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# taz.de -- Baden in der Spree in Berlin: Längst keine Utopie mehr
> Seit 18 Jahren arbeiten Jan und Tim Edler am Konzept für ein Flussbad in
> der Stadt. Aus der Idee wird langsam ein Projekt. 2025 könnte es soweit
> sein.
Bild: Geht zwar, ist aber nicht gesund und auch nicht erlaubt: Baden in der Spr…
Aus dem Spreewasser ragen 30 gelbe Badehauben mit einem Aufdruck: der
Berliner Bär in Badehose mit einem Schwimmreifen in Entenform um den Bauch
– das Logo des Vereins Flussbad Berlin. Der veranstaltete Mitte Juli
anlässlich des Europäischen Flussbadetages zusammen mit der Berliner
Triathleten-Union den „Flussbad-Pokal“, einen Schwimmwettkampf im
Kupfergraben. 80 Schwimmer messen sich auf einer Strecke von 1.000 Meter
von der Monbijoubrücke zum Lustgarten und wieder zurück. Am Ufer rund 300
Zuschauer. Für alle Beteiligten ist die Veranstaltung etwas ganz
besonderes, denn normalerweise ist das Schwimmen in der Spree streng
verboten.
Ein Blick ins Wasser lässt vermuten wieso. Müll sammelt sich an der
Ufermauer, kleine Schmutzpartikel verfärben das Wasser – genau diese
sogenannten Schwebteilchen sind das Problem. Sie kommen aus der
Mischwasserkanalisation, in der Ab- und Regenwasser gesammelt wird (siehe
Text auf Seite 45). Das Baden ist deshalb wegen großer
Gesundheitsgefährdung untersagt. Da der Kanal aber eine Wasserstraße und
für die Schifffahrt vorgesehen ist, darf hier sowieso niemand ins kühle
Nass springen.
Jan Edler kann sich trotzdem vorstellen, hier einmal baden zu gehen.
Gemeinsam mit seinem Bruder Tim Edler hatte er schon 1997 die Idee, dass
man den ungenutzten Altarm der Spree, der westlich der Museumsinsel
verläuft – den Kupfergraben –, wieder nutzbar machen könnte. Denn seit ü…
100 Jahren fahren hier kaum Schiffe mehr.
Ein Jahr später stellten sie das Vorhaben mit ihrer Künstler- und
Architekturgruppe „realtities:united“ der Öffentlichkeit vor. Schnell wurde
die Geschichte von den Medien aufgegriffen. „Damals wurde es aber vor allem
als charmante Utopie angesehen“, sagt Edler.
## Ein durchdachtes System
Das Konzept sieht ein 750 Meter langes Schwimmbecken vor, gefüllt mit
sauberen Spreewasser. Doch dazu muss der gesamte Altarm von der Inselbrücke
bis zum Auswärtigen Amt in ein riesiges Filtersystem umgewandelt werden.
Dieses soll in einem ersten Teil aus einem renaturierten Flussbett zwischen
Insel- und Gertraudenbrücke bestehen. Hier soll ein Habitat für Flora und
Fauna entstehen (siehe Grafik).
Im zweiten Abschnitt, zwischen Gertraudenbrücke und Auswärtigem Amt, soll
eine natürliche Filteranlage installiert werden, bestehend aus einer
Kiesschicht, auf der Pflanzen wachsen. Diese sorgen mit ihren Wurzeln
dafür, dass der Kies porös bleibt, das Wasser hindurch fließen kann und so
natürlich gereinigt wird. Schwebteilchen verbleiben im Kies, sauberes
Wasser wird in Drainagerohren gesammelt und in das tiefer gelegene
Schwimmbecken geleitet. Durch einen chemischen Vorgang – ähnlich dem in
einer Kläranlage – werden die Schmutzstoffe im Kies abgebaut.
Der Schwimmbereich würde dann vor dem neuen Stadtschloss beginnen und sich
über 750 Meter bis hin zum Bodemuseum erstrecken. Am Ende des
Schwimmbeckens soll ein minimaler Höhenunterschied, erzeugt durch ein Wehr,
dafür sorgen, dass das saubere Wasser im Badeteil nicht von zurück
fließendem Wasser aus der Haupt-Spree verschmutzt wird.
