| # taz.de -- Liebknecht-Luxemburg-Demonstration: Rote Nelken, Erbsensuppe und Pr… | |
| > Am 105. Todestag gedenken Linke Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die | |
| > Demo für die Revolutionsführer*innen gleicht einem sozialen | |
| > Happening. | |
| Bild: Demonstrant*innen Gedenken den ermorderten Revolutionsführer*innen Luxem… | |
| Berlin taz | Die Nelke hält er fest in der Hand. „Das Leben auf der linken | |
| Seite ist eine Bereicherung“, sagt der bärtige Mann mit Mütze. Gemeinsam | |
| mit tausenden linken Genoss*innen begibt er sich an diesem Sonntag an | |
| die Gedenkstätte der Sozialisten, um den Revolutionsführer*innen | |
| Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu Gedenken. Sie waren am 15. Januar | |
| 1919 durch faschistische Freikorps ermordet worden. | |
| Mit bedachter Miene legt die Linke Bundes-Parteispitze, Janine Wissler und | |
| Martin Schirdewan, an dem sozialistischen Wallfahrtsort Kränze auf | |
| Luxemburg und Liebknechts Gräbern nieder. Auch die Landesvorsitzenden, | |
| Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, legen einen Kranz nieder. Dann | |
| folgt das Fußvolk. | |
| [1][Für viele Alt-Linke ist dieser Gedenktag ein emotionaler Tag]. So auch | |
| für Peter, einen ehemaligen Hafenarbeiter aus Hamburg. Er ist 1939 geboren. | |
| Durch einen Kollegen vom Schiffbau politisierte er sich und trat mit 17 | |
| Jahren in die SPD ein. 1961 wurde er rausgeworfen und trat in die illegale | |
| KPD ein. „Das war ne wilde Zeit“, sagt er. Heute ist er in der Linken. | |
| Von Wagenknechts neuer Partei, dem Bündnis Sahra Wagenknecht, hält er | |
| jedoch nichts. „Das ist nicht meine Politik“, sagt Peter. „Die gibt Sachen | |
| von sich, die nicht der Realität entsprechen“. Auch ein großgewachsener | |
| Mann, der die Internationale verkauft, ist von dem Bündnis wenig überzeugt. | |
| „Mit ihrer Migrationspolitik macht sie der AfD zu viele Zugeständnisse“, | |
| sagt er. | |
| Die Unruhestifterin ist an diesem Sonntag nicht zu sehen. Auch wenn sie | |
| nicht befürchten muss, Soja-Latte-trinkenden „Lifestyle-Linken“ über den | |
| Weg zu laufen. Vielmehr als um Lifestyle-Probleme geht es hier um die | |
| Gesamtinteressen der Arbeiter*innen. Um diese zu vertreten, stehen Linke | |
| Vereinigungen in einer Festmeile roter Stände vor dem Friedhof. Freudig | |
| wird Glühwein mit Schuss ausgeschenkt – natürlich nur Havanna-Club aus dem | |
| sozialistischen Bruderland. An einer Bushaltestelle wird der | |
| DDR-Oktobersong gesungen. | |
| ## Uneinigkeit in politischen Forderungen | |
| „Schmeißt die pro-NATO und pro-zionistischen Arbeiterführer raus“, steht | |
| auf einem Plakat vor dem Spartakist-Zelt. „Schluss mit der US-Blockade“ | |
| steht auf einem anderen. „Millionärs-Steuer jetzt!“, „enteignen, aber | |
| richtig“ und „stoppt die Bundeswehraufrüstung“, fordert die Deutsche | |
| Kommunistische Partei. | |
| Zwischen Erbsensuppe und Bratwurst diskutieren hier Linke jeglicher Coleur. | |
| „Erzähl doch nicht so einen Quatsch!“, sagt ein älterer Herr zu einem Mann | |
| in Fellmütze, der seine Suppe schlürfend Stalin verteidigt. Während der | |
| Berliner DDR-Aufarbeitungsbeauftragte Frank Ebert auf dem Friedhof den | |
| Opfern des Stalinismus gedenkt und vor Geschichtsvergessenheit mahnt, | |
| [2][verfällt manch anderer in Ostalgie]. „Die Annexion der DDR verschaffte | |
