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# taz.de -- Antirassistische Wirtschaftsbosse: Demokratie als Nice-to-have
> Ein Video mit leeren Supermarkt-Regalen zeigt, wie es wäre, wenn die AfD
> das Sagen hätte. Das wirtschaftliche Argument gegen Rassismus ist
> fragwürdig.
Bild: Wäre schon blöd, wenn es keine Schokolade mehr im Supermarkt gäbe, son…
Jetzt kann es endlich mal gut sein. Seit Tagen ist das Internet voll damit,
wie toll Edeka ist. Das alles wegen eines sechs Jahre alten auf Instagram
[1][wiederverwerteten Werbevideos mit leeren Supermarkt-Regalen], die
zeigen sollen, wie es wäre, wenn die AfD das Sagen hätte. „Wir lieben
Vielfalt und stehen auf gegen Rechts“, ist die Message. Schön und gut. Aber
das ganze Antifa-Washing der Wirtschaft beginnt wirklich zu nerven.
Seit der Correctiv-Recherche stehen Manager und Lobbybosse vor Journalisten
Schlange, um ihren Take zu bringen, wie wichtig Vielfalt und wie gefährlich
die AfD sei. Um nur zwei Beispiele zu nennen: „Ich will kein Land, in dem
es darauf ankommt, wo deine Großeltern geboren sind, ob du in diesem Land
willkommen bist oder nicht“, sagte dieser Tage der Chef des
Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm. „Wir müssen laut und deutlich
sagen: Hass und Ausgrenzung haben bei uns keinen Platz“, erklärte
Siemens-Energy-Chef Christian Bruch.
Bitte nicht falsch verstehen: Es ist erstmal gut, wenn Vertreter*innen
von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden klare Worte gegen die AfD finden.
Es ist besser, sie treten ein für Toleranz und Vielfalt, als dass sie es
nicht tun. Ihre Statements sind sicherlich auch ehrlich und ernst gemeint.
Sie sind auch nicht neu. Als Alice Weidel im Mai 2018 im Bundestag von
„Kopftuchmädchen“ und „Messermännern“ sprach, twitterte der damalige
[2][Siemens-Chef Joe Kaeser]: „Lieber ‚Kopftuch-Mädel‘ als ‚Bund Deuts…
Mädel‘. Frau Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres
Landes in der Welt. Da, wo die Haupt-Quelle des deutschen Wohlstands
liegt.“
## Bloßer Opportunismus der Wirtschaft
Die Wirtschaftsbosse wissen: Ein Wahlsieg der AfD würde dem Standort
Deutschland massiv schaden. Kaum eine Ökonomie profitiert von einer offenen
Weltwirtschaft so sehr wie die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Für
sie wäre ein Dexit, ein Austritt Deutschlands aus der EU, wie ihn die AfD
will, pures Gift. Und vor allem: Im Jahr 2022 lebten in Deutschland laut
Statistischem Bundesamt 20,2 Millionen Menschen mit
Einwanderungsgeschichte. Das ist fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung.
Würden die Massenabschiebungsfantasien der neuen Nazis Wirklichkeit, würden
den Unternehmen Millionen an Arbeitskräften fehlen.
Und genau hier liegt das Problem, wenn sich Wirtschaftsbosse gegen die AfD
aussprechen: Es bekommt schnell eine utilitaristische Wendung, dass
Rassismus und Faschismus falsch seien, – vornehmlich – weil sie dem
Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. So fallen auch mal Sätze zur AfD
wie jener von der Präsidentin des Autoverbandes VDA, Hildegard Müller: „Das
ist nicht nur eine Bedrohung für unsere Demokratie, es ist eine Bedrohung
für unseren Standort.“ Nach dem Motto: Demokratie ist nice to have, aber
erstmal kommt die Wirtschaft. Als ob Rassismus und Faschismus nicht an und
für sich scheiße sind – egal wie gut oder schlecht sie für die Unternehmen
sind.
Das Argument wird auch nicht besser, wenn Ökonomen wie der Direktor des
arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther,
auf eine historische Verbindung zwischen Demokratie und Kapitalismus
verweisen: „Demokratie und Marktwirtschaft entsprangen historisch denselben
Wurzeln am Beginn der europäischen Moderne vor über 200 Jahren, auf Dauer
können sie auch nur gemeinsam gedeihen“, sagte Hüther. Leider fallen einem
da von den Sklavenschiffen nach Amerika, über Kinderarbeit in Manchester
bis zu Rana Plaza genügend Beispiele ein, dass die Geschichte des
Kapitalismus alles andere als humanistisch ist.
Eine Bitte also ans Edeka-Social-Media-Team: Bitte überlegt euch genau, wie
und wann ihr was auf Instagram postet. Kleiner Tipp: Vielleicht räumt ihr
mal nicht nur im Werbeclip die Regale leer, um ein Zeichen gegen Rechts zu
setzen, sondern tatsächlich auch in euren Filialen. Das würde euch zwar
einen Teil eures Umsatzes und Profits kosten. Dafür würdet ihr dann aber
auch zu recht gefeiert.
24 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.tiktok.com/@edeka/video/7326257011446926625
[2] https://twitter.com/JoeKaeser/status/996700947966513152
## AUTOREN
Simon Poelchau
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