## Die Öffentlichkeit denkt um
Die Ansicht, dass dieser Plan reine Träumerei sei, endete 2011 mit der
Verleihung des Holcim-Award für nachhaltiges Bauen. Ein Wettbewerb der
Stiftung eines Schweizer Baustoffkonzerns. Die Edlers hatten überraschend
den Hauptpreis für Europa sowie den dritten Preis im weltweiten Ausscheid
gewonnen. „Eines der Kriterien des Preises ist, dass die eingereichten
Projekte der Realisierung nah sind. Allerdings sind wir auch heute noch
weit davon entfernt“, erklärt Edler. Aufgrund dieses ersten Erfolgs aber
entschieden sich die Architekten, „aus dem Projekt für Berlin ein Projekt
der Berliner“ zu machen und gründeten den Verein Flussbad Berlin.
Mittlerweile werde in der Politik und den Medien ernsthaft über ein
Flussbad diskutiert, so Edler. Und so erhielt der Verein 2014 Fördermittel
in Höhe von 2,6 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Investitionen in
Nationale Projekte des Städtebaus“ und weitere 1,4 Millionen Euro vom
Berliner Senat. Die Fördersumme steht bis 2018 bereit und dient dazu, das
Konzept zu detaillieren.
Vom Geld konnte der Verein eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
Diese bestätigte, dass das Flussbad umsetzbar ist. Derzeit ist die
Machbarkeitsstudie zur Begutachtung beim Senat, im September werden
Ergebnisse erwartet. Mit der Bearbeitung werde sich am Konzept noch viel
ändern, räumt Edler ein. Gespräche mit allen, die direkt vom Projekt
betroffen seien, würden eben Veränderungen zur Folge haben.
Mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt steht der Verein bereits in Kontakt,
wie das Amt auf Anfrage der taz bestätigte. Der Spreekanal ist eine
Bundeswasserstraße, damit Eigentum des Bundes, und wird durch das Wasser-
und Schifffahrtsamt verwaltet. Durchgängigen Schiffsverkehr gibt es hier
aber nicht mehr. „Nach einer ersten überschlägigen Rechtsprüfung hindern
die Belange der Schifffahrt im Spreekanal die Umsetzung des Flussbades
nicht“, erklärte Stefan Sühl, Sachbereichsleiter beim Schifffahrtsamt.
Allerdings könne man Genaueres erst sagen, wenn die Planung weiter
vorangeschritten sei und Genehmigungen vorliegen, etwa eine, die bauliche
Veränderungen an einem Denkmal erlauben würden.
## Denkmal in Gefahr
Dass solche Genehmigungen ausgesprochen werden könnten, sehen
Denkmalschützer wie Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz, kritisch. Zur Diskussion steht vor allem der Umbau der
Ufermauer zu Freitreppen. Die Mauer ist Teil des Originalbauplans von Karl
Friedrich Schinkel. Ein Umbau stelle einen tiefen Eingriff in die Substanz
des Lustgartens dar und minimiere die historisch bedeutsame Ansicht der
Museumsinsel, wie sie in den Plänen Schinkels festgehalten worden sei, so
Parzinger. „Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob wir zu Gunsten
eines Flussbades den Welterbe-Status des Gesamtensembles gefährden
möchten“, erklärt er.
Jan Edler sieht bezüglich des Weltkulturerbes vorerst keine Probleme.
Schinkel sei ein moderner Pragmatiker gewesen, meint er. „Wenn er gekonnt
hätte, wäre er hier sicher auch schwimmen gegangen“, sagt Edler. Generell
sei mit Blick auf den Denkmalschutz eine Frage sehr wichtig: Wollen die
Berliner mit einem Denkmal leben oder wollen sie auch in einem Denkmal
leben?
Diese Frage stellt sich für Hermann Parzinger nicht. Eine solche Aussage
ließe vermuten, dass die Berliner nur noch an der Museumsinsel vorbei
lebten, was nicht stimme. Die steigenden Besucherzahlen der Museen seien
dafür ein Indiz. „Außerdem muss man sich auch fragen, ob die Wirkung des
Flussbads nicht überschätzt wird“, merkt Parzinger an.
Es sei nicht absehbar, wie lange ein Flussbad für die Berliner interessant
sei, besonders, wenn es nicht mehr neu und gewagt sei. Natürlich sei eine
belebte Museumsinsel wünschenswert, so Parzinger, hohe Besucherzahlen
stellten aber eine Belastung dar, der man „mit einigen Umkleidekabinen
unterhalb des Humboldt-Forums, wie der Flussbad Verein plant“, nicht
gerecht würde. „Wir stehen natürlich in engem Kontakt mit der Unesco, die
genau verfolgt, was sich rund um die Museumsinsel abspielt“, sagt er
abschließend.
Das bestätigte die Deutsche Unesco-Kommission auf taz-Anfrage.
