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# taz.de -- Israels Siedlerbewegung: Zurück in den Gazastreifen
> Bei einem Kongress erneuern Israels Radikale Ansprüche auf den schmalen
> Gaza-Küstenstreifen. Mit dabei: mehrere Minister aus Netanjahus Kabinett.
Bild: Keine Berührungsängste: Israels Minister für nationale Sicherheit, Ita…
Sie tanzen, eingehakt im Kreis, und singen, als hätten sie schon gewonnen,
als wären die Siedlungen in Gaza schon errichtet: [1][Finanzminister
Bezalel Smotrich, Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir] und
einige andere rechte Siedleraktivist*innen. Gemeinsam mit Tausenden von
rechten Aktivist*innen versammelten sie sich zu einer Konferenz im
Jerusalemer Kongresszentrum unter dem Motto: „Nur Siedlungen bringen
Sicherheit.“
Organisiert wurde sie von der radikalen Siedlerorganisation Nahala.
Insgesamt nahmen an ihr elf Minister der extrem rechten Regierungskoalition
teil. Verschiedene Akteur*innen ringen derzeit um eine Antwort auf die
Frage, wie die Zukunft des Gazastreifens aussehen soll. Die
radikalideologischen Siedler*innen, die mit ihrer Regierungsbeteiligung
enorm an Einfluss gewonnen haben, haben mit der Konferenz ihre Antwort
darauf in den Ring geworfen: eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens.
Einige der Redner*innen, unter ihnen Kommunikationsminister Schlomo Karhi
von der Partei Likud, gingen noch einen Schritt weiter und forderten die
„Förderung der freiwilligen Auswanderung“. Die Zivilbevölkerung des
Gazastreifens könne angesichts des Israel aufgezwungenen Krieges nun
gezwungen sein, zu sagen, dass sie das Gebiet verlassen wolle. Passend dazu
flatterte ein Transparent in der Kongresshalle mit der Aufschrift „Nur
Transfer bringt Sicherheit“ von einer Balustrade.
„Es ist Zeit, nach Gusch Katif zurückzukehren“, verkündete Minister Itamar
Ben Gvir, der auch Vorsitzender der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit
ist. Gusch Katif – das war der Siedlungsblock im Gazastreifen, der im Jahr
2005 einseitig geräumt wurde.
## Bulldozer und Tränen
Die Bilder von den Soldat*innen, die ihre Landsleute aus ihren Häusern
trugen und in Tränen ausbrachen, von Bulldozern, die Häuser zerstörten,
gingen um die Welt. Für die radikalideologische Siedlerbewegung blieb es
ein Traum, Gusch Katif wiederaufzubauen, doch der Traum blieb eine
Randerscheinung – bis zum 7. Oktober. Mit dem Krieg in Gaza ist er eine
ernsthafte Option geworden.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu selbst nahm nicht an der Konferenz
teil. Er erklärte am Samstagabend, dass er gegen die Umsiedlung des
Gazastreifens sei und dass dies keine akzeptierte Regierungspolitik sei –
seine Ablehnung einer Wiederbelebung der jüdischen Siedlungen im
Gazastreifen habe sich nicht geändert, erklärte er auf einer
Pressekonferenz am Samstagabend. Viele stellen sich jedoch die Frage, was
Netanjahu dafür tun wird, dies zu verhindern.
Oppositionsführer Yair Lapid kritisierte die Veranstaltung heftig und
erklärte, die Regierung habe damit „einen neuen Tiefpunkt erreicht“. Die
Konferenz sei „eine Schande für Netanjahu und die Partei, die einst im
Zentrum des nationalen Lagers stand, jetzt aber ziellos hinter Extremisten
hergezogen wird“.
In den sozialen Medien hagelte es wütende Kommentare. „136 von der Hamas in
Gaza gefangen gehaltene Geiseln, und die Regierung tanzt“, schrieb der
Sprecher der Friedensorganisation Peace Now auf X. Vor dem Konferenzgebäude
hatten sich am Samstagabend einige Dutzend Gegendemonstrant*innen
versammelt: „Die Initiatoren dieser Konferenz wollen damit die israelische
Gesellschaft, die Regierung und die Staatengemeinschaft vor vollendete
Tatsachen stellen“, sagte einer.
Der palästinensische Menschenrechtsaktivist Issa Amro aus Hebron betont
gegenüber der taz, dass die Siedler*innen mit einer Besiedlung im
Gazastreifen durchaus erfolgreich sein könnten: „Die Siedler haben bei uns
im Westjordanland gelernt, dass die Staatengemeinschaft sowieso wegschaut.“
Doch ob die Staatengemeinschaft, allen voran die USA, wirklich tatenlos
zusehen würde, ist fraglich. Die Regierung von [2][Joe Biden macht sich
seit Monaten verstärkt für eine Zweistaatenlösung stark.] Ein Angebot Mitte
Januar hätte einen Durchbruch bringen können, nicht jedoch mit der
derzeitigen israelischen Regierung unter Netanjahu. Hochrangigen US-Beamten
zufolge hatte Saudi-Arabien Israel Mitte Januar eine Normalisierung der
Beziehungen angeboten, wenn Israel im Gegenzug den Weg für einen
palästinensischen Staat freimachen würde.
Netanjahu hatte dieses Angebot Medienberichten zufolge abgelehnt, dabei
versucht er seit Langem, diesen diplomatischen Sieg zu erringen. Doch
seinen Wahlkampf, den er in Erwartung von Neuwahlen bereits inoffiziell
eingeläutet hat, führt er vor allem mit einer klaren Absage an einen
palästinensischen Staat.
Doch das Weiße Haus versucht, die Pläne für die Zukunft – in der Israel
möglicherweise unter einer anderen Führung stehen wird – warmzuhalten.
Netanjahu werde „nicht für immer da sein“, wurden die US-Beamten weiter
zitiert. Allerdings ist auch nicht klar, wie lange Biden noch im Amt sein
wird. Sollte Joe Biden bei den nahenden Präsidentschaftswahlen von Donald
Trump abgelöst werden, so würde der Weg zu einem palästinensischen Staat
wohl vorerst noch einmal steiniger, als er ohnehin schon ist.
29 Jan 2024
## LINKS
[1] /Zukunft-des-Gazastreifens/!5980050
[2] /Nach-dem-Krieg-in-Gaza/!5979106
## AUTOREN
Mirco Keilberth
Judith Poppe
## TAGS
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