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# taz.de -- Streit um Berliner Flussbad: Schwimmen und Schnarchen
> Die Vision eines Flussbads in Berlin dümpelt träge vor sich hin – fast
> wäre auch noch das Geld versiegt. Doch langsam kommt Bewegung in die
> Sache.
Bild: 2018 konnten SchwimmerInnen das letzte mal mit einer Sondererlaubnis durc…
Berlin taz | Wenn Dinge so lange dauern, dass sich ein Ende noch gar nicht
ausmachen lässt, sagen Menschen gerne, bis es soweit sei, werde noch viel
Wasser den Fluss hinunterfließen. Im Fall des Berliner Flussbad-Projekts,
das zumindest als Idee nun schon ein Vierteljahrhundert alt ist, scheint
sich die Redewendung regelrecht aufzudrängen – wörtlich genommen wäre es
allerdings fatal: Die Spree, um die es hier geht, ist bekanntlich ein
besonders träger Fluss, der manchmal gar nicht vom Fleck kommen will.
Es war noch im vergangenen Jahrtausend – 1998, um genau zu sein –, als die
Brüder Jan und Tim Edler erstmals ihre Vision ausbreiteten: Menschen
steigen in der Sommerhitze über eine am Lustgarten gelegene Freitreppe in
den kühlen Spreekanal auf der östlichen Seite der Museumsinsel hinab,
kraulen hinüber zum Humboldt Forum, lassen sich bis zum Bodemuseum treiben.
[1][Ein Bild urbaner Lässigkeit und Lebensfreude].
Etliche Jahre später, nach der Gründung des Vereins Fluss Bad Berlin im
Jahr 2012, wird die Vision ein paar Mal greifbar – immer, wenn beim
„Flussbad-Pokal“ SchwimmerInnen mit gelben Bademützen, einer
Sondererlaubnis und viel Spaß durchs Spreewasser pflügen. Seit 2018 hat das
Event aber nicht mehr stattgefunden: Im Jahr darauf [2][stimmte die
Wasserqualität nicht], dann kam Covid, seither hat es keine Genehmigung
mehr gegeben.
Jetzt wäre fast auch noch das Geld vorzeitig versiegt: Von je 300.000 auf
53.000 Euro pro Jahr wollte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) die Zuwendung
an die Geschäftsstelle des Flussbad-Vereins in der Brunnenstraße für 2024
und 2025 zusammenstreichen. Das wurde vom Abgeordnetenhaus noch einmal
relativiert: Nun gibt es für die sieben in Teilzeit Beschäftigten
wenigstens noch einmal 300.000 Euro, erst 2025 wird dann auf ein Sechstel
gekürzt.
## Bereits viele Millionen Euro geflossen
Das wäre nur noch ein dünnes Rinnsal, verglichen mit den Mitteln, die seit
2012 geflossen sind: Vier Millionen, dann noch einmal 1,75 Millionen hatte
es im Rahmen des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“
gegeben, dazu verschiedene weitere sechsstellige Förderbeträge, für das
Projektbüro, aber auch für den Betrieb einer Testfilteranlage auf einem
ausgemusterten Spreekahn und den „Fluss Bad Garten“ neben der
ESMT-Hochschule.
Und was ist nun aus der Vision geworden? Steht das Flussbaden in Berlin
kurz vor der Renaissance, ein Jahrhundert nachdem 1925 die letzte
Badeanstalt in der Spree schließen musste? Oder wird da gerade ein Projekt
abgewickelt, das 2017 sogar von einer breiten Mehrheit des
Abgeordnetenhauses per Beschluss unterstützt wurde?
Beim Senat reagiert man zumindest nicht gerade euphorisch auf Anfragen zum
Thema. Die Umweltverwaltung sagt, sie sei nicht zuständig und verweist an
die Wirtschaftsverwaltung, die wiederum reicht die Anfrage an die
Stadtentwicklungsverwaltung weiter, die aber auch einen Teilrückzieher
macht – denn „wasserrechtliche und/oder wasserhygienische Fragen werden
nicht bei uns verantwortet“.