Pressesprecherin Katja Römer gab jedoch Entwarnung. Der Verlust des
Weltkulturerbestatus‘ sei zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. „In der
Regel werden Konfliktfälle unter Einbeziehung aller relevanten Akteure
zunächst national diskutiert“, so Römer. Erst wenn hier keine Lösung
gefunden werde, in der das Welterbe in seiner Form unbeschädigt bleibt,
werde das Unesco-Welterbezentrum in Paris informiert.
In der mittlerweile 43-jährigen Geschichte der Unesco wurden erst zwei
Titel aberkannt. Allerdings hätte man die Gefahr im Hinterkopf, weil
bereits ein anderes deutsches Kulturerbe – das Dresdner Elbtal –, durch
Baumaßnahmen seinen Titel verlor, erklärt Römer.
Andere Gegner sehen in dem Projekt Flussbad eine Maßnahme zur Aufgrünung
der Stadt – wegen des natürlichen Filters und der Renaturierung. So warf
Anfang März die Zeitung Die Welt das Flussbad in einen Topf mit der
Bewegung des Urban Gardening und wies darauf hin, dass Auflockerung und
Durchgrünung die Stadt auseinander rissen.
## Missverstandenes Projekt
Jan Edler erkennt hier ein Missverständnis. Man wolle Berlin nicht grüner
machen, sondern verdichte die Stadt dadurch, dass knapp eine halbe Million
Anwohner nicht mehr zum weiter entfernt gelegenen See fahren müssten,
sondern direkt vor ihrer Haustür baden könnten.
Die Stimmen der Unterstützer nehme Jan Edler im übrigen lauter wahr, als
die der Kritiker. Edler spricht von einem Vertrauensvorschuss, den das
Projekt schon habe, weil es über eine lange Zeit gewachsen ist.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist einer der Unterstützer.
Herbert Lohner, Referent für Naturschutz, ist Mitglied im Beirat des
Flussbad-Projekts. Der BUND sehe es als Möglichkeit, um auf die Gewässer
und die europäische Wasserrahmenrichtlinie aufmerksam zu machen. Die
Umgestaltung nach dem Plan des Vereins habe verschiedene Vorteile, so
Lohner. „Einer davon ist, dass die Berliner hoffentlich stärker auf den
Fluss blicken. Außerdem wird lokal und vielleicht auch regional die
Wasserqualität verbessert“, erklärt er.
Die Wasserqualität mache die Lebensbedingungen für Wassertiere besser, da
der Sauerstoffgehalt durch die Reinigung erhöht würde. Die Renaturierung
verbessere die Voraussetzungen für Flora und Fauna am Ufer – und somit auch
für den Menschen. Beispielsweise könne man das Ufer so gestalten, dass
Biber hier an Land gehen könnten, sagt Lohner.
„Ein einziges Hindernis ist – im Sinne einer Verzögerung –, dass die
Umsetzung sehr teuer sein wird“, gibt Lohner zu bedenken. Doch der
Flussbad-Verein spricht noch nicht über die eventuellen Kosten. Nach
Absprache mit der Senatsverwaltung habe man beschlossen, diese
Informationen nicht zu veröffentlichen, sagt Jan Edler. Grund dafür sei die
Unberechenbarkeit eines Bauvorhabens an und in einem Fluss.
Auf den Sprung in die Spree müssen die Berliner somit noch eine Weile
warten. Im kommenden Jahr wird erst einmal die Filteranlage am alten Wehr
vor der Schleusenbrücke installiert und drei Jahre getestet – es heißt also
sich gedulden. „Spätestens 2025 wollen wir das Flussbad eröffnen“, sagt
Susanne Bernstein, Koordinatorin der Geschäftssteller der Initiative
Flussbad Berlin. „Dann wäre es 100 Jahre her, dass die Berliner in der
Spree baden konnten.“
Sophie Zeitz, die beim Flussbad-Pokal dabei war, freut sich schon darauf.
„Flussschwimmen ist einfach die schönste Art zu schwimmen“, sagte die
ehemalige Sportschwimmerin, die bereits in anderen Flüssen schwamm. Das
Beste sei, dass man so eine weite Sicht habe und in toller Kulisse
schwimme. Und auch wenn die Wasserfarbe es nicht vermuten lässt, das
Schwimmen in der Spree sei keineswegs eklig gewesen. „Nur ein bisschen
gruselig unter den dunklen Brücken“, gibt Zeitz lächelnd zu.
Dieser Text ist Teil des aktuellen Schwerpunkts der taz.berlin. Darin
außerdem: Ein Essay und ein Text zur Umweltproblematik. In Ihrem
Briefkasten und am Kiosk.
9 Aug 2015
## AUTOREN
Franziska Maria Schade
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