# taz.de -- G20-Ermittlungen gegen Polizisten: Keine Heilung für Hamburgs Just… | |
> Die Botschaft der Staatsanwaltschaft bleibt: In Hamburg dürfen Polizisten | |
> Beine brechen, ohne dass etwas passiert. Hauptsache, sie tun es | |
> gemeinsam. | |
Bild: Aufnahmen von Polizeibrutalität bei den G20-Demos 2017 gibt's en masse | |
Fatal war das Zeichen, dass Hamburgs Staatsanwaltschaft ausgesandt hatte: | |
Kein einziger Polizist, [1][so schien es Anfang Dezember], der an den | |
G20-Krawallen in Erfüllung seiner beruflichen Pflicht teilgenommen hatte, | |
sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass dabei mehrfach die | |
Polizeigewalt ins Illegale gekippt war. Dabei waren Fälle darunter, bei | |
denen sie erkennbar jedes Maß und jede Mitte verloren hatte. | |
Es schien, als hätte die Strafverfolgungsbehörde nur das Anliegen verfolgt, | |
Bürgermeister Olaf Scholz’ absurde und falsche Behauptung, es hätte rund um | |
den Gipfel keine Polizei-Gewalt gegeben – schließlich hat Polizei ja doch | |
den Auftrag Gewalt auszuüben! – zu einer Wahrheit umzubiegen. | |
Ein Debakel für den Rechtsstaat, denn: dessen Qualität zeigt sich weniger | |
darin, wie er normale Straftaten verfolgt. Das bekommt jede Diktatur hin. | |
Gut ist nur der Staat, der dies mit rechtsstaatlichen Mitteln tut. Folglich | |
muss er diejenigen, die seine Ordnung mit Gewalt aufrecht erhalten sollen, | |
es aber falsch, brutal oder gar mit Sadismus tun, zuverlässig aus dem | |
Verkehr ziehen. Das geht nur mit einer Strafjustiz, die sich dem Korpsgeist | |
und der Omertà der Truppe entgegenstellt. | |
Heißt: Für die per se gemeinsam begangenen Polizeigewalt-Delikte müsste, | |
wie bei Bandenkriminalität üblich, das Prinzip der individuellen | |
Schuldzumessung flexibler gehandhabt werden. Wenn drei Polizist*innen | |
zusammen einer Demonstrierenden das Bein brechen, dann ist nur derjenige | |
von ihnen Nichttäter, der versucht, diesen Gewaltexzess zu verhindern – | |
oder wenigstens denjenigen anzeigt, der ihn ausübt. Wer hier schweigt, ist | |
Mittäter. [2][Für jeden anderen Schlägertrupp würde das gelten.] | |
## Verbliebene Verdächtige als Sündenböcke | |
Zwar hatte die Generalstaatsanwaltschaft angeordnet, sechs eingestellte | |
Verfahren wieder aufleben zu lassen, um eine „unvermindert kritische | |
Berichterstattung“ zu beschwichtigen. Drei sind endgültig eingestellt, | |
[3][in einem Fall wird jetzt doch Anklage gegen Polizisten erhoben]. Aber | |
das heilt gar nichts, solange die krassen Taten ungesühnt bleiben. | |
Zugleich setzt es die drei noch offenen Ermittlungen unter einen unguten | |
Erfolgsdruck: Die verbliebenen Verdächtigen haben allen Anlass, sich als | |
Sündenböcke für die Davongekommenen zu fühlen. Dieses Dilemma hat sich | |
Hamburgs Justiz im Laufe von sechs Jahren selbst konstruiert. Mit jeder | |
Bewegung fügt sie sich mehr Schaden zu. Die G20-Aufarbeitung wird in der | |
Geschichte immer ein warnendes Beispiel bleiben. | |
12 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ermittlungen-gegen-Polizei-eingestellt/!5974132 | |
[2] https://strafrecht-online.org/problemfelder/bt/224/obj-tb/gem-begehung/ | |
[3] /G20-Gipfel-2017-in-Hamburg/!5976099 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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