Nur so viel teilt das Haus von Senator Christian Gaebler (SPD) mit: Das
Flussbad-Projekt sei als städtebauliche Maßnahme „in das Stadtumbaugebiet
‚Umfeld Spreekanal‘ eingebettet“. Und, so Gaeblers Sprecher Martin Pallge…
„Wenn das Projekt Erfolg haben will, muss es vereinfacht werden.“ Statt
„umfangreiche bauliche Eingriffe zu konzipieren“, müssten „zunächst
rechtliche, wasserhygienische und denkmalpflegerische Voraussetzungen für
ein Baden im Spreekanal geklärt werden. Hier geht es um eine konstruktive
Zusammenarbeit mit allen beteiligten Verwaltungen und Akteuren.“ Das seien
die Senatsumweltverwaltung, das Landesamt für Gesundheit und Soziales
(Lageso), das Landesdenkmalamt sowie das Wasserstraßen- und
Schifffahrtsamt.
## Projekt ist einfacher und günstiger geworden
Es klingt, als sei das Vorhaben zehn Jahre auf der Stelle getreten – oder
im Kreis geschwommen, um im Bild zu bleiben. Ein Gespräch mit Tim Edler,
einem der Initiatoren, ergibt ein anderes Bild. Genau genommen, so Edler,
habe sich das Projekt als Ergebnis umfangreicher Untersuchungen, die durch
das Projektbüro des Vereins durchgeführt wurden, deutlich vereinfacht und
sei zugleich billiger geworden.
So seien 90 Prozent der baulichen Anlagen, die der vor einigen Jahren
vorgelegte Entwurf enthalten habe, mittlerweile „wesentlich anders oder
entfallen völlig“, so Edler. Es habe sich herausgestellt, dass weder die
Anlage eines Pflanzenfilters auf der gesamten Kanalbreite oberhalb des
Flussbads noch der darunter hindurchführende Düker – eine Reihe von
Betonröhren, die einen kontrollierten Abfluss bei Hochwasser sicherstellen
würden –, notwendig seien: „Wenn wir das möchten, können wir sehr bald
sogar [3][ohne Wasserfilterung in der Spree schwimmen] gehen. Weil wir in
der Lage sein werden, die Zeiten zu identifizieren, zu denen das dank
ausreichender Wasserqualität problemlos möglich ist.“
Das Wasser sei nämlich „wesentlich besser, als alle gedacht haben“ – auch
weil sich durch den Bau von Stauräumen durch die Berliner Wasserbetriebe
die Überläufe aus der innerstädtischen Mischkanalisation nach Starkregen
schon deutlich verringert hätten. Für die Zulassung als Badegewässer
müssten gleichwohl „noch eine Reihe von Parametern untersucht werden“, so
Edler. Auch der – abgespeckte – Pflanzenfilter sei weiterhin sinnvoll,
„nicht zuletzt aus ästhetischen beziehungsweise psychologischen Gründen“.
Gegenüber den letzten Kostenschätzungen, die sich auf rund 68 Millionen
Euro beliefen, werde man „wenigstens eine Einsparung von 40 Prozent haben“,
glaubt Edler. Die eigentliche Frage laute mittlerweile: „Wie schaffen wir
es, die Erkenntnisse, die da sind, mit einem politischen Willen zu
unterlegen, der sich in Handlungen umsetzt?“ Natürlich könne man noch „bis
zum Gehtnichtmehr“ Gutachten herstellen. „Man kann aber auch einfach sagen:
Wir haben das Wesentliche verstanden, wir wollen das und wir machen das
jetzt.“
## Argumentativer Dauerbeschuss durch KritikerInnen
Dagegen spricht, dass sich der Wind zwischenzeitlich eher gegen das
Flussbad gedreht hat. Zumindest gibt es einige Gruppen, die eine Menge Wind
machen. Hatte vor Jahren schon der Präsident der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, Hermann Parzinger, vor der [4][Entweihung der Hochkultur auf
der Museumsinsel] gewarnt und den Verzicht auf die Freitreppe am Lustgarten
erwirkt, stimmten später noch mehr BedenkenträgerInnen in den Unkenchor
ein: Von den Einheitswippen-Initiatoren Wolfgang Thierse und Günter Nooke
bis zum Domkirchenkollegium, das das Flussbad in einem offenen Brief als
„[5][elitäre Event-Landschaft für Auserwählte]“ bezeichnete.
