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# taz.de -- Iran in Anschlagspläne verwickelt: Terror im Auftrag Teherans
> Das Urteil nach Anschlagsplänen gegen eine Synagoge hat ein Nachspiel.
> Kommen die Revolutionsgarden jetzt auf die Terrorliste?
Bild: Ein Zaun umgibt die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Bochum
Berlin taz | Ein Urteil am Oberlandesgericht Düsseldorf gegen einen
Deutsch-Iraner wegen eines geplanten Anschlags auf eine Synagoge sorgt für
diplomatische Unruhe. [1][Die Richter hatten festgestellt, dass die
Anschlagsplanung auf „eine staatliche iranische Stelle“ zurückgeht.]
Das iranische Außenministerium nannte die Anschuldigung „unbegründet“. Der
Iran bestellte am Mittwoch laut Staatsmedien den deutschen Botschafter ein.
Das Auswärtige Amt hatte zuvor am Dienstag den iranischen Geschäftsträger
in Berlin vorgeladen.
„Wir werden keine ausländisch gesteuerte Gewalt in Deutschland dulden“,
[2][erklärte das Auswärtige Amt am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst
X]. „Für Konsequenzen und nächste Schritte, auch auf EU-Ebene, ist jetzt
die genaue Urteilsbegründung wichtig.“ Auf Nachfrage der taz führte das
Auswärtige Amt nicht aus, welche Konsequenzen die Entscheidung genau
umfassen könnte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Düsseldorfer Richter hatten einen 36-jährigen Deutsch-Iraner am
Dienstag zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Im November 2022
hatte er einen Brandsatz auf eine Schule in Bochum geworfen, wobei die
Synagoge daneben das eigentliche Ziel war.
## Auftrag für Anschlag kam aus dem Iran
Der Auftrag für den Anschlag kam laut Gericht von einem Hintermann im Iran.
Dabei handelt es sich um einen früheren Hells-Angels-Rocker, der wegen
Mordes gesucht wird und sich in den Iran abgesetzt hatte. Die Tat sei
geeignet gewesen, Angst und Verunsicherung der in Deutschland lebenden
Juden zu erzeugen, erklärte das Gericht. Der Brandanschlag steht mit
Schüssen auf das Rabbinerhaus in Essen in einem Zusammenhang.
Unter anderem [3][die taz hatte berichtet, dass die Ermittler*innen die
islamischen Revolutionsgarden (IRGC) des Irans hinter den Anschlägen
vermuten]. Nach der Urteilsverkündung wurden deshalb Forderungen laut, die
Gerichtsentscheidung nun als Grundlage für eine Aufnahme der
Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste zu nutzen.
Der Antrag dazu müsse „unverzüglich gestellt werden“, forderte Volker Bec…
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. „Die Bundesregierung muss
jetzt in Brüssel die Initiative ergreifen. Der Iran ist ein terroristischer
Staat und die Revolutionsgarden sind ein Tool, um diesen Terror in alle
Welt zu tragen.“ [4][Ähnlich äußerte sich der Oppositionspolitiker Norbert
Röttgen (CDU)].
Die Diskussion um eine [5][Terrorlistung der Revolutionsgarden läuft seit
Monaten]. Offiziell setzt sich das Außenministerium weiterhin dafür ein.
Hinter den Kulissen gibt es Vorbehalte: Der politische Preis für
Deutschland, die Listung durchzusetzen, gilt bei einigen Diplomaten als zu
hoch für einen Akt, der womöglich vor allem symbolische Auswirkungen habe.
Denn unter den EU-Staaten besteht dafür keine Einigkeit.
## Auswärtiges Amt versteckt sich hinter Rechtsgutachten
Anfang der Woche [6][hatte die taz berichtet, dass sich das deutsche
Außenministerium in der Frage hinter einem internen Rechtsgutachten des
Juristischen Diensts des Europäischen Rates versteckt]. Laut Auswärtigem
Amt bestünden demnach die Voraussetzung für eine Listung gegenwärtig nicht.
Dies geht daraus so allerdings gar nicht hervor, berichtete die taz, der
das Papier vorliegt.
Laut Gutachten könnten als Grundlage für eine Listung auch Entscheidungen
von Drittstaaten außerhalb der EU herangezogen werden, sofern dabei die
Rechtsstaatlichkeit eingehalten wurde. Es widerspricht damit unter anderem
Aussagen des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, wonach es angeblich eines
nationalen Urteils innerhalb der EU bedürfe.
Weiterhin waren in dem Gutachten zwei Urteile zur Revolutionsgarde aus den
USA bewertet worden. Der Fall läge zu lange zurück. Das Auswärtige Amt
hatte im Dezember erklärt, dass in keinem der Mitgliedstaaten der EU
einschlägige Beschlüsse vorlägen und dies erst der Anlass der juristischen
Prüfung gewesen sei.