| dem deutschen Imperialismus die Basis, sein Weltmachtstreben auf dem Rücken | |
| aller auszuagieren“, heißt es auf einem Flyer des Vereins „Unentdecktes | |
| Land“. | |
| Neben Alt-Linken finden sich auch einige Jugendliche zusammen. Viele | |
| organisierten sich, weil sie gebeutelt seien „von einer Krise nach der | |
| nächsten“, erzählt ein Mädchen von der Gruppe Funke. Gegen 12 Uhr biegt | |
| ebendiese Jugend unter ohrenbetäubender „Bella Ciao“-Begleitung auf die | |
| Friedhofstraße ein. Vom U-Bahnhof Frankfurter Tor sind sie über die | |
| ehemalige Stalinallee zum Sozialistenfriedhof gezogen. Dieses Jahr unter | |
| dem Motto „Gegen Krieg und Krise! Für Frieden und Solidarität!“. | |
| „Der Roten Jugend die Straße frei!“, skandieren sie. Angesichts all der | |
| Krisen mache sie sich Sorgen, erzählt ein Mädchen. „Und die Politik ändert | |
| nichts.“ Deshalb sei sie seit kurzem Mitglied der Revolutionären Jugend. | |
| Eine andere Demonstrantin, die bei der „Jugend der Notwendigkeit“ mitläuft, | |
| erzählt: „Ich wolle nicht zu den Extremen greifen, aber die Politik hat mir | |
| keine Wahl gelassen“. Was das genau bedeutet, bleibt unklar. | |
| ## Gedenk-Veranstaltung gleicht sozialem Happening | |
| Was sie denn fordere? „Die Revolution“. Und was das bedeute? „Naja…, ha… | |
| gegen den Imperialismus und die NATO und so“. Na dann mal los Genossin. | |
| Vielmehr als einer Gedenk-Veranstaltung gleicht die Demo einem sozialen | |
| Happening. Was früher Harry-Styles-Konzert war, ist heute | |
| Luxemburg-Liebknecht-Demo. Wenn auch mit stetig sinkender | |
| Teilnehmer*innenzahl. In den letzten Jahren erreichte sie, auch | |
| pandemiebedingt, ihren Tiefpunkt. In diesem Jahr sind es nach Angaben der | |
| Polizei mehr als 3.000 Teilnehmer*innen. | |
| Das Gedenken an die KPD-Märtyer*innen knüpfen sie an aktuelle politische | |
| Forderungen. „Wir demonstrieren für Frieden und internationale Solidarität, | |
| gegen Ausbeutung, gegen den Abbau demokratischer Rechte und das Anwachsen | |
| faschistischer Gefahren“, heißt es von Seiten der Organisator*innen. Laut | |
| sind auch die „Free, free Palestine“ Chöre. In Pali-Schals vermummt fordern | |
| sie: „Weg mit dem Verbot der PKK!“ | |
| Demo-Unterstützer ist auch der politisch entgleiste Diether Dehm, der | |
| während der Pandemie wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien | |
| Aufmerksamkeit erhielt. | |
| Plötzlich dreht sich der Demonstrationszug. Es ist Rückzug angesagt. | |
| „Irgendwo sind die Bullen reingerattert“, erklärt eine aufgebrachte, | |
| rot-maskierte Demonstrantin. Blocks vermummter Jugendlichen rennen die | |
| Frankfurter Allee runter. „Bullen, Schweine, Lügner, Mörder!“, rufen sie. | |
| „Hass, Hass, Hass, Hass wie noch nie, All Cops are Bastards, ACAB!“ | |
| Und tatsächlich sind „die Bullen reingerattert“. Jugendliche hocken auf dem | |
| kalten Asphalt, Spuckefäden hängen ihnen aus dem Mund, ihre Nasen bluten | |
| und färben den Bürgersteig rot. Vor einem Wagen mit der Aufschrift: „Yemen, | |
| Yemen, make us proud, turn another ship around“ war es zu | |
| Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. „Das wird noch ekelhaft“, | |
| sagt ein rot-vermummter Jugendlicher. | |
| 14 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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