Der Verdacht lag nahe, dass diese tiefe Abneigung vor allem auf ein
prominentes Mitglied des Kollegiums zurückging: [6][Petra Kahlfeldt], ihres
Zeichens Senatsbaudirektorin und zugleich Mitglied der „Planungsgruppe
Stadtkern“. Einer, wie Tim Edler sagt, „sehr, sehr konservativen Gruppe, zu
der regelrechte Flussbad-Hasser gehören“. Die Planungsgruppe habe es dabei
in den vergangenen Jahren geschafft, großen Einfluss auf die SPD auszuüben.
Gleichzeitig steht der Flussbadverein unter dem argumentativen
Dauerbeschuss des Ingenieurs Ralf Steeg. Der hat [7][andere Ideen für die
Reinhaltung der Spree] und bezeichnet das Projekt regelmäßig als unwirksam,
zu teuer oder beides. „Er hat es geschafft, Leute, die aus anderen Gründen
gegen das Flussbad sind, mit fachlich klingenden, aber falschen oder
irreführenden Argumenten zu munitionieren“, kritisiert Tim Edler. Steeg und
die beiden Brüder haben vor vielen Jahren einmal kooperiert, aber das
Tischtuch ist offenkundig zerschnitten.
Tim Edler glaubt, dass das Auslaufen der Förderung eine Chance darstellt,
endlich ins Handeln zu kommen. Noch ist aber nicht einmal klar, wer genau
einen Bauantrag stellen würde, und dann muss auch noch der rechtliche
Rahmen angepasst werden: Der Spreekanal ist eine Bundeswasserstraße, in der
Badeverbote herrschen, auch wenn in der Realität dort gar keine Schiffe
fahren.
## Zumindest die Freitreppe kommt
Zumindest das Problem mit der Freitreppe am Humboldt Forum scheint jetzt
halbwegs gelöst zu sein. Die gehörte ursprünglich direkt zum
Flussbad-Projekt, wurde dann aber herausgelöst und mit Bundesfördermitteln
ausgestattet. Geht es nach dem Verein, kann sie künftig trotzdem als
Einstieg ins Wasser genutzt werden, wozu sie noch mit einem hölzernen Steg
ergänzt werden müsste.
Gebaut ist sie aber noch lange nicht – das einst anvisierte Eröffnungsjahr
2023 geht gerade zu Ende. Auch gegen die Treppe hat das Team Einheits-Wippe
mobil gemacht. Dass die Treppe kommt, ist aber relativ sicher, und seit
Kurzem steht auch fest, wer nach ihrer Fertigstellung für Unterhalt und
Reinigung zuständig sein wird: der Bezirk Mitte, der dafür der
Senatsfinanzverwaltung eine Garantie zur Kostenübernahme abgetrotzt hat.
Ob jetzt alles ganz schnell geht, vielleicht mit einer Minimallösung und
späteren Erweiterungen? Wer weiß. „Flussschwimmen ist ein natürlicher
Zustand, den wir irgendwann wieder erleben werden“, prophezeit Tim Edler. „
Jetzt kann uns eigentlich nur passieren, dass Berlin noch mal
unnötigerweise eine Schnarchpause einlegt für 10, 20, 30 Jahre. Um es am
Ende dann doch zu machen.“
26 Dec 2023
## LINKS
[1] /Von-Radbahn-bis-Flussbad/!5853118
[2] /Flussbad-Pokal-faellt-aus/!5617408
[3] /Machbarkeit-des-Berliner-Flussbads/!5847621
[4] /Protest-gegen-Flussbad/!5777744
[5] /Streit-um-Berliner-Flussbad/!5777894
[6] /Stadtumbau-in-Berlin/!5907755
[7] /Montagsinterview-mit-dem-Spree-Freak-Ralf-Steeg/!5157503
## AUTOREN
Claudius Prößer
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