Eine nationale Entscheidung jedenfalls sehen Aktivist*innen und
Oppositionspolitiker*innen nun mit dem Düsseldorfer Urteil
gegeben.
## Anschlag könnte als Tat für Terrorlistung reichen
Laut [7][Lukas Märtin, Rechtswissenschaftler am Max-Planck-Institut für
ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg,] müsse als
Grundlage für eine Terrorlistung nicht unbedingt ein Gerichtsurteil
vorliegen. Ermittlungseinleitungen seitens der Staatsanwaltschaft
beispielsweise genügten unter gewissen Voraussetzungen. Eine Entscheidung
müsse dabei auch nicht notwendigerweise eine Tat betreffen, die im
nationalen Strafrecht als „terroristisch“ behandelt wird. „Die
Voraussetzungen sind relativ vielfältig“, erklärte Märtin. Taten wie ein
versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge mit diesem Kontext fielen
regelmäßig darunter.
Vom Europäischen Gerichtshof sei bisher allerdings noch nicht vollständig
geklärt, ob ein Strafurteil gegen eine Einzelperson, die auf Weisung der
Gruppe handelt, ausreicht, um die jeweilige Gruppe zu listen. „Aus
rechtlicher Sicht spricht allerdings viel dafür“, so Märtin.
Spätestens in der schriftlichen Urteilsbegründung aber müsste spezifiziert
werden, dass es sich bei der „staatlichen iranischen Stelle“, auf die die
Anschlagsplanung zurückgeht, um die islamische Revolutionsgarde oder deren
Quds-Einheit dreht. Laut Märtin müssten „nachgewiesene, zurechenbare
Verbindung“ dargelegt werden.
## Gericht nennt Verbindung zu IRGC nicht explizit
Auf Anfrage der taz erklärte Christina Klein Reesink, Pressesprecherin am
Oberlandesgericht Düsseldorf: Nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden Richter
könne sie mitteilen, „dass konkrete Erkenntnisse, welche Stellen im Iran
hinter dem Auftrag standen, nicht gewonnen werden konnten.“ Entsprechend
äußerte sich ein Sprecher des Generalbundesanwalts gegenüber der taz. Der
Generalbundesanwalt hatte in diesem Fall die Ermittlungen übernommen.
Rechtswissenschaftler Märtin sagt: Strukturell gleiche das Urteil dem
sogenannten Mykonos-Fall des Kammergerichts Berlin, in dem vier Individuen
für den Mord an kurdischen Politikern verurteilt wurden. Bei dem
Mordanschlag wurden im Auftrag des iranischen Geheimdienstes am 17.
September 1992 vier kurdisch-iranische Exilpolitiker im Berliner Lokal
„Mykonos“ erschossen. [8][Ermittelt wurde damals trotz Widerständen aus der
Bundespolitik,] die gerade erst außenpolitisch einen sogenannten
„kritischen Dialog“ mit dem Iran begonnen hatte, wofür das Urteil einen
Rückschlag bedeutete.
Für Martina Renner, Innenpolitikerin der Linken, ist der Einfluss
iranischer Einrichtungen und Gruppen auf militante Gruppen oder Einzeltäter
bereits seit dem Mykonos-Attentat belegt und gerichtlich festgestellt. „Die
Strafverfolgung leidet hier daran, dass die Ermittler eine Erlaubnis, eine
Verfolgungsermächtigung brauchen“, so Renner. Dabei werde abgewogen, ob die
Strafverfolgung der Bundesrepublik beispielsweise außenpolitische Nachteile
bringen könne. Ganz vorne stünden dabei mutmaßlich wirtschaftliche
Interessen.
„Ich kann aber nicht erkennen, welche außenpolitischen Vorteile im
Verhältnis zum Iran durch die fehlende Strafverfolgung entstehen“, sagte
Renner der taz. Aus ihrer Sicht finde beispielsweise die Freilassung dort
inhaftierter Menschen, auch deutscher Staatsbürger, dadurch nicht statt.
Die Sorge um gefangene Deutsche, wie den zu Tode verurteilten Unternehmer
Jamshid Sharmahd, fällt immer wieder als eines der Argumente, wenn es um
die deutschen Beziehungen zum Iran geht. Aktivist*innen nennen das
Vorgehen [9][Irans auch „Geiseldiplomatie“].
21 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/behoerde/presse/Presse_aktuell/20231219_…
[2] https://x.com/AuswaertigesAmt/status/1737181107596955856?s=20
[3] /Anschlaege-auf-Synagogen-in-NRW/!5899893
[4] https://x.com/n_roettgen/status/1737371216569127270?s=20
[5] /Sanktionen-gegen-Irans-Revolutionsgarden/!5910019
[6] /Terrorlistung-von-Irans-Revolutionsgarde/!5977666
[7] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4611553
[8] https://www.deutschlandfunk.de/vor-25-jahren-urteil-im-mykonos-prozess-100.…
[9] /Gefangenenaustausch-USA-und-Iran/!5961356
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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