# taz.de -- Prozess gegen Linke in Hamburg: Viel Aufwand gegen G20-Gegner*innen | |
> Zum Auftakt des G20-Rondenbarg-Prozesses zweifelt die Richterin die | |
> Verhältnismäßigkeit an. Der Einsatz sei hoch, die zu erwartenden Strafen | |
> gering. | |
Bild: Unterstützung für die Angeklagten des G20-Gipfels gibt es nach sechsein… | |
HAMBURG taz | Eine Angeklagte fehlte, als der [1][G20-Rondenbarg-Prozess] | |
am Donnerstag mit zwei Stunden Verspätung eröffnet wurde. Die peniblen | |
Einlasskontrollen, denen sich die rund 70 Zuschauer*innen auf dem Weg | |
zum Hochsicherheitssaal des Hamburger Landgerichts unterziehen mussten, | |
verzögerten den Start des Mammutprozesses. | |
Sechs Angeklagte müssen sich im Rahmen des G20-Protests im Juli 2017 wegen | |
Vorwürfen des besonders schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs, | |
versuchter gefährlicher Körperverletzung, Bildung einer bewaffneten Gruppe | |
und Sachbeschädigung verantworten. In der ersten Reihe des Gerichtssaals | |
blieb der Platz neben dem Verteidiger leer – der Anwalt gab an, seine | |
Mandantin nicht erreicht und nichts von ihr gehört zu haben. Die Kammer | |
trennte das Verfahren ab und eröffnete den Prozess gegen die Verbliebenen. | |
„Um eine Strafe geht es hier nicht“, stellte die Richterin zu Beginn klar. | |
Sechseinhalb Jahre nach den Ereignissen sei es wahrscheinlich, dass vom | |
möglichen Strafmaß nichts mehr übrig bleibe. Dass so viel Zeit vergangen | |
sei, stelle eine rechtsstaatswidrige Verzögerung dar, die das Strafmaß | |
mindern würde, sollten die Angeklagten schuldig gesprochen werden. Zudem | |
sehe die Richterin die hohe Belastung für die Angeklagten durch das | |
jahrelang über ihnen schwebende Verfahren und die weite Anreise. Bis | |
mindestens in den August hinein sollen sie an vier Tagen im Monat | |
erscheinen. Zwei von ihnen wohnen in Süddeutschland. | |
Aus Sicht der Kammer stelle sich daher die Frage, ob der Aufwand, gemessen | |
am möglichen Ergebnis, im Verhältnis stehe, so die Richterin. Irgendwann | |
müsse der Fall allerdings mal aufgeklärt werden. Im Zentrum stünden die | |
Fragen „Was darf Protest?“ und „Was geschah am Rondenbarg wirklich und war | |
der Protestzug eine normale Demonstration?“ | |
## Einstellung möglich | |
Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, die 150 bis 200 | |
G20-Gegner*innen, die durch das Industriegebiet gezogen waren, hätten einen | |
gemeinsamen Tatplan verfolgt, der nur darauf zielte, Polizeikräfte zu | |
binden, anzugreifen und Schaden anzurichten. Deshalb seien alle Teilnehmer | |
des „Aufzugs“ – den die Staatsanwaltschaft nicht als vom Versammlungsrecht | |
geschützte Demo versteht – für alle Taten verantwortlich zu machen. Den | |
Angeklagten wirft sie keine individuellen Gewalthandlungen vor. | |
Zwei der Angeklagten lasen eine Prozesserklärung im Namen aller Angeklagten | |
vor. Eine Verurteilung wegen des legitimen Protests [2][könnte fatale | |
Folgen für das Versammlungsrecht haben], sagten sie. Eine Verteidigerin | |
beantragte die Einstellung des Verfahrens, weil es nicht auf | |
rechtsstaatlichen Voraussetzungen fuße. Alle Verteidiger*innen | |
schlossen sich dem an. Nach der Verhandlung tagte die Kammer ohne die | |
Öffentlichkeit mit allen Prozessbeteiligten, um die Möglichkeiten einer | |
Einstellung zu erörtern. | |
19 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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