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# taz.de -- Montagsinterview mit dem Spree-Freak Ralf Steeg: "Ich bin ein Fluss…
> Seit sieben Jahren arbeitet Ralf Steeg an seinem Projekt, die Spree
> wieder zur Badewanne für die Berliner zu machen. Damit soll auch die
> Stadt wieder mit dem Fluss versöhnt werden.
Bild: Rald Steeg am Ufer der Spree
taz: Herr Steeg, die Spree entspringt in …
Ralf Steeg: … Neugersdorf im Oberlausitzer Bergland. Dabei muss man sagen,
dass es drei Quellen gibt und auch Kottmar und Ebersbach die Spreequelle
für sich in Anspruch nehmen.
Sie fließt durch …
… Bautzen, Cottbus, den Spreewald und in Berlin durch den Müggelsee.
Und mündet …
… bei Spandau in die Havel.
Die Spree besitzt drei Quellen und wie viele Überlaufrohre?
In Berlin sind es genau 63. (lacht) Sitz ich hier bei Günther Jauch?
Noch nicht. Aber vielleicht, wenn Sie uns verraten, wie man zum Spreefreak
wird.
Zum Spreefreak wird man, wenn einem die Stadt am Herzen liegt. Im Grunde
war das Verhältnis zwischen Berlin und seinem Fluss lange Zeit ein
Missstand. Ganz anders dagegen der Rhein. Den haben die Engländer schon im
18. Jahrhundert entdeckt, und auch bei uns wurde er dann zum romantischen
Rhein. Die Spree dagegen wurde erst nach der Wende entdeckt.
Auch weil sie mitten durch eine geteilte Stadt floss?
Während der Teilung Berlins ist man über weite Strecken hinweg nicht einmal
an die Spree herangekommen. Deshalb hat einen der Fluss auch nicht
interessiert.
Welches Verhältnis die Menschen in einer Stadt zu ihrem Fluss haben können,
haben Sie persönlich in der Schweiz erfahren.
Das war in Bern. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn die Sonne scheint,
trifft man die Stadt am Fluss. Es ist fast wie bei Goethe: Aus dem hohlen
finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Die Berner gehen mit
Picknickkörben zur Aare, ziehen sich bis auf die Badehose oder den Bikini
aus, wandern anderthalb Kilometer flussaufwärts und stürzen sich dann in
die Fluten. Die Aare hat eine irrsinnige Strömung, wie auf einer
Carrerabahn rauscht man in ihr durch die Stadt. Kaum sind sie ins Wasser
gesprungen, zieht es ihnen auch schon die Füße weg. Und dort, wo sie ihre
Klamotten und den Picknickkorb haben, gibt es Haltestangen, an denen sie
sich dann abbremsen, damit sie wieder aus dem Wasser kommen.
Klingt etwas anstrengend für eine Mittagspause.
Dann sind sie erst mal geschafft, und plötzlich haben sie total gute Laune.
So bringt ein Bad im Fluss auch Ruhe in ein städtisches Getriebe. Stadt und
Natur müssen kein Widerspruch sein.
Nun ist die Spree kein Gebirgsfluss, und auch die Geschwindigkeit ist eher
Kinderwagen statt Carrera. Was hat Sie dennoch zu der Vision bewogen, dass
die Berliner eines Tages in der Spree baden können?
Ich will, dass der Fluss sauberer wird, Baden und das Thema
Ressourcenschutz kommen hier zusammen. Es geht um den Umgang mit der Welt,
die uns umgibt. Wenn die eines Tages zerstört ist, würden wir verarmen,
dann säßen wir nur noch in irgendwelchen Plastikhäusern, schauen uns
Werbeclips an - und das wars. Am Anfang von "Spree 2011" stand eine Frage:
Kann es sein, dass in einem Land, das wahnsinnig reich ist, in dem es
genügend Ingenieure gibt, die die dringenden Probleme lösen können, ein
Fluss wie die Spree so vernachlässigt wird?
Klingt weniger konkret als philosophisch.
Ich hab mal einen Bohrkern vom Zürichsee gesehen. Der war zehn Meter lang
und ging über die letzten zehntausend Jahre. Neun Meter neunzig waren
blendend weiß - und zehn Zentimeter waren pechschwarz. Das war das letzte
Jahrhundert. Konkreter lässt sich der Einfluss des Menschen auf die Natur
nicht darstellen, oder?
