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# taz.de -- G20-Proteste in Hamburg vor Gericht: Zuschauen als Straftat
> Die Hamburger Staatsanwaltschaft will Kollektivhaftung bei Demos. Aktuell
> stehen sechs Linke vor Gericht, die beim G20-Gipfel dabei waren.
Bild: Angeklagte des „Rondenbarg-Prozesses“ und ihre Anwälte stehen in ein…
Die Hamburger Staatsanwaltschaft fährt einen Großangriff auf die
Grundrechte: Sie will das Versammlungsrecht beschneiden. Die sechs
Personen, die seit Donnerstag [1][als Angeklagte vor dem Landgericht
stehen], sind nicht die ersten Bauernopfer dieses politischen Feldzugs, der
sich gegen linke Demonstrant*innen richtet. Seit dem G20-Gipfel im Jahr
2017 versucht die Hamburger Behörde es immer wieder, bislang erfolglos.
Angeklagt sind dieses Mal sechs G20-Gegner*innen aus dem Schwarzwald,
Stuttgart, Berlin, Bielefeld, Bad Honnef und Bonn. Bis mindestens in den
Spätsommer hinein sollen sie regelmäßig nach Hamburg reisen, um sich gegen
schwere Vorwürfe zu verteidigen – dabei haben sie nichts getan. Das gibt
die Staatsanwaltschaft sogar zu und wirft ihnen dennoch besonders schweren
Landfriedensbruch, tätlichen Angriff, versuchte gefährliche
Körperverletzung, Bildung einer bewaffneten Gruppe und Sachbeschädigung
vor. Wie geht das zusammen?
Am 7. Juli 2017 waren rund 200 G20-Gegner*innen von einem angemeldeten
Protestcamp im Norden Hamburgs aufgebrochen, um einem Aufruf des
Protestbündnisses zu folgen und in der ganzen Stadt Zufahrtswege zum Gipfel
zu blockieren. In der Straße Rondenbarg stießen sie auf zwei
Polizeieinheiten – eine kam von vorne, eine von hinten. Eine von beiden war
die als brutal bekannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Blumberg der
Bundespolizei.
Die Beamt*innen zerlegten die Demonstration binnen Minuten. Ein paar
Steine und Böller, die aus der Demo in Richtung Polizei und Wasserwerfer
flogen, trafen nicht. Die Bilanz unter den Demonstrant*innen hingegen:
85 Festnahmen, zahlreiche Verletzte und 14 Schwerverletzte.
## Sprung in die Tiefe
In Panik hatten einige Demonstrant*innen versucht, über ein Geländer
zwei Meter in die Tiefe zu springen. Das Geländer brach ab, unten blieben
sie teils mit offenen Brüchen liegen. Allen 85 Festgenommenen droht seitdem
ein Verfahren, wie es nun gegen die sechs Angeklagten angelaufen ist.
Wie kommt die Staatsanwaltschaft nun zu den schweren Vorwürfen? Sie beruft
sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. Mai 2017. Der BGH
entschied damals, dass Teilnehmer einer Schlägerei zwischen
Fußball-Hooligans des Landfriedensbruchs schuldig seien, auch wenn sie
nicht persönlich zugeschlagen hätten. Das „ostentative Mitmarschieren“ in
Dreierreihen zum Ort der Prügelei habe gereicht, um psychische Beihilfe
zum gemeinsamen Tatplan zu leisten.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft möchte dieses [2][„Mitgefangen,
mitgehangen“-Prinzip] auch auf Demonstrationen anwenden. Sie argumentiert,
die Angeklagten hätten durch ihre bloße Teilnahme am Demonstrationszug
psychische Beihilfe zu den Taten geleistet – wobei bis auf eine entglaste
Bushaltestelle nicht mal ein Sachschaden entstand. Sollte die
Staatsanwaltschaft mit ihrer windigen Argumentation durchkommen, hätte das
schwere Folgen für Demokratie und Rechtsstaat. Man könnte auf keine Demo
mehr gehen, ohne davon ausgehen zu müssen, verknackt zu werden, falls
jemand anders Steine schmeißt.
Schon drei Mal ist die Hamburger Staatsanwaltschaft mit diesem Ansinnen
gescheitert. Zwei Mal [3][in Sachen Rondenbarg] – beide Prozesse platzten –
und einmal im G20-Elbchaussee-Prozess, wo die Richterin ihr widersprach.
Dass sie es ein viertes Mal versucht, zeigt, wie verbissen sie ihren
Feldzug gegen linke Demonstrant*innen fährt. Dieses Verhalten ist einer
Demokratie nicht würdig. Die Justizsenatorin sollte die wild gewordenen
Staatsanwält*innen in die Schranken weisen.
19 Jan 2024
## LINKS
[1] /Sechseinhalb-Jahre-nach-dem-G20-Protest/!5982253
[2] /Prozess-zu-G20-Gipfel-in-Hamburg-2017/!5650018
[3] /Angeklagter-ueber-G20-Rondenbarg-Prozess/!5728931
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
wochentaz
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Versammlungsrecht
Demonstrationsrecht
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