| # taz.de -- Hintergrund des Begriffs „Remigration“: Angriff auf die Mitte | |
| > Die Idee der „Remigration“ basiert auf dem Begriff des | |
| > „Ethnopluralismus“. Diesen nutzen Rechte seit Jahren, um die Gesellschaft | |
| > zu infiltrieren. | |
| Bild: Arbeitet an einer „Normalisierung durch Provokation“: Rechtsextremist… | |
| Deportationsvorstellungen haben AfD-Politiker:innen und rechte | |
| Publizist:innen zwar schon seit Jahren ausgebreitet, aber nun ist ein | |
| Begriff in aller Munde: Die [1][„Remigration“]. Die Rede von Martin Sellner | |
| beim Treffen in Potsdam hallt nach. Ein diskursiver Sieg? In der AfD | |
| lavieren die führenden Personen zwischen Relativierungsbemühungen und | |
| Angriffsversuchen. Keine Überraschung, erstmals seit Jahren muss sich die | |
| Partei für ihre Positionen gesamtgesellschaftlich öffentlich rechtfertigen. | |
| Gegen diesen Rechtfertigungsdruck aus der Mitte der Gesellschaft versucht | |
| sich das gesamte „patriotische“ Milieu zu stemmen, mitunter auch mit | |
| Verschwörungsnarrativen. Der Vorsitzende der niedersächsischen | |
| AfD-Landtagsfraktion, Stefan Marzischewski, spricht von einer „fehlerhaften | |
| Berichterstattung über ein privates Treffen“ und redet von einer | |
| „exzessiven Diffamierungskampagne“. | |
| Dirk Nockemann, AfD-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft, geht von | |
| einer „politmedialen Hetze“ der SPD aus, es handele sich gar um eine | |
| „historische Desinformation“. In einer Bürgerstunde der Hamburger | |
| AfD-Fraktion war jüngst der Jurist und CDUler Ulrich Vosgerau zu Gast, der | |
| auch am Potsdamer Treffen teilnahm. Auch er versuchte das [2][Thema | |
| abzuschwächen]. Vosgerau schrieb schon in der neu-rechten Jungen Freiheit, | |
| dass Sellner nur ein „umstrittener Schriftsteller“ sei, der bloß sein Buch | |
| vorgestellt habe. | |
| Diesen diskursiven Konflikt strebt die selbsternannte „Neue Rechte“ schon | |
| seit Jahrzehnten an. Im vorpolitischen Raum sollen Themen und Termini | |
| gesetzt werden, um im politischen Raum Einfluss und Macht zu gewinnen. | |
| Einen der ersten Versuche startete 1964 Lothar Penz in Hamburg. Mit dem | |
| Arbeitskreis „Junges Forum“, der auch eine Publikation mit dem selben Namen | |
| verantwortete, sollte „die theoretische Basis eines neuen Denkgebäudes“ | |
| geschaffen werden. | |
| ## „Ethnopluralismus“ bedeutet „Ausländer raus“ | |
| Der „intellektuelle Führungskreis“ des Forums wusste, dass es geboten war, | |
| mit einer modifizierten Argumentation und moderater Rhetorik aufzutreten, | |
| um politische Positionen thematisieren und etablieren zu können. Aus diesem | |
| Kreis kommt auch der Historiker und Publizist Hennig Eichberg, der den | |
| Begriff des [3][„Ethnopluralismus“] prägte und damit eine bis heute gülti… | |
| Argumentationsbasis entwarf, ohne die letztlich die „Remigration“-Vision | |
| nicht zu denken ist. | |
| Warum Rechte nicht von Rückführungen oder Deportationen sprechen, zeigt | |
| dieses Konzept auf: Der Ethnopluralismus geht von Ethnien aus, die | |
| historisch zu einer homogenen Gemeinschaft gewachsen sind, mit einer | |
| eigenständigen Identität und Kultur, die es zu bewahren gelte. | |
| Die Argumentation klingt freundlich, doch schon die Prämisse, dass sich | |
| Ethnien eigenständig und ohne Einfluss von anderen Ethnien entwickelten, | |
| ist falsch. Die zugrundeliegende Botschaft, dass Ethnien vor fremden | |
| Einflüssen geschützt werden müssten, ist letztlich radikal. Sie bedeutet | |
| nichts anders als: Ausländer raus, Deportation, Remigration. In seinem Text | |
| „Strategie der Sammlung“ hebt Sellner selbst hervor, dass ein „homogenes | |
| ‚deutsches‘ Deutschland“ nicht aufgegeben werden sollte. | |
| Ist es diesem Milieu 2024 gelungen, nach über 60 Jahren mit der Vision der | |
| „Remigration“, die ohne Ethnopluralismus nicht greift, die | |
| gesellschaftliche Mitte zu beeinflussen? In der Zeitschrift Sezession | |
| versucht [4][Martin Sellner] nun, die laufende Debatte als Erfolg zu | |
| feiern. Und das, obwohl die AfD leicht bei Umfragen verliert. Er schreibt: | |
| „Das strategische Ziel der Normalisierung durch anschlussfähige Provokation | |
| besagt auch, dass man unter Umständen für eine langfristige metapolitische | |
| 'Gebietseroberung’ temporär Verluste an Stimmen und Popularität hinnehmen | |
| muss.“ „Verschreckte Wechselwähler“ kämen später zurück. | |
| 8 Feb 2024 | |
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| Andreas Speit | |
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