Sie sind von Beruf Gärtner, wurden dann Landschaftsarchitekt, und nun sind
Sie gewissermaßen Umweltingenieur.
Ich sehe mich eher als Ressourcenschützer. Ich will die Umwelt nicht
schützen, so wie sie da ist. Ich will sie verändern.
Sind Sie ein Weltverbesserer?
Ich bin ein Flussverbesserer.
Sie könnten auch Bücher schreiben, statt Abwassertanks an 63 Überlaufrohre
schrauben zu wollen.
Bücher schreiben sollen Leute, die das können. Ich weiß, was ich kann:
Tanks konstruieren.
Spree 2011, das ist technisch so einfach wie innovativ. Dreckig ist die
Spree, weil bei Starkregen auch die Abwasser aus der Mischkanalisation in
die Spree gehen - über jene 63 Überlaufrohre. Dort sollen nun Tanks
montiert werden, die das Dreckwasser speichern und später wieder in die
Kanalisation zurückpumpen. Auf den Tanks selbst sollen Inseln entstehen,
die als Café oder als kleine Parks ein neues Kapitel im Verhältnis zwischen
Stadt und Fluss aufschlagen. Das alles haben Sie schon vor sieben Jahren
vorgestellt, doch der erste Tank ist immer noch nicht angebracht. Warum?
Wenn ich alle Hindernisse aufzählen würde, die uns unnötigerweise in den
Weg gelegt wurden, würden wir noch in sieben Jahren hier sitzen.
Ist die Berliner Verwaltung gerade wieder dabei, ein innovatives Projekt zu
versenken?
Mit der Wirtschaftsverwaltung von Harald Wolf kommen wir sehr gut zurecht.
Da werden E-Mails innerhalb von 24 Stunden bearbeitet, und die Mitarbeiter
führen einen durch den ganzen Paragrafendschungel. Eine solche
Unterstützung tut gut. Das Gleiche gilt für die Berliner Wasserbetriebe
oder das Technologie Coaching Center.
Von den anderen Verwaltungen bekommen Sie nicht die nötige Unterstützung?
Es liegt nicht nur an den Verwaltungen. Was auch wir nicht wussten: Wenn
Sie das Abwasser wieder in die Kanalisation zurückpumpen wollen, dürfen Sie
das nicht über das Rohr machen, aus dem der Dreck kommt. Also brauchen Sie
ein neues Rohr und damit die Zustimmung des Grundstückseigentümers. Leider
hat die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft, kurz Behala, das
Grundstück, für das wir geplant haben, an einen englischen Immobilienfonds
verkauft, der dann pleitegegangen ist. Da hat sich keiner mehr gemeldet,
keiner war ansprechbar, und nicht einmal das Geld hat Berlin gesehen.
Und nun?
Nun haben wir uns mit dem Eigentümer eines benachbarten Privatgrundstücks
geeinigt. Das alles hat uns mehr als ein ganzes Jahr gekostet, weil die
anderen Behörden gesagt haben: Solange ihr das mit den Leitungsrechten
nicht geklärt habt, bearbeiten wir eure Anträge nicht. Wir haben die
Widerstände, die es gegen das Projekt gibt, unterschätzt.
Wer hat da Widerstand geleistet?
Es waren keine kompletten Abteilungen, es waren immer nur einzelne
Personen, die uns behindert haben. Von vielen dieser Vorgänge haben wir
erst hinterher erfahren. Oft genug war das Projekt dadurch über Monate
blockiert. Immerhin hat der Bund vor einigen Jahren beschlossen, die erste
Pilotanlage zu finanzieren.
Soll heißen, mit dem Baden in der Spree wird es 2011 nichts werden.
Wir wollen noch in diesem Jahr beginnen und 2010 die erste Anlage
fertigstellen. Damit die Spree im Osthafen sauber genug ist, brauchen wir
dann noch eine zweite Anlage. Immerhin wissen wir aber schon jetzt, was auf
die 900 Quadratmeter große Insel kommen soll: ein Solarbootverleih.
In den sieben Jahren, in denen Sie inzwischen an "Spree 2011" arbeiten, hat
sich der Osthafen sehr verändert. Zum Guten? Oder zum Schlechten?
Zum Schlechten.
Warum?
Vor Kurzem war ich auf der Hoppetosse, dem Restaurantschiff an der Arena.
