katalanische Partei will erreichen, dass auch all diejenigen
profitieren würden, denen „Terrorismus“ und „Hochverrat“ vorgeworfen w…
„Wir können uns nicht daran beteiligen, die katalanische
Unabhängigkeitsbewegung der Willkür der politisierten spanischen
Justizführung auszusetzen“, erklärte Junts-Fraktionschefin Miriam Nogueras
in der Parlamentsdebatte.
## Spanischer Richter: Protestaktion sei „Terror“
Pünktlich zur Abstimmung haben sowohl Richter Manuel García-Castellón am
obersten Strafgericht in Madrid als auch Richter Joaquín Aguirre an einem
Gericht in Barcelona umstrittene Ermittlungen wiederbelebt. Beide Verfahren
zielen darauf ab, Puigdemont und sein engstes Umfeld trotz der Amnestie
verurteilen zu können.
García-Castellón ermittelt ganz direkt gegen Puigdemont. Dieser soll von
Brüssel aus die Protestbewegung „Demokratischer Tsunami“ geführt haben,
lautete der Vorwurf. Diese Protestbewegung entstand, als mehrere
Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Durchführung des Referendums
zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren wegen „Aufstand“ verurteilt wurden.
Die größte Aktion war die Blockade der Zufahrt zum Flughafen Prat in
Barcelona. Ein Tourist, der deswegen versuchte, zu Fuß zum Flughafen zu
kommen, erlitt einen Herzinfarkt. „Terror mit Todesopfer“ ist das für
Richter García-Castellón. Außerdem wurden bei Auseinandersetzung in
Barcelona zwei Polizisten verletzt. „Tötungsabsicht“ sieht der Richter
darin.
Schwerwiegender noch: García-Castellón geht davon aus, dass die Bewegung
2020 im Sinn gehabt haben könnte, „im Zusammenhang mit dem Besuch von Ihrer
Majestät Maßnahmen zu ergreifen“ – etwa Proteste beim Vorbeifahren des
Konvois von König Felipe VI. in Barcelona. Es passierte allerdings nichts.
## Vorwürfe der Russland-Connection an Puigdemont
Die Ermittlungen von Richter Joaquín Aguirre in Barcelona, die er am Tag
vor der Parlamentssitzung wiederbelebte, drehen sich um angebliche
[3][Verbindungen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zum Kreml.]
Diese legte er in einem Ermittlungsbericht dar, der auch dem deutschen
TV-Sender SWR, der spanischen Zeitung El Periódico und dem Organized Crime
and Corruption Reporting Project (OCCRP) vorliegt. Der SWR berichtet: „Am
27. Oktober 2017 ließ der damalige katalanische Ministerpräsident Carles
Puigdemont in Barcelona die Unabhängigkeit ausrufen. (…) Laut
Ermittlungsbericht soll der Separatistenführer hinter verschlossenen Türen
nur einen Tag vorher einen Putin-Gesandten in seinem Haus empfangen haben.“
Von den Ermittlungen betroffen sind vor allem Unternehmer sowie die rechte
Hand von Puigdemont, Josep Lluís Alay. Sie sollen sich mit dem Vertrauten
Putins getroffen haben. Dabei habe der Kreml der katalanischen Regierung
vor dem Referendum im Falle einer Unabhängigkeit 500 Millionen Dollar Hilfe
und 10.000 bewaffnete Soldaten zur Verteidigung gegen Spanien angeboten.
Puigdemonts Umfeld sei sogar über den geplanten Einmarsch in die Ukraine
informiert worden.
Aguirre warnt in einem TV-Interview, das er keine 24 Stunden vor der
Parlamentssitzung – entgegen allen richterlichen Gewohnheiten – dem
deutschen TV-Sender ARD gab: Der Kreml wolle mithilfe der katalanischen
Unabhängigkeitsbewegung Spanien und „alle europäischen liberalen
Demokratien destabilisieren“.
Richter Aguirre hatte bereits 2021 und 2022 schwere Rückschläge einstecken
müssen. So musste er Ermittlungen über angebliche Ölgeschäfte im Umfeld von
Puigdemont einstellen, da es „keine soliden Beweise“ gab. Die
Antikorruptionsstaatsanwaltschaft hatte von Anfang an die Ermittlungen
abgelehnt. Der wichtigste Beweis gegen Alay – der bereits damals im Zentrum
der Ermittlungen stand – war ein angebliches Dokument des russischen
Geheimdienstes, das die Guardia Civil auf dem Handy Alays gefunden hatte.
Es wurde mehreren rechten Tageszeitungen zugespielt, die es
veröffentlichten. In Wahrheit handelte es sich um die ersten Seiten der
Übersetzung des Romans von Elena Vavilova. Er diente als Inspiration für
die vielfach preisgekrönte Spionageserie „The Americans“.
Mitarbeit: Lisa Schneider
31 Jan 2024
## LINKS
[1] /Spaniens-Amnestiegesetz/!5980183
[2] /Regierungsbildung-Spanien/!5969555
[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/spanien-separatisten-puigdemont-…
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Carles Puigdemont
Katalonien
Spanien
PP
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