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# taz.de -- Humanitäre Lage im Gazastreifen: Die andere Stimme Israels
> Wegen mangelnder Hilfslieferungen droht in Gaza eine Hungersnot. Die
> jüdisch-palästinensische Gruppe Standing Together will das nicht
> hinnehmen.
Bild: Praktische Hilfe, politischer Protest: der Konvoi von Standing Together a…
Gazagrenze taz | Rula Daood steht auf dem Parkplatz einer Tankstelle 5
Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt. „Wir wollen zeigen,
dass es ein anderes Israel gibt, das weiß, dass alle verlieren, wenn dort
drüben Kinder verhungern“, sagt die Aktivistin der
jüdisch-palästinensischen Bewegung [1][Standing Together]. Daood und zwei
Dutzend Mitstreiter haben einen Lastwagen gemietet und sind am
Donnerstagmorgen aus Tel Aviv aufgebrochen. „Wir hoffen, dass wir Essen und
humanitäre Hilfe nach Gaza bringen können.“
Rund 20 Fahrzeuge mit den lilafarbenen Fahnen der Gruppe begleiten die
Lieferung. Auf der Ladefläche liegen Plastiktüten voller Linsen, Mehl und
Konserven – viel ist es nicht. Laut Hilfsorganisationen bräuchte es täglich
Hunderte Lastwagen, um die 2,3 Millionen Menschen in Gaza mit dem Nötigsten
zu versorgen. „Wir haben nur einen Tag lang öffentlich gesammelt, weil wir
Probleme vermeiden wollten“, sagt Daood. Umfragen zufolge sind 68 Prozent
der jüdischen Israelis gegen Hilfslieferungen. Den Treffpunkt
veröffentlichte die Gruppe erst kurz vor der Abfahrt.
Angesichts der drohenden Hungersnot in Gaza wächst international die Kritik
an der israelischen Führung. US-Präsident Joe Biden warnte Israel bei
seiner [2][Rede zur Lage der Nation am Donnerstag] davor, humanitäre Hilfe
als Druckmittel einzusetzen. Weil die israelische Regierung sich seit
Wochen weigert, mehr Hilfe in den Küstenstreifen zu lassen, kündigten die
USA zudem an, vor der Küste von Gaza ein schwimmendes Dock für eine
Versorgung auf dem Seeweg bauen zu wollen. US-amerikanische und jordanische
Flugzeuge warfen mehrmals Lebensmittel aus der Luft über dem Küstenstreifen
ab, können damit aber nur einen Bruchteil dessen liefern, was nötig wäre.
Auf dem Weg nach Süden passiert Daoods Konvoi das Gelände des
[3][Nova-Festivals, auf dem Hamas-Terroristen am 7. Oktober mehr als 350
Menschen ermordeten]. In der Nähe wummern Artilleriegeschütze, die Ziele in
Gaza beschießen. Mehr als 30.000 Menschen wurden dort seit Kriegsbeginn
nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums
getötet.
## Es fehlt an Grenzübergängen
Unter den Autoreifen sirrt der von Panzerketten malträtierte Asphalt. Die
Aktivisten wollen Kerem Schalom an der ägyptischen Grenze erreichen, den
einzigen Grenzübergang, den Israel für Hilfslieferungen geöffnet hat. Doch
wenige Kilometer vorher stoppen Polizei und Armee den Tross an einer
Kreuzung nahe dem Kibbutz Nir Jitzhak. Der Übergang sei militärisches
Sperrgebiet.
Die Aktivisten sind nicht die Einzigen, die zum Grenzübergang wollen.
Zweimal pro Woche machen sich religiös-nationalistische Gruppen auf den
Weg nach Kerem Schalom und blockieren teils stundenlang die Zufahrt unter
den Augen von Polizei und Armee. „Geht doch rüber nach Gaza und bleibt
dort“, ruft eine Autofahrerin dem Konvoi zu. „Ich bin dafür, dass die
Menschen in Gaza erst wieder Hilfe bekommen sollen, wenn die Hamas alle
israelischen Geiseln freigelassen hat.“
Rund 300 Lkw-Ladungen wären laut dem Welternährungsprogramm nötig, um die
Zivilbevölkerung im weitgehend zerstörten Gazastreifen mit dem Nötigsten zu
versorgen. Aktuell kommen rund 100 Lastwagen täglich in das Gebiet, im
Februar waren es im Schnitt nur 83 pro Tag. Zum einen fehlt es an
Grenzübergängen, die meiste Hilfe kommt durch Kerem Schalom, einige Dutzend
Lastwagen pro Tag passieren zudem den ägyptischen Grenzübergang Rafah.
Grenzübergänge im Norden hält Israel geschlossen. Lieferungen dorthin
müssen daher von Süden durch den Küstenstreifen gelangen, in dem gekämpft
und bombardiert wird. Zum anderen wird jede Ladung von Israel auf
militärisch nutzbare Güter kontrolliert. Dabei wurden laut CNN teils
komplette Lastwagen zurückgewiesen, weil sie Gegenstände wie
Kinderspielzeug und Gehhilfen geladen hatten. Israel beschuldigt hingegen
die Hilfsorganisationen, die Hilfsgüter nicht schnell genug zu verteilen.
## Eine halbe Million vom Hungertod bedroht
Im Gazastreifen herrscht indes Verzweiflung. Immer wieder werden
Hilfskonvois im Inneren des Küstenstreifens vom Militär behindert oder
[4][von hungrigen Menschen gestoppt und leergeräumt], bevor sie die am
schlechtesten versorgten Gebiete im Norden erreichen. Vergangene Woche
starben nach palästinensischen Angaben 118 Menschen nahe eines
Hilfskonvois, [5][unter anderem durch Schüsse israelischer Soldaten]. Mehr
als eine halbe Million Menschen sind nach Angaben der UNO vom Hungertod
bedroht.
Drei Minuten gibt die Grenzpolizei den Aktivisten am Donnerstag, um die
Straße zu räumen und umzukehren. Trotzdem wertet Suf Patischi, einer der
Mitorganisatoren, die jüdisch-palästinensische Konvoi-Aktion als Erfolg.
Dass sie die Spenden binnen eines Tages zusammenbekommen hätten, zeige: „Es
gibt eine andere Stimme in Israel, eine die nicht möchte, dass Menschen in
Gaza verhungern.“ Standing Together wolle es bald erneut mit einer
Lieferung versuchen oder die Hilfsgüter an in Gaza tätige internationale
Organisationen übergeben.
8 Mar 2024
## LINKS
[1] /Palaestinenserin-und-Jude-ueber-den-Krieg/!5976681
[2] /Joe-Bidens-Rede-zur-Lage-der-Nation/!5997005
[3] /Angriff-auf-Israel/!5965719
[4] /Krieg-in-Gaza/!5996771
[5] /Katastrophe-in-Gaza-Stadt/!5993293
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
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