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# taz.de -- Liebknecht-Luxemburg-Demo zu DDR-Zeiten: Höhepunkte kindlicher Lan…
> Tausende werden am Sonntag in Berlin wieder zur Gedenkstätte der
> Sozialisten pilgern – freiwillig. In der DDR war das nur ein nerviger
> Pflichttermin.
Bild: Vorwärts, und nicht vergessen (bei den richtigen Leuten „Hallo“ zu s…
Nein, ich war kein guter Nachwuchskommunist im Ostberlin der 80er Jahre.
Ich mochte weder das blaue Halstuch der DDR-Jungpioniere noch später das
rote der Thälmannpioniere. Vorschriftsmäßig binden konnte ich die
Kunstfaserdinger ohnehin nicht. Aber vielleicht wollte ich es auch nicht
können.
Soweit ich mich erinnere, ließ mich die ganze
Arbeiter-und-Bauern-Staat-Folklore als Kind herzlich kalt. Russisch-AG,
Mathe-AG: Ständig wurde ich von der Klassenleiterin im Rahmen der
Pionierpädagogik zu langweiligen außerschulischen Arbeitsgemeinschaften ins
nahe Pionierhaus „German Titow“ in Lichtenberg zwangsverpflichtet – um da…
doch nicht mehr hinzugehen.
Einer der Höhepunkte kindlicher Langeweile waren die wiederkehrenden
Festumzüge und sonstigen Zeitverschwendungen der Staats- und Parteiführung,
zu der wir in Pioniergruppenstärke anzutanzen hatten oder von den Eltern
mitgeschleppt wurden. Zur letzteren Nichtbespaßung gehörte Mitte der 80er
einmal auch [1][das Gedenken an die Anfang 1919 ermordeten „Arbeiterführer“
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg].
Über 100.000 Menschen nahmen jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar an der
minutiös organisierten Demonstration vom Frankfurter Tor zur Gedenkstätte
der Sozialisten in Friedrichsfelde teil, [2][vorneweg SED-Chef Erich
Honecker und die anderen realsozialistischen Parteigreise]. Auch meine
Mutter hatte sich regelmäßig im hintendrein trottenden Demonstrationszug
blicken zu lassen. Ich musste dankbarerweise nur das eine Mal mit.
## Möglichst schnell die Biege machen
Ob das neunjährige Kind an ihrer Seite gequengelt hat, weiß meine Mutter
nicht mehr. Nur, dass es kalt war. Und dass das mit dem Blickenlassen
wörtlich zu nehmen war. Wie bei der alljährlichen
Tschingderassabum-Großdemonstration am 1. Mai zu Ehren von Erich Honecker
ging es nach dem Bericht meiner Mutter auch beim drögen Massengelatsche zu
Ehren von Karl und Rosa im Januar vor allem um das Blickenlassen.
„Wir mussten nur gesehen werden von den wichtigen Verantwortlichen aus
meinem Betriebsteil. ‚Hallo, Herr Soundso!‘ Und dann haben wir einfach die
Biege gemacht“, erinnert sich meine Mutter. Die Gedenkstätte wurde von uns
so nie erreicht und ich durfte wieder auf meinen Lieblingsplatz: vor den
Fernseher.
Später setzte ich auf Druck der Klassenleitung (und weil es sonst niemand
machen wollte) zwar doch noch zaghaft zu einer Musterkarriere im
sozialistischen Kollektiv an. Erst war ich Wandzeitungsredakteur meiner
Pioniergruppe, dann Agitator. Allerdings war das genauso rasch wieder
vorbei, weil die DDR zusammenbrach und der Laden dichtgemacht wurde. Ich
habe es nicht bedauert.
Auch die diesjährige Luxemburg-Liebknecht-Demonstration startet am Sonntag,
12. Januar, um 10 Uhr am U-Bahnhof Frankfurter Tor.
10 Jan 2025
## LINKS
[1] /Liebknecht-Luxemburg-Demonstration/!5982784
[2] /Ex-DDR-Staatsoberhaupt-in-Berlin/!6034912
## AUTOREN
Rainer Rutz
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DDR
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