Dort war es proppenvoll. In der Arena waren 1.000 Leute, auch am Badeschiff
war kaum mehr Platz für ein Handtuch. Nur gegenüber, da war keiner.
Gähnende Leere. Da frage ich mich, warum man nicht einfach aus der
anderthalb Kilometer langen Spundwand, die das Ufer am Osthafen bildet,
eine Treppe macht, die zur Spree hinabführt. Im Regierungsviertel hat man
das auch gemacht. Insgesamt wird das Potenzial des Osthafens bis heute
nicht erkannt.
Ist das ein Vorgeschmack auf die sterile Bürowelt der Mediaspree?
Das Problem ist gar nicht so sehr Mediaspree. Das Problem sind die Vorgaben
der Politik, es sind die Bebauungspläne. Die Politik hätte viel mehr
Spielraum, wenn sie nur wollte. Warum zum Beispiel gibt es rund um den
Osthafen so wenige Gestaltungswettbewerbe?
Können Sie das Anliegen der Initiative "Mediaspree versenken" verstehen?
Die Grundforderung, die Spreeufer für alle Berliner zu öffnen und zu
erhalten, finde ich super. Diese Ufer zählen zu den wertvollsten
Stadträumen Berlins. Schauen Sie nach Frankfurt am Main. Da hat es schon
vor 30 Jahren eine Rückgewinnung der Mainufer für die Kultur gegeben. Das
Museumsufer wird angenommen, die Leute sind stolz darauf. Das Gleiche hätte
auch in Berlin passieren können. Leider hatte Berlin für die Spreeufer
keine Vision.
Vielleicht ist ja auch Ihre Initiative Teil nicht nur der Lösung, sondern
auch des Problems. Überlegen Sie nicht manchmal, ob Sie mit Spree 2011
nicht auch dazu beitragen, den Osthafen mehr noch als bisher zum Eventort
zu machen? Dass Ihre Vision, die Versöhnung von Stadt und Natur, in den
Hintergrund geraten könnte?
Bei Sachen, die gut sind, ist es immer die Frage, in welche Richtung sich
diese später entwickeln. Baden an sich ist ja kein Event. Baden ist etwas
unglaublich Schönes. Da kann man viel drüber nachdenken, aber in dem
Moment, in dem man ins Wasser springt, merkt man, wie gut das tut. Warum
sollte es am Anliegen, die Spree zu reinigen, etwas Falsches geben? Das
schließt nicht aus, bestimmte Entwicklungen im Umfeld immer wieder zu
korrigieren.
Zum Beispiel?
Für mich ist zum Beispiel klar, dass unsere Inseln öffentlich zugänglich
sein müssen.
Sie sind 1961 geboren und als 18-Jähriger 1979 nach Westberlin gekommen.
Wie war Ihre erste Begegnung mit der Spree?
Die bestand darin, dass ich die Spree überhaupt nicht wahrgenommen habe.
Wie wahrscheinlich sehr viele Berliner bin ich da drübergefahren, ohne sie
wahrzunehmen. Sie war nicht existent. Da war der Landwehrkanal präsenter.
Und heute. Was ist Ihr Lieblingsort an der Spree?
Schon die Arena, da hatte ich lange mein Büro. Ich bin von dort immer
runter zum Fluss gegangen. Ich mag auch das Badeschiff. Da ist man auf dem
Wasser. Auch an der Ostsee ist das Erste, was man macht: Man rennt auf die
Seebrücke und schaut aufs Meer. Das gibt es eigentlich selten in Berlin,
auf dem Fluss zu sein. Da steht man immer nur am Ufer.
Inzwischen ist die Spree zu Ihrer Lebensaufgabe geworden.
Zurzeit schon, aber ich will es nicht bis ans Ende meines Lebens machen. Es
soll ja auch mal fertig sein. Ich möchte nicht der Methusalem der Spree
werden. Bloß kein Roman "Der alte Mann und die Spree".
Aber es bringt auch Renommee.
Die Einladungen zur Teilnahme im Deutschen Pavillon auf der
Architekturbiennale Venedig 2008 oder an der nächsten Expo in Schanghai
sind Auszeichnungen, über die wir uns natürlich sehr gefreut haben.
24 Aug 2009
## AUTOREN
Uwe Rada
Uwe Rada
## TAGS
Flussbad Berlin
Spree
Guiness Buch der Rekorde
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